Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Betrug und Wucher bei Rohrreinigung: Bewährungsstrafe
Mann aus Nordrhein-Westfalen soll Zwangslage einer Familie aus Wangen ausgenutzt haben
WANGEN (clbi) - Ein Mann aus Mühlheim an der Ruhr sitzt seit zwei Monaten in Untersuchungshaft der Justizvollzugsanstalt Ravensburg. Er soll sich zum einen mit Absicht rechtswidrig Vermögen beschafft haben und zum anderen in einer Zwangslage eine Familie ausgebeutet haben. Jetzt stand er vor Gericht in Wangen – und wurde verurteilt.
Eine Rohrreinigungsfirma aus Oberhausen wirbt im Internet für einen 24-Stunden-Service. Der junge Mann, der heute auf der Anklagebank sitzt, war Teil dieser Firma. Im August 2018 wurde der Angeklagte zu einem Ehepaar nach Wangen gerufen, weil in der Küche der Abfluss nicht mehr funktionierte.
Nachdem der vermeintliche Handwerker knapp 45 Minuten versuchte, das Rohr frei zu bekommen, erklärte er den Eheleuten, dass nur ein Spülwagen das Problem lösen könne. Für den Einsatz des Fahrzeugs, das am nächsten Tag kommen sollte, verlangte er eine Vorauszahlung von 1700 Euro. Den Betrag beglich der Geschädigte mit der ECKarte. Doch weder der Spülwagen noch der Arbeiter ließen sich wieder blicken.
In der Anklageschrift hieß es zudem, dass der Geschädigte das Problem später selber habe lösen können, indem er eine Chemikalie aus dem Supermarkt kaufte, die das Rohr wieder befreit habe. Alle Versuche, die Firma telefonisch zu erreichen, seien fruchtlos gewesen.
Ein weiter Vorwurf bestand darin, dass der Angeklagte eine Familie aus Laupheim in einer Zwangslage ausgebeutet haben soll. In deren Haus seien sämtliche Sanitäranlagen verstopft gewesen. Das Fäkalien enthaltende Abwasser sei bereits im gesamten Keller verteilt gewesen.
Der Angeklagte führte auch hier mit einem unbekannten Mitarbeiter Reinigungsarbeiten durch, die jedoch das Problem nicht beheben konnten. Wie sich später herausstellte, befand sich die Ursache der Verstopfung außerhalb des Grundstücks. Dennoch verlangte der Angeklagte für die Arbeitsstunden und die Verlegung von Rohren eine Summe vorab in Höhe von 4000 Euro, die die geschädigte Familie in ihrer Not auch bezahlte.
Bevor der Angeklagte entschied, ob er sich zu den Vorwürfen äußern wolle, bat sein Rechtsbeistand um ein offenes Rechtsgespräch. Darin gab er zunächst zu bedenken, ob eine gerechte Urteilsfindung überhaupt gegeben sein könne, weil der Familienvater aus Laupheim sich heute als Zeuge krankgemeldet hat.
Der Angeklagte beteuerte, dass er selbst Opfer dieser Firma geworden sei. Man habe ihm vorgegaukelt, er könne hier viel Geld verdienen.
Gleich zu Beginn habe er von den Inhabern der Firma einen Kredit für ein Auto und diverse Maschinen bekommen. Von den Einnahmen habe er nur 30 Prozent behalten dürfen, den Rest musste er an die Firma abführen. „Ich saß in der Schuldenfalle. Und damit haben sie mir immer gedroht“, erklärte der junge Mann im Gericht.
Der Geschädigte aus Wangen bestätigte im Zeugenstand den Sachverhalt. Jedoch sei er die erste halbe Stunde nach Eintreffen des Handwerkers noch nicht anwesend gewesen. Seine Frau habe gleich, als der Handwerker eintraf, eine Auftragsbestätigung unterschreiben müssen. „Erkennen Sie in dem Angeklagten den Mann wieder, der bei Ihnen war“, wollte der Richter wissen.
Dies konnte der Zeuge nicht genau sagen. Für den Anwalt war dies ein Grund, zur Beweisaufnahme noch die Ehefrau als Zeugin zu laden. Dafür sahen Richter und Staatsanwalt jedoch keinen Anlass, da ein Polizist, der geladen war bestätigte, dass das Ehepaar den Angeklagten auf damals gezeigten Fotos wiedererkannt habe.
Schließlich plädierte der Staatsanwalt nach Abschluss der Beweisaufnahme auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. „Sie haben sich reuig gezeigt und eine Bereitschaft zur Umkehr, das rechne ich Ihnen hoch an“, begründete er sein Urteil und räumte eine Bewährungszeit von drei Jahren mit ein. Der Richter hatte keinen Zweifel daran, dass sich die Dinge so zugetragen haben. „Ich bin überzeugt, dass Sie wussten, was Sie da taten“, sagte er in seiner Begründung. Das Urteil lautete daher auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.
Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Darüber hinaus muss der Angeklagte einen Wertersatz von 6100 Euro begleichen und 100 Stunden mit gemeinnütziger Arbeit ableisten.