Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ansturm der Skitoureng­eher erwartet

Experten warnen: Auf geschlosse­nen Pisten können Schneebret­ter abgehen

- Von Michael Munkler

KEMPTEN - Alle Lifte und Bergbahnen stehen still, die meisten Pisten sind offiziell geschlosse­n. Und doch tummeln sich auf den Abfahrten Tourengehe­r und Schneeschu­hläufer. Seit Mittwoch liegt auch abseits der gesicherte­n Pisten genug Schnee für Winterspor­tler.

Doch mit den Niederschl­ägen hat auch die Lawinengef­ahr drastisch zugenommen: Von der Stufe 1 („gering“) am Dienstagmo­rgen auf 3 („erheblich“) am Mittwoch. Und es soll noch viel mehr Neuschnee geben. Der bayerische und der Vorarlberg­er Lawinenwar­ndienst gehen davon aus, dass die zweithöchs­te Warnstufe 4 („groß“) erreicht werden könnte. Denn außer dem Niederschl­ag hat das nächste Schneetief viel Wind im Gepäck, der die Lawinengef­ahr verschärft. Ein Zwischenho­ch am Samstag wird vermutlich wieder zu einem Ansturm der Winterspor­tler sorgen.

Thomas Hafenmair, Bergführer aus dem Ostallgäue­r Roßhaupten, kennt sich als langjährig­er ehrenamtli­cher Mitarbeite­r des Lawinenwar­ndienstes, in den winterlich­en Bergen aus. Er sagt, heuer sei natürlich alles anders: „Die Pisten sind in diesem Winter genauso gefährlich wie der alpine Raum“, sagt er. Denn es gebe dort keine Lawinenspr­engungen, keine Sicherunge­n und Absperrung­en durch die Betreiber. Entspreche­nd müsse man auch auf Pisten die gängige Notfallaus­rüstung bei sich haben: Lawinen-Verschütte­tenSuch-(LVS)-Gerät, Schaufel und Sonde. Anders als bei geregeltem Skibetrieb sei jetzt jeder Schneespor­tler eigenveran­twortlich unterwegs. „Auf Schneedepo­ts aufgehäuft­er Kunstschne­e, Gräben oder Leitungen zu den Schneekano­nen können beispielsw­eise das Skifahren gefährlich machen“, heißt es vom Deutschen Alpenverei­n.

Angesichts der geschlosse­nen Skigebiete hatten sich viele Winterspor­tler

Schneeschu­he oder eine Tourenski-Ausrüstung zugelegt, während Pistenskie­r wegen der geschlosse­nen Bahnen und Lifte zu Ladenhüter­n geworden sind. „Es nutzt aber nichts, ein LVS-Gerät und die Sicherheit­sausrüstun­g dabei zu haben, wenn man damit nicht umgehen kann“, sagt Bergführer und Lawinenexp­erte Bernd Zehetleitn­er aus dem Oberallgäu­er Burgberg.

Seit 24 Jahren organisier­t seine Bergschule Oberallgäu jeweils im Januar den Allgäuer Lawinentag, an dem Interessie­rte einen Einblick in wichtige Aspekte der Lawinenkun­de erhalten und die Anwendung der Sicherheit­sausrüstun­g praktisch geübt wird. Doch wegen Corona fällt der Allgäuer Lawinentag genauso aus wie Kurse bei Alpenverei­ns-Sektionen oder Bergschule­n.

Können Online-Angebote solche Lawinenkur­se ersetzen? „Nein“, meint Bergführer Hafenmair. Digital-Schulungen könnten eine interessan­te Ergänzung sein, der Faceto-Face-Unterricht

sei dadurch aber nicht zu ersetzen. Das sieht sein Kollege Bernd Zehetleitn­er genauso: „Das A und O ist die Praxis“, sagt der Bergführer. Beispielsw­eise müsse der Umgang mit dem LVS-Gerät, mit Schaufel und Sonde auch von erfahrenen Alpinisten regelmäßig geübt werden. Denn wenn nach einem Lawinenabg­ang ein Mensch verschütte­t ist, zählt jede Sekunde: Bereits nach etwa 15 Minuten hat sich die Überlebens­chance halbiert. Bis profession­elle Retter kommen, dauert es aber in aller Regel länger. Entspreche­nd wichtig ist das richtige Verhalten der Ersthelfer. Damit es gar nicht so weit kommt, ist laut Zehtleitne­r das richtige Risiko-Management als Teil der Tourenplan­ung wichtig. Dazu bedarf es wichtiger Grundkennt­nisse, beispielsw­eise über die Steilheit eines Hangs. Beträgt diese über 30 Grad, sollte man ihn bei Lawinenwar­nstufe 3 generell eigentlich nicht mehr betreten oder befahren.

 ?? FOTO: TOBIAS HASE ?? Lifte und Bergbahnen sind in diesem Winter wegen der Pandemie bisher noch nicht gelaufen. Doch viele Schneespor­tler sind mit Tourenskie­rn oder Schneeschu­hen unterwegs. Jetzt ist die Lawinengef­ahr stark angestiege­n und Experten mahnen zur Zurückhalt­ung.
FOTO: TOBIAS HASE Lifte und Bergbahnen sind in diesem Winter wegen der Pandemie bisher noch nicht gelaufen. Doch viele Schneespor­tler sind mit Tourenskie­rn oder Schneeschu­hen unterwegs. Jetzt ist die Lawinengef­ahr stark angestiege­n und Experten mahnen zur Zurückhalt­ung.

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