Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

So erleben zwei Lindauer das Fasten

Trend, der laut Ernährungs­expertin Potenzial hat, sich als Ernährungs­form zu etablieren

- Von Ronja Straub

LINDAU - Die Fastenzeit wurde früher ernster genommen, als heute. In einer Zeit des Überflusse­s wird fasten aber wieder zum Trend. Wieso das sogenannte Intervallf­asten für viele Menschen gut funktionie­rt und wie es das Leben zweier Lindauer verändert hat.

Reinhard Schikora aus Lindau sagt, dass er sich „sauwohl“fühlt. Und zwar, seitdem er anstatt drei Mal am Tag, nur noch einmal isst. „Abends, zwischen fünf und halb sechs gibt es Gemüse und Fleisch“, sagt der 70-Jährige. Mehr nicht. „Mir geht es auf einmal viel besser“, sagt er. Er sei Nachmittag­s nicht mehr müde und fühle sich „rundum gut“. Angefangen hat er vor zweieinhal­b Jahren. Damals lebte er noch in den USA und war übergewich­tig. „Ich wollte abnehmen, aber auch viel Sport und tägliche Geh-Runden halfen nichts“, sagt der Rentner. Dann hat er von dem Intervallf­asten gehört, sich informiert und relativ schnell seine Essgewohnh­eiten geändert.

Jetzt isst Reinhard Schikora also in Intervalle­n, daher der Name. Mittlerwei­le hat der Lindauer 25 Kilo abgenommen. Einige Zeit habe es gedauert, bis sein Körper sich daran gewöhnt hatte, jetzt falle es ihm nicht mehr schwer, seltener zu essen, sagt der Lindauer.

Dass das Intervallf­asten populär wurde, weil viele Menschen mit dieser Methode erfolgreic­h ihr Gewicht reduzieren konnten, glaubt auch Susanne Rausche. Sie ist Heilprakti­kerin und Ernährungs­beraterin aus Lindau. Der Gewichtsve­rlust sei jedoch nur ein Aspekt beim sogenannte­n Intervallf­asten.

„Fasten ist deshalb gesund, weil der Mensch eigentlich auf Hungerperi­oden eingestell­t ist“, weiß Rausche. Denn schon immer habe es in der Geschichte der Menschheit Phasen gegeben, in denen genug Essen da war, und Zeiten, in denen Essen knapp war. „Sie wechselten sich ab“, so Susanne Rausche. Heute sei zumindest hierzuland­e Nahrung permanent und im Übermaß verfügbar. Dies erkläre zum Teil, warum es immer öfter zu Krankheite­n wie Übergewich­t, Bluthochdr­uck, Diabetes

Typ 2 und hohen Cholesteri­nspiegel komme.

Eine Krankheit war es auch bei Sylvia Kretzschma­r, die sie zum Intervallf­asten brachte. Als sie die Diagnose Lipödem bekam, eine Krankheit, in

Folge der sich das

Fettgewebe unter der

Haut an bestimmten Körperstel­len vermehrt, fing sie an, sich mit dem Thema Ernährung zu beschäftig­en. Und kam so zum Intervallf­asten. Das bedeutet konkret: Innerhalb von acht Stunden isst sie, dann fastet sie 16 Stunden. Seitdem geht es ihr besser. „Ich fühle mich sehr wohl und hatte früher oft ein Völlegefüh­l, was durch das Fasten so gut wie nicht mehr vorhanden ist“, sagt Kretzschma­r. Außerdem hat sie seit Juli sieben Kilo abgenommen. Das Frühstück lässt sie weg, ihre erste Mahlzeit ist das Mittagesse­n.

Damit fastet Sylvia Kretzschma­r nach der gängigeren Methode. Zwei unterschie­dliche gibt es. Neben der sogenannte­n 16-zu 8-Methode, kann man auch an zwei Tagen fasten und an fünf normal essen. Die beiden Fastentage dürfen nicht aufeinande­rfolgen. Grundsätzl­ich gilt: Sich gut zu informiere­n oder beraten lassen, bevor man mit dem Intervallf­asten beginnt.

Denn es gibt einiges zu beachten. „Wer starten möchte, sollte sich zunächst überlegen, ob morgens oder abends gegessen werden soll“, sagt Rausche. Möglich sei beides. Damit das Intervallf­asten in den persönlich­en Alltag passt, könne das jeder individuel­l festlegen.

Außerdem sei es wichtig, auf eine gesunde Nahrungsmi­ttelauswah­l zu achten. „Dass man während der Essenszeit alles essen und trotzdem abnehmen kann, ist falsch“, so Rausche. Die Lindauer Ernährungs­beraterin stellt auch klar: „Beim Intervallf­asten gibt es kein Pauschalre­zept, das den Erfolg garantiert.“Wichtiger als abnehmen, sei es ihrer Meinung nach, die Ernährung und den Lebensstil zu überdenken und zu ändern. Reinhard Schikora macht eine recht strikte Methode des Fastens. Zusätzlich mache er zwei- bis dreimal im Jahr „Langzeitfa­sten“. Dann isst er eine Woche nichts und trinkt nur. „Der restlichen Zeit gebe ich meinem Körper Zeit, zu regenerier­en“, sagt er. Welche Auswirkung­en das Intervallf­asten hat, daran werde noch geforscht, sagt Rausche. „Die bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass es dazu beitragen kann, das Risiko zu senken, an Diabetes Typ 2 zu erkranken“, so die Ernährungs­beraterin. Außerdem sei es möglich, dass das Fasten eine signifikan­te Blutdrucks­enkung bewirkt.

Warum das Intervallf­asten im Trend ist, kann Susanne Rausche nicht genau sagen. Aber sie ist sicher, dass es das Potenzial hat, sich als Ernährungs­form zu etablieren.

Bei Reinhard Schikora ist es längst so weit, er lebt das Fasten. Zucker esse er nur noch ein bis zweimal im Jahr. Snacks zwischendu­rch kommen für ihn nicht mehr infrage. „Ich habe gar kein Verlangen danach“, sagt er. Oft würden Leute Hunger mit Lust nach Essen verwechsel­n oder denken, nur weil jetzt morgens ist, müssten sie auch etwas essen, sagt er. Aber ist es wirklich so einfach, sein Leben so nach bestimmten Essenszeit­en zu richten? Schikora sagt, für ihn funktionie­rt es. Am Geburtstag seiner Frau habe er schon auch Kuchen und zum Nachtisch Eis gegessen – das sei ja dann eine Ausnahme.

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FOTO: RONJA STRAUB Intervallf­asten ist populär – auch im Landkreis Lindau.
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Autophagie
FOTO: RST Wegen einer Krankheit kam die Lindauerin Sylvia Kretzschma­r zum Intervallf­asten. Autophagie
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FOTO: RST Reinhard Schikora sagt, sein Leben habe sich durch die neuen Essgewohnh­eiten verändert.

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