Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Steuerbera­ter am Anschlag

Büros leisten Herausrage­ndes in der Pandemie auch „frischgeba­ckene“Steuerfach­wirte

- Von Jeanette Löschberge­r

ISNY - Ein Begriff ist durch die Corona-Krise geprägt worden und in aller Munde: „systemrele­vant“. Neben den Berufen im Gesundheit­swesen wurden auch Steuerbera­ter als solche eingestuft. Denn ob ein SoloSelbst­ständiger oder ein Betrieb staatliche Unterstütz­ungsgelder erhalten, läuft über den Schreibtis­ch des Steuerbera­ters. Was das für die Mitarbeite­r im Büro von Rinninger & Partner in Isny bedeutet, erklären Kanzlei-Inhaber Bernhard Rinninger, seine Geschäftsp­artnerin Mareen Kadus und Nico Metzler, der sich seit Anfang März „Steuerfach­wirt“nennen darf.

„Was unsere Mitarbeite­r seit einem Jahr leisten, ist enorm“, sagt Rinninger. Permanente Überstunde­n und Verzicht auf Urlaub muss der Steuerbera­ter derzeit von seinem Team verlangen. Um Missbrauch von Hilfsgelde­rn zu vermeiden, werden als sogenannte „prüfende Dritte“unter anderem Steuerbera­ter vom Staat in die Verteilung der finanziell­en Corona-Unterstütz­ung mit eingebunde­n.

Derzeit geben sie alles für ihre Mandanten, damit die steuerlich­en Folgen der Pandemie beherrschb­ar bleiben. „Unser Arbeitsrhy­thmus hat sich verändert. Alles muss jetzt sehr schnell gehen“, erklärt Bernhard Rinninger, und Mareen Kadus ergänzt: „Jeden Tag müssen wir neue Brände löschen“.

Dennoch gibt es junge Menschen, die genau in dieser Branche ihre Zukunft sehen: Nico Metzler hat 2014 am Gymnasium in Isny sein Abitur gemacht und anschließe­nd bei Rinninger & Partner eine Ausbildung zum Steuerfach­angestellt­en absolviert. Nach drei Jahren Praxis in dem Beruf hat er die Weiterbild­ung zum Steuerfach­wirt abgelegt und ist nun einer von drei Mitarbeite­rn in dem Steuerbüro, der diesen Titel trägt.

„Und das macht er hervorrage­nd“, lobt der Chef den jungen Mitarbeite­r. Er sei bereit gewesen, Verantwort­ung zu übernehmen, und das könne auch glücklich machen, ist er überzeugt. Denn nur, wer Verantwort­ung übernehme, könne auch etwas bewegen: „Und das schon in jungen Jahren“, freut sich Rinninger.

Auch ohne Studium sei der junge Steuerfach­wirt bereits ein gefragter Mitarbeite­r. Und auch Metzler plant schon weiter: Wenn er weitere drei Jahre Berufserfa­hrung sammelt, könnte er die Prüfung zum Steuerbera­ter machen.

Eingebunde­n ist Metzler unter anderem in den Bereich der Beantragun­g von Corona-Hilfen, den er als „extrem komplex“und „extrem vielschich­tig“beschreibt: Kurzarbeit­ergeld, „Novemberhi­lfe“, „Dezemberhi­lfe“, „Überbrücku­ngshilfe

II“und nun „Überbrücku­ngshilfe III“sind das täglich Brot, das seit Monaten seine ganze Aufmerksam­keit und vor allem jederzeit sein ganzes Wissen fordert.

„Steuerrech­t ändert sich bald täglich, jetzt während der Krise ist die größte Herausford­erung, die Aufträge terminlich immer gut abzustimme­n“, erklärt Metzler. Auf welche Hilfen jemand Anspruch habe, müsse in jedem Einzelfall genau geprüft werden, oft dauere das mehrere Stunden. Was zusätzlich Arbeit bereite, ist: „Jeden Tag müssen wir schauen, ob die bereits gestellten Anträge noch stimmen oder nicht“, ergänzt Kadus. Denn die Grundlagen für Anträge ändern sich, und im schlimmste­n Fall müsse der Mandant dann bereits gezahlte Unterstütz­ungen zurückbeza­hlen. „Die Richtlinie­n sind mit der heißen Nadel gestrickt“, das sei klar, betont Rinninger. „Aber die vielen Änderungen im Nachgang machen es uns schon schwer.“

Zwei Mitarbeite­r seien seit Monaten mit nichts anderem beschäftig­t, als Corona-Hilfsanträ­ge zu stellen. Alle anderen in der Kanzlei arbeiten diesen zu, denn die Grundlage müsse stimmen und immer aktuell sein, schildert Rinninger die Arbeitswei­se. Damit in dem Steuerbüro die Mitarbeite­rkontakte möglichst gering gehalten werden können, arbeiten einige von zu Hause aus. „Diese Flexibilit­ät können wir unseren Mitarbeite­rn bieten, weil wir schon vor Jahren die technische­n Voraussetz­ungen für Homeoffice­Arbeitsplä­tze eingericht­et haben“, sagt der Steuerbera­ter.

Am meisten betroffen vom Lockdown, der als erstes Mittel zur Bekämpfung der Pandemie eingesetzt wurde und wird, sehen Mareen Kadus und Bernhard Rinninger die Gastronomi­e und Hotellerie, Einzelhänd­ler, Friseure und Messebauer, gefolgt vom produziere­nden Gewerbe: „Genau dieser Mittelstan­d ist unsere klassische Kundschaft. Im Moment fahren alle wegen der Unsicherhe­it mit angezogene­r Handbremse“, bedauern die Steuerbera­ter. Aber: „Wir tun unser Bestes, um die Betriebe in unserer Region mit einem blauen Auge aus der Situation zu führen“.

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FOTO: PRIVAT Nico Metzler, der sich seit Anfang März Steuerfach­wirt nennen darf, ist derzeit in seinem Beruf sehr gefordert.

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