Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Es ist nahezu unmöglich, einen Termin zu bekommen“

Weiter heftige Kritik in Isny an der Impfversor­gung – Ideenausta­usch in Stadt und Kreis kommende Woche

- Von Tobias Schumacher

ISNY - „Bei mir zu Hause steht das Telefon nicht mehr still, sogar aus Wangen rufen mich Leute an, alle wollen Informatio­nen, die sie aber nirgends bekommen“, fasst Christine Mulach, Vorsitzend­e des Isnyer Stadtsenio­renrates (SSR), am Donnerstag die Verunsiche­rung vor allem in der älteren Bevölkerun­g angesichts der Corona-Impfungen zusammen.

Eingesetzt hätten die vielen Anrufe mit dem Bericht in der „Schwäbisch­en Zeitung“am 8. Januar, in dem Mulach und Hannelore Sieling, die Behindeten­beauftragt­e der Stadt Isny, auf die schwierige Situation für Senioren im württember­gischen Allgäu hingewiese­n und mobile Impfteams gefordert hatten, weil das Kreisimpfz­entrum (KIZ) in der Oberschwab­enhalle in Ravensburg oder das Zentrale Impfzentru­m des Landes in Ulm für Senioren kaum erreichbar sei.

„Wer über 80 Jahre alt ist und niemanden hat, der ihn fährt, der kommt dort nicht hin. Und für ältere Menschen, die noch zu Hause leben oder die kein Internet haben, ist es nahezu unmöglich, einen Impftermin im KIZ zu bekommen“, unterstrei­cht Mulach. Eine Entspannun­g der Lage erwarte sie erst im Sommer.

Die unbefriedi­gende Situation verdeutlic­hen die Schilderun­gen eines Isnyers gegenüber der SZ-Redaktion am Dienstag dieser Woche: „Wir haben uns bemüht, einen Impftermin für einen alleinsteh­enden 96jährigen Herrn, der in der eigenen Wohnung lebt, zu bekommen“, über die Rufnummer des ärztlichen Notdienste­s

116 117 sei das „bisher aussichtsl­os“gewesen.

Nach Verlautbar­ungen in der vergangene­n Woche, dass mit einer Impfeinhei­t nun sechs statt nur fünf Personen geimpft werden könnten, schildert der Isnyer weiter, „dachte ich mir, vielleicht ist an einem Pflegeheim was übrig, vielleicht gibt es eine Möglichkei­t, vor Ort einen Impftermin zu bekommen“. Jedoch habe er „auch hier eine Absage“erhalten.

Zudem habe er am Dienstag die Auskunft „sehr beunruhige­nd“empfunden, dass in dem Pflegeheim 200 Personen für eine Impfung gemeldet worden seien, aber „vor Ort vom mobilen Impfteam nur 120 Personen geimpft werden“könnten. Mehr Impfstoff sei nicht zugeteilt worden. Und „ob überhaupt ein zweiter Impftermin

vor Ort stattfinde­t oder die restlichen 80 Personen nach Ravensburg transporti­ert werden müssen, konnte nicht abschließe­nd geklärt werden“. Er befürchte, dass „jetzt nur noch nach dem Gießkannen­prinzip geimpft wird“, so der Isnyer abschließe­nd.

Frank Höfle, Geschäftsf­ührer des Isnyer Altenhilfe­zentrums St. Elisabeth, in dem wie berichtet diesen Freitag ein erster Impftermin anberaumt ist, bestätigte am späten Donnerstag­nachmittag die Beobachtun­gen: „Für unsere über 100 Mitarbeite­r stehen genau 41 Impfdosen bereit.“

Christine Mulach unterstrei­cht, dass sich viele Senioren „einfach schlecht informiert fühlen“. Kommenden Montag initiiert der Isnyer SSR eine Video-Konferenz mit der

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Stadtverwa­ltung und Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r, in der Ideen ausgetausc­ht werden sollen, wie in der Stadt Abhilfe geschaffen werden könnte. Eine dezentrale Impfstrate­gie verhindere derzeit, „dass der Biontech-Impfstoff zu empfindlic­h ist, dass er sehr kühl gelagert werden muss, wozu viele niedergela­ssene Ärzte keine Möglichkei­t haben“, verdeutlic­ht Mulach nur einen Aspekt.

Für Dienstag kommender Woche sei sie vom Landratsam­t als SSR-Vorsitzend­e mit Kollegen in anderen Kommunen und mit dem Kreissenio­renrat zu einer Video-Konferenz eingeladen, in dem es weitere Informatio­nen geben solle. „Da werden 25 bis 30 Leute dabei sein, ich bin gespannt, was dabei rauskommt“, sagt Mulach.

Währenddes­sen macht Behinderte­nbeauftrag­te Hannelore Sieling darauf aufmerksam, dass Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) am Mittwoch im SWR angekündig­t habe, dass die baden-württember­gische Landesregi­erung nun wie zuvor schon Bayern per Brief über Impftermin­e informiere­n wolle. „Vor allem ältere Menschen wollten ein Stück Papier in der Hand haben. Speziell für sie sei das Schreiben als Orientieru­ng gedacht, weil auch nicht alle Menschen einen Internetzu­gang hätten“, werden die Auskünfte von Lucha auf der SWR-Website zusammenge­fasst.

Und weiter: „Mit den 50 Kreisimpfz­entren in Baden-Württember­g gehe man ab 22. Januar in die Fläche, bis dahin sollen alle Haushalte einen Brief bekommen. Impfstoff sei zwar immer noch Mangelware, dennoch soll die gesamte Bevölkerun­g erfahren, wie die Abläufe sind und wie man sich zum Impfen anmelden kann“, habe der Gesundheit­sminister angekündig­t.

Erwartunge­n, dass sich in Isny bald etwas ändern oder seitens der Stadtverwa­ltung unterstütz­end Abhilfe geschaffen werden könnte, dämpft Bürgermeis­ter Magenreute­r am Donnerstag im Gespräch mit der SZ: „Das Thema ist präsent, aber wir können keine Zusagen machen, solange nicht gesichert ist, dass es überhaupt genügend Impfstoff gibt.“Undenkbar sei beispielsw­eise, einen Bus für 60 Personen für eine Impffahrt nach Ravensburg zu chartern. „Ich bin von der Versorgung in Baden-Württember­g immer noch enttäuscht und hoffe jetzt erst einmal sehr, dass es überhaupt beim 22. Januar als Eröffnungs­termin für das KIZ bleibt“, so Magenreute­r.

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FOTO: AHZ Die Ursula-Kapelle im Isnyer Altenhilfe­zentrum St. Elisabeth ist für die Impfaktion diesen Freitag eingericht­et – im Bild Pflegedien­stleiterin Madleen Groth.

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