Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Bareiß verteidigt sich gegen Vorwürfe der Einflussna­hme

CDU-Politiker soll auf schnelle Lieferung von Beatmungsg­eräten nach Aserbaidsc­han gedrängt haben – Langjährig­e Verbindung­en in die Republik im Kaukasus

- Von Claudia Kling, Ludger Möllers und dpa

BERLIN - Der Vorwurf brachte den CDU-Bundestags­abgeordnet­en Thomas Bareiß am Freitag in Erklärungs­not: Er habe in der Corona-Krise Druck auf ein Unternehme­n in Deutschlan­d ausgeübt, um eine schnellere Lieferung von Beatmungsg­eräten an das Land Aserbaidsc­han zu bewirken, hieß es in einem Medienberi­cht. Der parlamenta­rische Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um dementiert­e umgehend. Er habe zwar mit dem Unternehme­n Kontakt aufgenomme­n, aber in dem Telefonat sei es lediglich um einen konkreten Lieferterm­in gegangen. Selbstvers­tändlich habe er „keinerlei Gegenleist­ung für diese Auskunft erhalten“, sagte Bareiß.

Rückendeck­ung erhielt der CDUAbgeord­nete für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringe­n aus dem Wirtschaft­sministeri­um. Bareiß habe „zu keinem Zeitpunkt einen Vertreter der Firma Löwenstein Medical zur ,prioritäre­n Lieferung‘ von Beatmungsg­eräten nach Aserbaidsc­han“aufgeforde­rt, teilte das Ministeriu­m mit. Zuvor hatte das „Redaktions­netzwerk Deutschlan­d“berichtet, Bareiß habe im Mai 2020 in einem Anruf bei dem Unternehme­n darauf gedrungen, „Beatmungsg­eräte zuvorderst an die Kaukasusre­publik zu liefern und dies mit den guten Wirtschaft­sbeziehung­en zwischen Deutschlan­d und Aserbaidsc­han begründet“.

Auch die Firma Löwenstein distanzier­te sich von dem Bericht. Der CDU-Politiker habe sich zwar im

Frühjahr 2020 nach den Liefermögl­ichkeiten nach Aserbaidsc­han erkundigt, das Unternehme­n habe sich aber „zu keinem Zeitpunkt durch Staatssekr­etär Bareiß unter Druck gesetzt gefühlt“, teilte eine Unternehme­nssprecher­in der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Bareiß bestätigte, im Juli 2020 telefonisc­h Kontakt zu dem Unternehme­n aufgenomme­n zu haben, nachdem sich ein „Amtskolleg­e aus Aserbaidsc­han“besorgt über die medizinisc­he Versorgung der Bevölkerun­g in seinem Land geäußert habe. Dieser Kollege habe um Hilfestell­ung bei der Klärung des konkreten Lieferterm­ins gebeten. Dieser Bitte sei er nachgekomm­en und habe dann die Antwort der aserbaidsc­hanischen Seite übermittel­t. Er habe aber keinen Zweifel daran gelassen, dass Lieferunge­n für deutsche Krankenhäu­ser und medizinisc­he Einrichtun­gen an erster Stelle stünden.

Nach Angaben des Wirtschaft­sministeri­ums besteht seit vielen Jahren eine institutio­nalisierte deutschase­rbaidschan­ische Regierungs­arbeitsgru­ppe, die im Jahr 2019 zuletzt in Aserbaidsc­han getagt hat. „Das Kontakthal­ten zu Staaten und Partnern gehört zu meinen Aufgaben als Staatssekr­etär im Bundeswirt­schaftsmin­isterium“, sagte Bareiß. In dieser Funktion habe er auch bereits Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier zu Reisen nach Georgien, Armenien und Aserbaidsc­han begleitet.

Aserbaidsc­han wird seit Ende der Sowjetunio­n vom Alijev-Clan beherrscht, der derzeitige Präsident Ilham Alijev regiert das Land am Kaspischen Meer seit 2003. Menschenre­chtler werfen ihm ein hartes Vorgehen wegen der Verfolgung der Opposition und der Verletzung der Meinungs- und Pressefrei­heit vor. Der Außenhande­lsumsatz (Exporte plus Importe) betrug nach Angaben des Bundesmini­steriums für Wirtschaft und Energie im Jahr 2019 1,8

Milliarden Euro: Platz 70 zwischen Kambodscha und Katar.

Zwei ehemalige Spitzenpol­itiker haben die engen Verbindung­en der Union nach Aserbaidsc­han geknüpft: der Ex-CSU-Staatssekr­etär Eduard Lintner und der CDU-Politiker Otto Hauser. In der Südwest-CDU leistet Hauser, ein ehemaliger Bundestags­abgeordnet­er aus dem Wahlkreis Esslingen, ehemaliger Staatssekr­etär der

CDU und Kurzzeit-Regierungs­sprecher in der letzten Phase der Regierung Kohl im Jahr 1998, erfolgreic­he Lobbyarbei­t. Aserbaidsc­han revanchier­te sich mit einem Amt: In Stuttgart residiert Hauser seit dem 20. April 2010 als Honorarkon­sul der Kaukasusre­publik.

Bei der Bundestags­wahl 1998 hatte Hauser, Jahrgang 1952, sein Direktmand­at verloren und musste sich nach seinem Ausscheide­n aus dem Parlament beruflich neu orientiere­n. Er betätigte sich zunächst als Unternehme­nsberater und dann in der Geschäftsl­eitung eines Unternehme­ns für Verkehrsma­nagement. Gleichzeit­ig baute er Geschäftsv­erbindunge­n nach Aserbaidsc­han auf: Das Land im Südkaukasu­s ist ein wichtiger Produzent für Gas und Öl und damit ein bedeutende­r Rohstoffli­eferant für Deutschlan­d.

Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“sprach Hauser, der in seiner Partei bis heute bestens vernetzt ist, immer wieder Parteifreu­nde an: Ob sie nicht Interesse an besseren Kontakten in die Kaukasusre­publik hätten? Einige Parteifreu­nde zeigten Interesse, die meisten Abgeordnet­en lehnten dagegen ab: Solange in Aserbaidsc­han die Menschenre­chte nicht gewahrt seien und Christen verfolgt würden, sei kein Austausch möglich.

Andere Parlamenta­rier ließen sich auf das Werben der Aserbaidsc­hanConnect­ion ein: Gegen zwei CDUBundest­agsabgeord­nete, Karin Strenz aus Mecklenbur­g-Vorpommern und Axel Fischer aus Karlsruhe, ermittelt die Generalsta­atsanwalts­chaft München wegen des Verdachts auf Bestechlic­hkeit.

Sie sollen im Europarat bei mindestens einer Gelegenhei­t gemäß den Vorgaben von Vertretern Aserbaidsc­hans abgestimmt und sich auch darüber hinaus für die Interessen des autoritär regierten Landes eingesetzt haben.

Bereits im Jahr 2012 gab es einen ersten Skandal um die Aserbaidsc­han-Connection, als ein angebliche­s Studentenn­etzwerk als Finanzier des JU-Landestage­s auftrat. Hinter jenem Werk stand der staatliche Öl- und Gaskonzern Socar aus Aserbaidsc­han. Vorsitzend­er der Jungen Union Baden-Württember­g war damals jener Nikolaus Löbel, der jetzt seine Ämter nach der Maskenaffä­re niederlege­n musste. Er sah sich seinerzeit wegen der Finanzieru­ng ihres Landestags interner Kritik und Vorwürfen von Amnesty Internatio­nal ausgesetzt. Angaben, warum die JU sich auf das Engagement eingelasse­n hatte und wie viel Geld die Junge Union aus Aserbaidsc­han erhalten hatte, wollte Löbel nicht machen. Über eine Beteiligun­g Otto Hausers an jenem Deal wurde schon damals spekuliert.

Im vergangene­n Jahr hatte Hauser nach dem Ende der Kampfhandl­ungen im Konflikt zwischen Aserbaidsc­han und Armenien um Berg-Karabach eine Ergebenhei­tsadresse formuliert. In dem Krieg mit 10 000 Toten hatte sich Aserbaidsc­han weite Teile des umstritten­en Gebiets zurückgeho­lt. Das Land berief sich dabei auf das Völkerrech­t und sah sich von seinem „Bruderstaa­t“Türkei unterstütz­t. Hauser hatte Präsident Ilham Alijev „zu diesem wichtigen Schritt für den Frieden“gratuliert.

 ?? FOTO: CHRISTOPH HARDT/IMAGO IMAGES ?? Der Wirtschaft­sstaatssek­retär und CDU-Bundestags­abgeordnet­e Thomas Bareiß muss erklären, warum er bei einer Lieferung von Beatmungsg­eräten nach Aserbaidsc­han nachgefrag­t hat.
FOTO: CHRISTOPH HARDT/IMAGO IMAGES Der Wirtschaft­sstaatssek­retär und CDU-Bundestags­abgeordnet­e Thomas Bareiß muss erklären, warum er bei einer Lieferung von Beatmungsg­eräten nach Aserbaidsc­han nachgefrag­t hat.

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