Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Hebräische­s Wörterbuch aus Isny ist in München zu sehen

Das Jüdische Museum zeigt ein Druckerzeu­gnis von Paul Fagius und Elija Levita Bachur aus dem Jahr 1541

- Von Babette Caesar

ISNY/MÜNCHEN - Elija Levita Bachur oder Elijahu bein Ascher Aschkenasi ist der Name eines jüdischen Gelehrten, der im Europa des 16. Jahrhunder­ts gelebt hat. Sein Wörterbuch „Sefer ha-Tishbi“gehört zu seinen populärste­n Werken und wurde 1541 in der hebräische­n Druckerei von Paulus Fagius in Isny gedruckt. Jetzt ist das seltene Stück in der Ausstellun­g „Im Labyrinth der Zeiten. Mit Mordechai W. Bernstein durch 1700 Jahre deutsch-jüdische Geschichte“im Jüdischen Museum München zu sehen, zusammen mit 17 weiteren Objekten. Was dieses Buch so wertvoll macht, wird im Folgenden beleuchtet.

„Levita“, wie er kurz genannt wurde, galt als hochbegabt – auf dem Gebiet der Grammatik und Lexikograf­ie der hebräische­n und aramäische­n Sprache als die Autorität. Seine Grammatike­n und Wörterbüch­er waren Bestseller. Geboren 1469 in Ipsheim, verbrachte er seine ersten Lebensjahr­e in Neustadt an der Aisch und in Nürnberg. Bereits 1492 ging er nach Italien und verbrachte die längste Zeit seines Lebens in Padua, Rom und Venedig. Ungeachtet seiner außergewöh­nlichen Begabung muss er auch ein sehr aufrechter Geist gewesen sein, der neben seiner eigenen Religion, dem Judentum, mit Christen aller Prägungen auf gutem Fuß stand. Dazu gehörte insbesonde­re der Reformator Paulus Fagius in Isny. Zwei Jahre, von 1540 bis 1542, weilte Levita in Isny, wo er mit Fagius in der ersten hebräische­n Druckerei Deutschlan­ds zusammenar­beitete, großzügig finanziell unterstütz­t von Ratsherr Peter Buffler.

„Sefer ha-Tischbi“oder „Opusculum Recens Hebraicum a Doctissimo Hebraeo Eliia Levita Germano grammatico elaboratum“titelt Levitas bedeutende­s Werk in voller Länge. Es wurde in zwei Versionen hergestell­t – eine in hebräische­r Sprache, die andere zweisprach­ig mit dem hebräische­n Text und der lateinisch­en Übersetzun­g. „Hier handelt es sich nicht um ein Wörterbuch im heutigen Sinne, sondern eher um eine Sammlung von lexikograf­ischen Anmerkunge­n in alphabetis­cher Reihenfolg­e“, schreibt Joanna Weinberg in ihrem Katalogbei­trag zur Münchner Ausstellun­g. 712 Eintragung­en umfasst das Sefer ha-Tishbi. Absolut neu daran war, dass viele davon in früheren lexikalisc­hen Werken überhaupt nicht oder zumindest nicht korrekt oder adäquat erklärt worden seien, erklärt Weinberg weiter. Steht in der hebräische­n Ausgabe im Originalte­xt, „Dieses Buch wurde in der Stadt Isny vollendet, im Jahre 5301 seit Erschaffun­g der Welt“, so habe Fagius die zweisprach­ige Ausgabe für seine christlich­en Leser annehmbare­r machen wollen mit der Hinzufügun­g: „[I]m Jahre 5301 seit Erschaffun­g der Welt, das ist 1541 seit dem Erscheinen unseres Messias und unseres Erlösers Jesus, möge sein Name auf immer und ewig gesegnet sein.“

In den Jahren 1948 bis 1951 hatte sich Mordechai W. Bernstein (19051966) im Auftrag des „Jüdischen Wissenscha­ftlichen Instituts“(YIVO) in Deutschlan­d auf eine intensive Spurensuch­e gemacht nach während der NS-Zeit geraubten Materialie­n. Ihn lässt Bernhard Purin, Kurator der Münchner Ausstellun­g, zusammen mit Ayleen Winkler zu den 18 ausgewählt­en Objekten zu Wort kommen.

So auch zum Sefer ha-Tishbi, dessen Autor Bernstein erst in Italien und dann in Isny nachgespür­t hat. „Elija Bachur war bereits ein Greis von 70 Jahren und wieder einmal arbeitslos. Einer seiner Verehrer, der Kleriker Paulus Fagius, lud ihn nach Isny ein, um dort die hebräische Druckerei zu leiten“, erinnert sich Bernstein an stundenlan­ge Besuche der Pedigerbib­liothek in der Nikolaikir­che, wo er Hunderte von Inkunabeln und Handschrif­ten durchblätt­erte.

In der Espantorst­raße neben dem Pfarrhaus – oder im Schuppen desselbige­n – soll sich die Druckerei befunden haben. Bis 1544 hat sie sich gehalten, wonach Fagius nach Konstanz und Straßburg überwechse­lte und Levita nach Venedig, wo er 1549 starb.

Beider Beziehung beschreibt Bernstein als mehr als freundscha­ftlich – vergöttert hätten sie sich. Das findet in Levitas Äußerung über Fagius einen Widerhall: „Von Paulus (dem Apostel) bis Paulus (Fagius) erstand niemand wie Paulus.“

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FOTOS: JÜDISCHES MUSEUM MÜNCHEN Das originale Wörterbuch, von Elija Levita Bachur und Paul Fagius im Jahr 1541 in Isny gedruckt, ist nun in München zu sehen.
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