Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Astra-Zeneca bleibt umstritten
Das Vakzin steht unter Verdacht, Thrombosen auszulösen – Sorge macht aber eher eine andere Nebenwirkung
BERLIN - „Sehr, sehr ernst“nehme man die Meldungen über schwere Nebenwirkungen des Corona-Impfstoffs von Astra-Zeneca, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Deshalb habe man die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), die für Impfstoffe zuständige Bundesbehörde, gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Beide Institutionen seien am Freitag zunächst zu dem Schluss gekommen, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung mit Astra-Zeneca und schweren Blutgerinnseln, die zum Teil zum Tod führen, gebe.
„In Übereinstimmung mit der EMA überwiegt aus Sicht des Paul-Ehrlich-Instituts der Nutzen der Impfung die bekannten Risiken“, erklärte die Behörde. Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sagte, es gebe zum jetzigen Zeitpunkt keinen Hinweis, dass diese Geschehnisse statistisch auffällig wären. Die Impfkampagne werde aber „eng begleitet“.
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldete sich beruhigend zu Wort. Eine ursächliche Verbindung zwischen Blutgerinnseln und dem Vakzin sei nicht zu erkennen. Überhaupt sei bislang kein Todesfall
bekannt, den eine Impfung gegen Covid-19 ausgelöst haben könnte. Dennoch sollen die Berichte aus Dänemark nun geprüft werden, wo der Verdachtsfall auftauchte und die Impfungen mit Astra-Zeneca bis auf Weiteres ausgesetzt sind. Spahn bedauerte diesen Schritt.
Die Liste der Länder, die zunächst grundsätzlich auf das Vakzin oder zumindest die Verwendung einer bestimmten Produktcharge verzichten, wird immer länger. Am Freitag gaben auch Rumänien, Bulgarien und Thailand den Verwendungsstopp bekannt. Zuvor zogen neben Dänemark bereits Norwegen, Island, Estland, Litauen, Luxemburg, Lettland und Österreich die Impfbremse. Unter Verdacht steht insbesondere eine bestimmte Charge des Impfstoffs, deren Dosen offenbar in 17 Länder geliefert worden waren – aber nicht nach Deutschland. Laut dänischer Gesundheitsbehörde liegen Berichte über „schwere Fälle der Bildung von Blutgerinnseln“bei Geimpften vor. Ähnliches war etwa auch aus Österreich vermeldet worden. Wird die Blutgerinnung verstärkt, kann das zu Thrombosen führen, die Schlaganfälle und Lungenembolien auslösen.
Laut PEI gab es bis einschließlich Donnerstag „insgesamt elf Meldungen über unterschiedliche thromboembolische Ereignisse bei etwa 1,2 Millionen Impfungen“, vier Personen starben dadurch. In der Zusammenschau der verfügbaren Informationen zu den deutschen und internationalen Meldungen gebe es „derzeit keinen Hinweis, dass die Impfung diese Erkrankungen verursacht hat“. Bislang sind Blutgerinnungsstörungen nicht als Nebenwirkung bei Astra-Zeneca identifiziert worden. Auch in Großbritannien, wo seit Wochen massenhaft Astra-Zeneca eingesetzt wird, ist von einer besonderen Thromboseneigung nichts bekannt. Professor Clemens Wendtner, Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen an der München Klinik Schwabing, verweist darauf, dass es „in Deutschland jährlich 100 000 Todesfälle aufgrund von thromboembolischen Ereignissen gibt, diese stellen derzeit die dritthäufigste Todesursache dar“. Es gebe „keinen stichhaltigen Grund, an der Sicherheit des Impfstoffes zu zweifeln“. Auch Professor Leif-Erik Sander von der Impfstoffforschung der Berliner Charité sieht hier „aktuell keinen Grund zur Sorge“.
Sorgen allerdings macht sich die EMA aus einem anderen Grund. Der Impfstoff von Astra-Zeneca könne schwere allergische Reaktionen auslösen, teilte sie am Freitag mit. Starke allergische sowie Überempfindlichkeitsreaktionen sollten in die Liste der möglichen Nebenwirkungen des Vakzins aufgenommen werden, erklärte die EMA unter Verweis auf mehrere Fälle in Großbritannien. Es gebe Berichte über etwa 41 solcher Fälle (von fünf Millionen Geimpften). Man halte einen Zusammenhang zwischen der allergischen Reaktion und der Impfung mindestens in einigen dieser Fälle für wahrscheinlich.