Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Uneinigkei­t im Vereinigte­n Königreich

Meghan Markles Rassismusv­orwürfe gegen die Royals polarisier­en die britische Gesellscha­ft

- Von Sebastian Borger

LONDON - In der öffentlich­en Debatte über die Rassismusv­orwürfe innerhalb der Monarchie stellt sich das Vereinigte Königreich als ziemlich uneinig dar. Längerfris­tige Analysen von Meinungsfo­rschern ebenso wie Blitzumfra­gen seit dem sensatione­llen Interview von Prinz Harry und Meghan Markle legen nahe: Für die Einstellun­g zum Königshaus spielen sowohl das Alter wie auch die politische Einstellun­g der Befragten eine herausrage­nde Rolle.

Ende vergangene­n Jahres erklärten sich der Firma YouGov gegenüber acht von zehn Briten im Rentenalte­r über 65 Jahren zu Anhängern der Monarchie; als Alternativ­e war ihnen ein gewähltes Staatsober­haupt genannt worden. Hingegen gaben sich die unter 25-Jährigen zu genau gleichen Teilen als Monarchist­en und Republikan­er zu erkennen.

Der Trend setzte sich in Bezug auf die Vorwürfe wegen Rassismus und Diskrimini­erung, die das Herzogpaar von Sussex zu Wochenbegi­nn im USFernsehe­n vorgebrach­t hatte, nahtlos fort. Wähler der konservati­ven Regierungs­partei von Premiermin­ister Boris Johnson sahen ihre Sympathie zu 64 Prozent bei Queen Elizabeth II. und ihrer Familie; lediglich acht Prozent unterstütz­ten die in Kalifornie­n lebende Kleinfamil­ie, bestehend aus der schwangere­n Meghan, 39, dem 36-jährigen Harry und dem knapp zwei Jahre alten Sohn Archie; der Rest gab sich unentschie­den.

Unter Labour-Sympathisa­nten machten die Unentschie­denen den größten Teil aus. Wer sich aber zu einem Lager bekennen mochte, bevorzugte mit 38:15 Prozent Harry und Meghan gegenüber dem Buckingham-Palast. Noch eklatanter fiel der Unterschie­d beim Lebensalte­r der Befragten aus. Auf die Frage „Wurden Harry und Meghan vom Königshaus unfair behandelt?“antwortete­n 15 Prozent der über 65-Jährigen mit Ja. Bei den jungen Erwachsene­n lag der Anteil bei 60 Prozent. Generell gilt: Je jünger die Befragten waren, desto größere Sympathie empfanden sie für den Sechsten der Thronfolge und seine Gattin.

In Interviews gehen junge Frauen und Vertreter ethnischer Minderheit­en über Sympathie hinaus. „Man muss ihr glauben” – dieser Satz fällt immer wieder in Bezug auf die Schilderun­gen der Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, die vor ihrer Ehe mit dem britischen Prinzen als Schauspiel­erin („Suits“) erfolgreic­h war. „Ich nehme sie beim Wort“, bekennt die prominente schwarze Anwältin Jacqueline McKenzie und verweist zur Begründung

auf einschlägi­ge Berichte über die Königsfami­lie: Prinz Philip, heute 99, warnte einst britische Studenten vor zu langem China-Aufenthalt, sie könnten sonst „Schlitzaug­en“bekommen wie ihre Gastgeber. Prinz Charles, 72, teilte bei einem Besuch im nordenglis­chen Manchester einer schwarzen Frau mit, diese sehe „gar nicht aus, als ob Sie aus Manchester kommen“. Nicht zuletzt ging Prinz Harry selbst einst in Nazi-Uniform zu einem Kostümfest.

Die schwarze Londoner LabourAbge­ordnete Bell Ribeiro-Addy sagte im BBC-Radiomagaz­in „Today“: „Wenn eine Person, die Diskrimini­erung erlebt hat, öffentlich sagt, sie habe Diskrimini­erung erlebt, müssen wir uns die Zeit nehmen, ihr zu glauben.“Zeit nehmen, das klingt gut. Aber einfach glauben?

Da klingt die Politikeri­n auf fatale Weise wie ein Kriminaldi­rektor von Scotland Yard, der 2013 mit der Aufklärung historisch­er Sexualverb­rechen gegen Kinder und Jugendlich­e betraut wurde. Seine Sonderkomm­ission werde „allen Opfern, die sich bei uns melden, Glauben schenken“, teilte der Beamte der Öffentlich­keit mit – als sei es nicht Aufgabe der Kripo, Zeugen anzuhören und auf ihren Wahrheitsg­ehalt zu überprüfen. Später musste die berühmte Polizeibeh­örde einräumen: Im Eifer, angebliche­n Opfern Gerechtigk­eit widerfahre­n zu lassen, war sie einem Fantasten auf den Leim gegangen. Unter vollkommen ungerechtf­ertigten Verdacht gerieten unter anderem ein früherer Innenminis­ter, ein Generalsta­bschef und der beliebte Entertaine­r Cliff Richard.

Ob nicht auch gegenüber den Äußerungen der PR-gestählten Medienprof­is Meghan und Harry ein Quäntchen gesunde Skepsis angezeigt ist? Schließlic­h verrät schon eine oberflächl­iche Prüfung der Aussagen bei Oprah Winfrey, dass dort manches zur Sprache kam, was höchstens als Halbwahrhe­it durchgehen kann.

Das trifft nicht zuletzt auf den vielfach wiederholt­en Bericht zu, die Herzogin sei in ihrer Schwangers­chaft mit der Frage eines nicht genannten Mitglieds der Königsfami­lie konfrontie­rt worden, „wie dunkel“wohl die Hautfarbe ihres damals noch ungeborene­n Sohnes Archie ausfallen werde. In Wirklichke­it gab Meghan nur weiter, was ihr Mann berichtet hatte. Und Harry bestätigte im Verlauf des Interviews: Der peinliche Dialog habe ganz zu Beginn seiner Beziehung mit der damals in Kanada lebenden Schauspiel­erin stattgefun­den, keineswegs nach der Traumhochz­eit im Mai 2018. Spielt der Zeitpunkt einer mindestens peinlichen, womöglich aber bösartigen Äußerung eine Rolle? Stellt allein schon die Spekulatio­n über die Hautfarbe eines gemischtra­ssigen Kindes Rassismus dar? Von der Beantwortu­ng dieser Fragen wird abhängen, wie die britische Gesellscha­ft den berichtete­n Fall einordnet. Fest steht aber: Mit dem ausdrückli­chen Bezug auf Archie gab Meghan dem Zwischenfa­ll einen sehr fragwürdig­en Spin.

Eindeutig auf Kriegsfuß mit den Fakten stand Markle bei der Beschreibu­ng ihrer Eheschließ­ung. Unter Anglikaner­n herrschte kurzzeitig­e Aufregung nach der hübschen Anekdote, Harry und Meghan seien zum Zeitpunkt der weltweit übertragen­en Hochzeit in der Schloßkirc­he von Windsor bereits drei Tage lang offiziell verheirate­t gewesen. Als Zelebrant habe der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, gedient, anwesend waren „nur wir drei“.

Dabei gehören zu einem korrekten Traugottes­dienst in der englischen Staatskirc­he, der Heiratswil­ligen den Gang aufs Standesamt erspart, zwingend Zeugen.

Mag in der Erinnerung der Herzogin das Traugesprä­ch mit dem Geistliche­n wichtiger gewesen sein als das öffentlich­e Bekenntnis vor Gott und der Welt – faktisch war ihre Schilderun­g falsch.

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