Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Corona und die Folgen für die Familienplanung
Kinder werden in eine Krisenzeit geboren – Hebamme Lucia Sochor gibt Auskunft
ISNY - Zu Hause sein, mehr Zeit miteinander verbringen, wenn auch zwangsweise: Hat der Lockdown im Frühjahr Folgen für die Geburtenzahlen bis zum Jahresende? Wie läuft eine Geburt im Krankenhaus derzeit ab? Was hat sich bei einem Krankenhausaufenthalt nach der Geburt geändert? Diesen Fragen müssen sich Schwangere derzeit stellen. Lucia Sochor, Hebamme aus Isny, gibt im Interview mit SZ-Mitarbeiterin Jeanette Löschberger Antworten aus ihrem Arbeitsalltag.
Frau Sochor, gibt es in Isny steigende Geburtenzahlen?
Es gibt wohl eine steigende Tendenz, jedoch bekomme ich deutlich mit, dass es aktuell zwei Lager gibt: Da ist die Gruppe der „Kopflastigen“, jene Paare, die sich aktuell nicht in Sicherheit fühlen. Es wird überlegt, wie es wohl mit dem Job weitergeht. Kurzarbeit bereitet vielen Paaren und vor allem Männern Sorgen; und die damit verbundene Frage: „Kann ich meiner zukünftigen Familie etwas bieten? Ist die Wohnsituation in ,trockenen Tüchern’, und können wir uns ein Kind überhaupt leisten?“Die zweite Gruppe sind die „Herzlastigen“. Das sind die Paare, die sich schon seit längerer Zeit ein Kind wünschen und sich auch durch die Pandemie nicht verunsichern lassen. Aus meinem Arbeitsalltag heraus kann ich feststellen, dass es aktuell eher seltener zu ungeplanten Schwangerschaften kommt. Die Entscheidung für ein Kind ist momentan eine sehr bewusste.
vorhanden?
Das Thema Hausgeburt ist aufgrund der Corona-Pandemie tatsächlich wieder sehr aktuell. Die werdenden Mütter machen sich große Sorgen, dass der Partner nicht anwesend sein darf oder nur für den Endspurt mit in den Kreißsaal darf. Diese Bedenken und Ängste kann ich sehr gut nachvollziehen, denn der werdende Vater hat eine zentrale Rolle im Kreißsaal. Er ist die Stütze und der sichere Hafen einer Gebärenden.
Bei manchen Gebärenden ist es vielleicht auch die Unsicherheit, sich in der Klinik mit Covid-19 anzustecken. Diese Gedanken bringen einige Paare zurück zum Ursprung. Da ich keine Hausgeburtshilfe anbiete, kann ich nicht sicher sagen, ob es letzten Endes tatsächlich zur gesteigerten Umsetzung von Hausgeburten kommt.
Wie läuft die Wochenbettbetreuung zu Hause?
Der Inhalt der Hausbesuche läuft im Grunde unverändert ab. Natürlich werden alle Hygieneregeln, wie auch Empfehlungen und Vorschriften beachtet. So trage ich bei jedem Hausbesuch eine FFP2-Maske, und der erste Weg führt mich immer ans Wachbecken. Händewaschen und desinfizieren ist das A und O in dieser Zeit. Unter Berücksichtigung aller Hygiene- und Schutzmaßnahmen wie Mantel, Brille, FFP3, Handschuhe, Überschuhe und anderes, darf auch eine covidpositive Wöchnerin in dringenden Fällen aufgesucht werden.
wird?
Natürlich besteht die Sorge frischgebackener Eltern, sich oder ihr Baby mit Covid-19 anzustecken. Jedoch versuche ich den Eltern immer zu erklären, dass Stillen die beste Prävention ist. Muttermilch hat antibakterielle und antivirale Eigenschaften und schützt so grundsätzlich vor Krankheiten. Natürlich können Krankheiten durch Muttermilch nicht gänzlich verhindert werden, aber die Muttermilch sorgt dafür, dass die Kinder sich schneller erholen und wieder fit werden. Ansonsten gilt es, auf ordentliche Händehygiene zu achten und sich trotz dieser besonderen Zeit nicht verrückt zu machen.
Gibt es Geburtsvorbereitungsoder Onlinekurse?
Einige Kolleginnen bieten OnlineKurse zur Geburtsvorbereitung als „Notlösung“an. Nach den aktuellen Empfehlungen darf Geburtsvorbereitung als Präsenzkurs noch stattfinden. Darüber bin ich sehr froh. Denn da es momentan unklar ist, ob und in welcher zeitlichen Form die Väter im Kreißsaal anwesend sein dürfen, ist es in meinen Augen wichtiger denn je, die Frauen gut vorzubereiten. Eine Geburt ist ein natürliches Geschehen für den weiblichen Körper. Und die Veränderung von Frau zu Mutter ist uns Damen förmlich in die Wiege gelegt. Dennoch ist es ein unbeschreiblich starker Prozess und Kraftakt, körperlich wie auch seelisch. Durch den Besuch eines Vorbereitungskurses fühlen sich die werdenden Mütter und Väter gestärkt und gefestigt für dieses große Abenteuer Familie.