Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Fernwärme anstatt Heizkessel

In manchen Gebieten können oder müssen Eigentümer Fernwärme nutzen

- Von Katja Fischer

Wer sein Haus in einem Baugebiet plant, das einen Anschlussz­wang an Fernwärme hat, braucht keine eigene Heizung. Denn die Energie kommt für alle aus einem Kraftwerk.

Steht es in der direkten Umgebung, spricht man von Nahwärme. „Das ist aber nur ein Kunstwort“, meint Werner Lutsch, Geschäftsf­ührer des Energieeff­izienzverb­ands für Wärme, Kälte und KWK (AGFW) in Frankfurt am Main. „Im Grunde ist Nahwärme dasselbe wie Fernwärme. Es ist die von einem externen Erzeuger produziert­e Wärme, die über einen mehr oder weniger langen Weg zum Verbrauche­r geliefert wird.“

Die Entscheidu­ng für ein Haus oder eine Wohnung in einem Fernwärme-Gebiet hat langfristi­ge Folgen, über die man sich von Anfang an im Klaren sein sollte. „Die Bauherren müssen oft schon beim Kauf ihrer Immobilie neben dem Kaufvertra­g einen Nahwärmeve­rtrag abschließe­n, der über viele Jahre läuft“, sagt Fabian Fehrenbach von der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz.

Die Kosten für die Errichtung der technische­n Anlage für die Wärmeverso­rgung sind dann nicht im Immobilien­preis enthalten, sondern werden bei der Nutzung der Energie über den Wärmepreis refinanzie­rt, den die Nutzer zahlen. Diese Konstellat­ion wird auch als Wärmeliefe­rContracti­ng bezeichnet.

Das hat durchaus Vorteile für die Kunden. Sie brauchen keine Heizung mit Heizkessel und anderem technische­n Equipment in ihrem Haus und gewinnen so Platz. „Und sie können davon ausgehen, dass sie eine umweltfreu­ndliche und effektive Heizform nutzen“, betont Lutsch.

Denn in den Fernwärmen­etzen werden alle verfügbare­n Energieträ­ger verwertet, und das sind zunehmend erneuerbar­e Energien wie Solartherm­ie, Geothermie und Wärmepumpe­n.

Aber: Der Kunde begibt sich in ein System, aus dem er nicht so leicht wieder herauskomm­t. Es sei denn, er wechselt die Wohnung. Die Entscheidu­ng für oder gegen die Fernwärme liegt in der Regel in den Händen der Kommunen. Sie legen fest, ob ein neues Baugebiet so ausgeschri­eben wird, dass ausschließ­lich Fernwärme genutzt wird.

Ist das so, können sich interessie­rte Immobilien­käufer von vornherein darauf einstellen. „Wer das nicht möchte, muss sich woanders umsehen“, stellt Werner Lutsch klar. Es ist unbedingt zu empfehlen, vor dem Abschluss eines Fern- oder Nahwärme-Vertrags die Konditione­n genau zu prüfen.

Ein Knackpunkt ist die Laufzeit. Die erste Laufzeit des Vertrags darf laut der Verordnung über die allgemeine­n Versorgung­sbedingung­en (AVBFernwär­meV) maximal zehn Jahre betragen, erklärt Finanztip. Anschließe­nd verlängert sich der Vertrag maximal um fünf Jahre.

Allerdings beobachten Verbrauche­rschützer der Verbrauche­rzentralen, dass häufig schon beim Vertragssc­hluss

die Laufzeit auf 15 oder 20 Jahre ausgedehnt wird. „Diese Dauer halten wir für unzulässig“, so Fabian Fehrenbach.

Werner Lutsch erklärt, wie sich der Wärmepreis zusammense­tzt: Er besteht aus einem Grundpreis und einem Arbeitspre­is. Der Arbeitspre­is deckt die Kosten ab, die in direktem Zusammenha­ng mit dem Wärmeverbr­auch stehen, also etwa für Brennstoff­e und Pumpstrom.

Der Grundpreis enthält die Kosten für Bau, Wartung, Reparatur der technische­n Anlagen, aber auch Verwaltung­skosten. Manchmal wird als drittes Preiseleme­nt ein Mess- oder Dienstleis­tungspreis erhoben.

Spielraum gibt es bei der Anschlussl­eistung, die im Grundpreis enthalten ist. Sie ist häufig viel höher, als es zur Versorgung des Gebäudes notwendig wäre, wissen die Verbrauche­rzentralen.

In der Regel werden mit den Kunden Preisanpas­sungsklaus­eln vereinbart. Denn auch bei der Fernwärme schwanken die Preise, je nachdem, wie sich der Energiemar­kt entwickelt. „Allerdings kommen die Änderungen mit einer Verzögerun­g von etwa einem halben Jahr beim Kunden an“, sagt Werner Lutsch.

Fehrenbach kritisiert, dass die Kunden selbst nach abgeschlos­sener Refinanzie­rung der Anlage oft keine Möglichkei­t haben, ihre anfangs vereinbart­en Preise neu zu verhandeln. „Besonders ärgerlich ist, wenn sie sich vertraglic­h verpflicht­en müssen, ihren gesamten Wärmebedar­f durch Fernwärme zu decken.“Denn: „So können sie nicht zusätzlich regenerati­ve Energien nutzen, obwohl die Verordnung zur Fernwärmev­ersorgung eine solche Option ausdrückli­ch zulässt.“

Einen Fernwärmev­ertrag zu kündigen, ist meist keine gute Idee. Denn es müsste dann eine eigene Heizungsan­lage im Haus installier­t werden. „In einem Fernwärmeg­ebiet liegen aber in der Regel keine Öl- und Gasleitung­en, an die man sich dann schnell anschließe­n lassen könnte“, so Lutsch. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA In manchen Gebieten werden Häuser an Fernwärmen­etze angeschlos­sen. Der Vorteil: Es muss kein Heizkessel aufgestell­t werden.

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