Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bäume für Ghazzé, ein Fahrzeug für Mohamara
In einer Online-Sitzung tauschen sich Westallgäuer Gemeinden über den Stand ihrer Projekte im Libanon aus
WESTALLGÄU - Einzelne Projekte sind umgesetzt, eines startet bald, andere dümpeln vor sich hin – und manche Idee lässt sich nur in angepasster Form realisieren: So sieht die gemischte Bilanz der Westallgäuer Gemeinden aus, die sich seit fast vier Jahren im Libanon engagieren.
In einer Online-Runde ist der Interkommunale Libanonausschuss Allgäu jetzt erstmals in diesem Jahr zusammengekommen, auf Einladung von Oliver-Kersten Raab, Bürgermeister der Gemeinde Hergatz, der turnusgemäß im Januar den Vorsitz des Ausschusses übernahm.
Die Westallgäuer, die 2017 angetreten waren, um im Rahmen des vom Bund finanzierten Programms „Kommunales Know-how für Nahost“mit libanesischen Partnerkommunen Projekte anzustoßen, brauchen einen langen Atem. Und sie müssen flexibel sein. In Al Mohamara etwa, der Partnergemeinde Opfenbachs, geht es nicht mehr um den ursprünglich geplanten Bau einer Schule, sondern um ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Laut Christian Renn, der für mehrere Westallgäuer Kommunen die Entwicklungszusammenarbeit koordiniert, wurde auch eine Stelle für eine libanesische Fachkraft beantragt. Sie soll helfen, dieses MVZ ebenso mit anzuschieben wie eine entsprechende Einrichtung im Bergdorf Bwarej, Partnergemeinde von Hergatz. Für beide Gemeinden hat Renn auch
Geld aus dem Corona-Solidarpaket beantragt.
Dieses Förderpaket hat das Entwicklungsministerium aufgelegt, „um die Solidarität in den kommunalen Partnerschaften zu festigen und pandemiebedingte Notsituationen abzumildern“– so steht es auf der Seite der Organisation „Engagement Global“, die die Initiativen für das Entwicklungsministerium begleitet. Mit Geld aus diesem Topf wurde für die Gemeinde Rash’in bereits ein Fahrzeug gekauft, das infizierte Personen zu Krankenstationen transportiert. Bis der Wagen auf der Strecke war, dauerte es allerdings. „Wir haben fünf Monate gebraucht, um es anzumelden“, schildert Renn die komplizierten Abläufe im krisengebeutelten Libanon. In den nächsten Tagen erhält der Wagen der Marke Dacia Logos der deutschen Partnergemeinden Kißlegg und Amtzell.
Für Rash’in hatten die beiden württembergischen Gemeinden ein anderes Projekt mit viel Aufwand vorbereitet – und können es jetzt nicht wie geplant realisieren: Eine Biogasanlage war fertig geplant, doch dann verzögerte erst die Regierungskrise die Genehmigungsverfahren, dann stand plötzlich eine Forderung von Einfuhrzoll für die gespendete Anlage im Raum. „Es ist fast unmöglich, die Technik aus Deutschland in den Libanon zu bringen“, erklärte Christian Renn. Darum denke man nun über ein „Downsizing“nach, sprich: eine Art Wertstoffhof, wo Müll getrennt,
Kompost gewonnen und verwertet wird. Unabhängig vom Förderprogramm leisteten engagierte Amtzeller außerdem schon wiederholt humanitäre Hilfe für Notleidende in Rash’in.
Heimenkirch ist nach wie vor dran am Bürgerpark für Ghazzé, eine Gemeinde in der Bekaa-Ebene, die für Einheimische und Geflüchtete einen Erholungs- und Begegnungsraum schaffen will. Zuletzt haben Fotos von Baumpflanzungen Heimenkirch erreicht. Landschaftsarchitektin Maria Lindl begleitet das Projekt fachlich. Die Antragstellung sei sehr mühsam, bestätigte sie die Erfahrung anderer Ausschussmitglieder. Lange Fragekataloge von Engagement Global kosteten Zeit und Nerven. Heike Kirchmann sprach von „ermüdenden Schleifen“. Für ein Jugendaustausch-Projekt mit der Jugendbildungsstätte Babenhausen
ist kürzlich der Förderbescheid über 250 000 Euro im Rathaus Heimenkirch eingegangen. Ein deutsch-libanesisches Team um Georg Lindl organisiert das Programm, das jungen Leuten aus beiden Ländern gemeinsam in mehreren Workshops – digital sowie bei Treffen in Deutschland und im Libanon – eine Ausbildung zu Jugendleitern ermöglicht (wir berichteten) . Um Fördergeld aus dem Corona-Solidarpaket für Ghazzé bemüht sich Isabel Weber, Praktikantin in der Gemeindeverwaltung Heimenkirch. Die Partnerschaft zwischen Gestratz und Bar Elias ist versandet. „Trotz vieler Bemühungen sind wir nicht vorangekommen“, berichtete Johannes Buhmann. „Es gibt kein kommunales Projekt mehr.“Die Unterstützung der von Gestratz mitgegründeten Zeltschule Allgäu in einem Flüchtlingscamp läuft weiter.