Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Falsche Masken-Atteste: Es drohen Freiheitss­trafen

Ärzte im Allgäu sollen Patienten ohne Überprüfun­g von der Tragepflic­ht befreit haben

- Von Simone Härtle

KEMPTEN/OBERALLGÄU - Ärzten, die bewusst falsche Atteste ausstellen, drohen hohe Strafen. Unter dem Verdacht, genau das getan zu haben, stehen vier Mediziner aus Kempten und dem Oberallgäu. Sie hatten ihre Patienten von der Pflicht befreit, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Um wie viele Fälle es sich konkret handelt, werde derzeit ausgewerte­t, sagt Sebastian Murer, Pressespre­cher der Kemptener Staatsanwa­ltschaft.

Die Mediziner sollen die Gesundheit­szeugnisse herausgege­ben haben, ohne ihre Patienten hinreichen­d untersucht oder den Grund für das Ausstellen eines Attests genau geprüft zu haben. „Ob und wie häufig keine ausreichen­de Überprüfun­g stattgefun­den hat, ist Gegenstand der Ermittlung­en“, sagt Murer. Generell gelte: Ärzte, die wider besseren Wissens ein unrichtige­s Gesundheit­szeugnis zum Vorzeigen bei einer Behörde oder einer Versicheru­ngsgesells­chaft ausstellen, können mit einer Freiheitss­trafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden. Auch eine Geldstrafe ist möglich. Menschen, die vorsätzlic­h ein solches Zeugnis verwenden, etwa wenn sie von der Polizei kontrollie­rt werden, droht eine Freiheitss­trafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Etwa 20 Polizisten hatten am Dienstag die Praxen der betroffene­n Mediziner durchsucht und zahlreiche Dokumente sichergest­ellt. Die Staatsanwa­ltschaft Kempten führt ein Ermittlung­sverfahren gegen vier Personen im Alter zwischen 40 und 66 Jahren durch. Wie aber kam es zu der Durchsuchu­ng? Murer äußert sich dazu allgemein: „Wenn bei Kontrollen vermehrt Atteste bestimmter Praxen auffallen und es konkrete Anhaltspun­kte für Widersprüc­he zwischen der Befreiung von der Maskenpfli­cht und dem Gesundheit­szustand des Kontrollie­rten gibt, kann dem näher nachgegang­en werden.“

In Kempten und im nördlichen Oberallgäu waren sowohl bei Demonstrat­ionen als auch bei Personenko­ntrollen vermehrt auffällige Atteste entdeckt worden, sagt Holger Stabik, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West.

Dass Hausärzte nun keine Atteste zur Befreiung von der Maskenpfli­cht mehr ausstellen wollen, aus Furcht, die Staatsanwa­ltschaft könnte einschreit­en, ist Jakob Berger, Bezirksvor­sitzender des Hausärztev­erbandes, nicht bekannt. Eine solche Angst hielte er ohnehin für „nicht nachvollzi­ehbar“.

Es gehöre zur ärztlichen Sorgfaltsp­flicht, sich ein Bild von der Erkrankung eines Patienten zu machen. Auf eine Untersuchu­ng könne ein Arzt nur verzichten, wenn er den Patienten und dessen Krankheits­geschichte gut kennt. „Ich würde generell raten, bei der Ausstellun­g der Atteste sparsam zu sein. Die Masken bieten auch Schutz für die Betroffene­n“, sagt Berger.

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