Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zwischen OB und Baumbesetzern kracht es
Streit hinter den Kulissen im Vorfeld des Gesprächs am Donnerstagabend – Grüne fordern Klimarat
RAVENSBURG - Die Atmosphäre zwischen Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp und jungen Klimaaktivisten war vor einem geplanten gemeinsamen Gespräch am Donnerstagabend angespannt. Beide Seiten machten sich gegenseitig öffentlich Vorwürfe. Derweil haben die Grünen im Gemeinderat die Einrichtung eines Klimarates für die Stadt noch im ersten Quartal dieses Jahres beantragt. Es gebe „dringenden Handlungsbedarf“, heißt es in der Begründung. Auslöser für den Vorstoß dürften auch die neuerlichen Diskussionen über die weltweite Klimakatastrophe im Zusammenhang mit den Baumbesetzern in Ravensburg sein.
Die Grünen verweisen in ihrem Antrag darauf, dass Verwaltung und Gemeinderat sich in ihrem Klimakonsens zu der Einrichtung eines Klimarates verpflichtet hatten. Der Beschluss stamme bereits aus dem Juli 2020. Die Fraktion: „Wir sehen dringenden Handlungsbedarf, den Prozess der Umsetzung zu forcieren. Der Klimarat sollte sich zusammensetzen aus Menschen mit Sachexpertise, um eine kontinuierliche Beratung und Begleitung der Klimaschutzbemühungen sicherzustellen.“Vor allem solle das Gremium Wege aufzeigen zur Erreichung der geplanten CO2-Reduktion in Ravensburg um 13 Prozent pro Jahr. Zudem sollten dem Klimarat eine kleinere Anzahl von Vertreterinnen und Vertretern aus Umweltgruppierungen, der örtlichen Wirtschaft und dem Gemeinderat angehören, so die Grünen.
Bis spätestens zum 1. April sollen nach Forderungen der Grünen alle Beschlussvorlagen im Gemeinderat Angaben zu den jeweiligen Auswirkungen möglicher Entscheidungen auf das Klima beinhalten. Fraktionschefin Maria Weithmann: „Wir beantragen, dass die Beschlüsse aus dem Klimakonsens konkrete Formen annehmen. Viele junge Menschen fragen sich zu Recht, warum dieser größten Herausforderung der heutigen Zeit nicht mit viel mehr Anstrengungen begegnet wird.“
Am Donnerstagabend wollten sich in diesem Zusammenhang Stadtverwaltung, Gemeinderat, Schülerrat und Klimaaktivisten zu einem Gespräch im Rathaus treffen. Vorwiegend junge Leute haben in der Karlstraße einen Baum besetzt, um auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen und stellen konkrete Forderungen an die Stadt. Vor dem Jahreswechsel war ein erstes Baumhaus an der Schussenstraße von der Polizei geräumt worden. Die „Friedenspflicht“, die Polizei und Aktivisten in einem Konsens bis zu dem Gespräch verlängert hatten, hatte offenbar wenig positive Auswirkungen auf die Atmosphäre im Vorfeld des Termins.
Aktivisten und Oberbürgermeister Daniel Rapp warfen sich öffentlich gegenseitig vor, die Unwahrheit zu sagen. Baumbesetzer Samuel Bosch (18) kritisierte in einer Pressemitteilung am Donnerstag, dass dieses Gespräch in einem größeren Rahmen stattfinde: „Wir dachten ursprünglich, Herr Rapp würde einen echten inhaltlichen Austausch mit uns suchen. Einen solchen Austausch hätten wir uns gewünscht. Bei der Vielzahl geladener Gäste müssen wir nun leider davon ausgehen, dass das Treffen eher einer Inszenierung eines grünen Scheins dient.“
Dass das Gespräch während der Pandemie in einem geschlossenen Raum stattfinde, „entblöße“zudem „die Doppelmoral der Verwaltung, denn uns wirft sie ja immer wieder Verstöße gegen die Corona-Verordnung vor“. Und schließlich kritisieren die Aktivisten, dass der OB mit der Festlegung des Termins eine rechtzeitige Teilnahme von Hochschulprofessor Wolfgang Ertel, einem Unterstützer der jungen Leute, verhindern wolle. Es sei bekannt gewesen, dass Ertel zum Beginn des Austauschs wegen Vorlesungen nicht dabei sein könne.
Oberbürgermeister Daniel Rapp reagierte in sozialen Netzwerken auf einige Vorwürfe direkt und erkennbar ungehalten. Unter anderem ging es bei dem Streit um die Frage, ob sich das Stadtoberhaupt zuvor einem Gespräch mit den Baumbesetzern verweigert habe. Rapps direkte Antwort: „Also, bitte schön bei der Wahrheit bleiben. Ihr seid NIE mit einer Gesprächsanfrage auf mich zugekommen, sondern ich auf Euch!“Und weiter: „Mit mir hättet ihr schon lange reden können. Dazu muss man nicht erst auf Bäume klettern!“