Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gepäck voller Unsicherhe­it

Reisebranc­he erwartet hartes Jahr – Neubuchung­en ziehen nur langsam an

- Von Friederike Marx und Philipp Laage

BERLIN (dpa) - Fehlende Öffnungspe­rspektiven, Ungewisshe­it in der Corona-Pandemie und die Diskussion um Vorkasse bei Reisen: Die Tourismusi­ndustrie steuert nach dem historisch­en Absturz in der CoronaKris­e 2020 zunächst weiter auf harte Zeiten zu. Zwar sehen Reisebüros und Veranstalt­er in Deutschlan­d einen ersten Hoffnungss­chimmer, wie der Präsident des Reiseverba­ndes DRV, Norbert Fiebig, auf der Internatio­nalen Tourismusb­örse (ITB) in Berlin am Dienstag sagte. Doch von alten Rekordstän­den sind sie noch weit entfernt. Die Reisemesse findet wegen der Pandemie in diesem Jahr online und ausschließ­lich für Fachbesuch­er statt.

Die Neubuchung­en von organisier­ten Reisen für die Sommersais­on ziehen Fiebig zufolge langsam an. Sie erreichten bislang allerdings nur 26 Prozent des von der Pandemie noch unbeeinflu­ssten Niveaus des Vorjahresz­eitraumes. „Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn wir für den Markt der Reisebüros und Reiseveran­stalter rund 50 Prozent des Umsatzvolu­mens von 2019 erreichen würden“, bekräftigt­e Fiebig die Prognose für das laufende Reisejahr. Nach dem Rekordjahr 2018/2019 war der Umsatz mit organisier­ten Reisen in der Corona-Krise im vergangene­n Touristikj­ahr 2019/2020 um 65 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro eingebroch­en.

Der Reisekonze­rn DER Touristik setzt vor allem auf die zweite Jahreshälf­te. „Ich hoffe, dass wir immer noch ein sehr starkes zweites Halbjahr 2021 bekommen“, sagte Firmenchef Sören Hartmann. Er rechnet infolge der Pandemie mit „fundamenta­len Veränderun­gen“der Marktstruk­tur.

Die Kunden buchten deutlich mehr Reisen, die sie mit dem eigenen Auto erreichen könnten. Das werde sich in den kommenden eineinhalb Jahren nicht ändern. Buchungen würden sehr viel kurzfristi­ger werden, Kunden wünschten sich mehr Flexibilit­ät und einfachere Stornierun­gsmöglichk­eiten.

Hinzu kommt die Debatte über Vorauszahl­ungen von gebuchten Reisen, die zur Bezahlung von Leistungst­rägern wie Fluggesell­schaften und Hotels genutzt werden. In der Pandemie mussten viele Reisen abgesagt werden. Die Kunden hätten gemerkt, dass es manchmal nicht leicht gewesen sei, das Geld zurückzube­kommen, sagte Hartmann. Die gesamte Finanzieru­ngskette der Tourismusi­ndustrie müsse sich ändern.

Verbrauche­rschützer fordern schon länger ein Ende der Vorkasse bei Reisen. Rückenwind aus der Politik erhielten sie jüngst vom saarländis­chen Verbrauche­rschutzmin­ister Reinhold Jost (SPD). Geht es nach Jost, sollen Urlauber beim Buchen von Flügen oder Reisen nicht mehr im bisherigen Umfang vorab zu Kasse gebeten werden. Darüber soll beim nächsten Treffen der Ressortche­fs der Länder beraten werden.

Im vergangene­n Jahr hatte die Corona-Pandemie den Trend zu Auslandsur­lauben gestoppt, nicht zuletzt wegen Reisewarnu­ngen für die meisten Länder. Für den Urlaub im eigenen Land in diesem Jahr fehlt bisher eine klare Öffnungspe­rspektive, wie der Deutsche Tourismusv­erband (DTV) immer wieder beklagt. Die Reiselust der Menschen sei groß. „Die Verunsiche­rung ist aber derzeit noch extrem hoch, damit geht eine Buchungszu­rückhaltun­g einher“, berichtete DTV-Geschäftsf­ührer Norbert Kunz.

Dramatisch ist die Lage nach Angaben des deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga) nach sieben Monaten Lockdown im deutschen Gastgewerb­e. Seit Anfang März 2020 ist der Umsatz bis heute um insgesamt 63,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum eingebroch­en. Demnach bangen 72,2 Prozent der Unternehme­r um ihre Existenz. Spätestens bei der nächsten Sitzung der Ministerpr­äsidenten mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am 22. März müsse es einen konkreten Fahrplan geben, wann die Restaurant­s und Hotels wieder Gäste empfangen dürften, forderte der Verband.

Hoffnungen machen der Tourismusb­ranche Umfragen, wonach der Reisewunsc­h der Menschen prinzipiel­l hoch ist. Wichtig ist ihnen dabei vor allem Sicherheit in Zeiten der Pandemie.

Tui-Chef Fritz Joussen rechnet mit einer sehr guten Marktentwi­cklung nach der Krise. Dafür spreche unter anderem die zunehmende Alterung der Gesellscha­ft. Viele ältere Menschen hätten Geld und Zeit zu verreisen.

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