Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Corona trifft die Ärmsten am härtesten
Wofür die private Hilfsorganisation „Ccara e.V.“die Spenden der SZ-Leser verwendet hat
NEUTRAUCHBURG - Über das bisherige Rekordergebnis von 4900 Euro, das nach der Weihnachtsspendenaktion „Helfen bringt Freude“der „Schwäbischen Zeitung“jeweils an lokale Initiativen und Projekte ausgezahlt werden konnte, freuen sich auch Heike und Roman Maurus. Das Ehepaar aus Neutrauchburg engagiert sich mit seinem privaten Hilfsverein „Ccara“seit Jahren in Indien für Leprakranke, Kinder in Slums und arme Familien.
„Wir haben die Spende aufgeteilt in drei verschiedene Bereiche, die uns im Moment besonders am Herzen liegen“, berichtet Projektkoordinatorin Heike Maurus zur Verwendung der Gelder, die SZ-Leser in bislang unerreichter Höhe gespendet hatten.
Nachdem die Auszahlung Anfang Februar erfolgt war, „haben wir 1000 Euro gleich für Corona-Hilfspakete verwendet, um den durch den Lockdown in Not geratenen TagelöhnerFamilien in Tamil Nadu zu helfen“. Sie leben im südindischen Bundesstaat im Umfeld der Ccara-Kinderheime und Kinderbetreuungseinrichtungen, die als Verteilzentren fungieren.
„Wöchentlich fahren die Teams unserer Partnerorganisation in Dörfer und Slums, oftmals begleitet von einer Ärztin, und verteilen Lebensmittelpakete, die neben Mehl, Reis, Linsen, Öl, Gewürzen, Zucker und Kartoffeln auch Waschpulver und Hygieneartikel enthalten“, schildert Maurus. Je nachdem, wie voll die Pakete sind, habe der Betrag von 1000 Euro für 60 bis 80 Familien gereicht, „um sie einige Wochen zu entlasten, damit sie ihre Kinder versorgen können“.
Hilfe in der Corona-Pandemie sei für Ccara derzeit das alles beherrschende Thema: „Durch die wirtschaftlichen Folgen steigen die Preise,
nicht aber die Löhne. Die Arbeitslosigkeit hat zugenommen, in vielen Branchen ist Arbeit in Gruppen noch verboten“, weiß Heike Maurus aus Schilderungen von vor Ort. Ihre seit Jahren regelmäßige Reise zu den Hilfsprojekten auf dem Subkontinent musste sie zu Jahresbeginn absagen. Als nur ein Beispiel, wie die soziale und wirtschaftliche Schere immer weiter auseinanderklafft, nennt sie den Preis für einen Liter Diesel: „Der liegt jetzt bei 100 Rupien, was etwa 1,20 Euro entspricht – und ein Tagelöhner verdient 300 Rupien am Tag...“
Die Folgen, dass die Armen aktuell noch ärmer werden, seien vielfältig: „Steigende Prostitution, Kinderarbeit und Selbstmordraten.“Ein großes Problem ist laut Maurus auch die Schuldknechtschaft, eine moderne Form der Sklaverei: „Arme Familien leihen sich Geld von einem Großgrundbesitzer und müssen dann oft über Generationen in Ziegeleien oder Steinbrüchen schuften“, um das Darlehen abzuarbeiten. Seit Beginn des Lockdowns vor einem Jahr habe der Hilfsverein über 3200 zusätzlichen Familien helfen können.
Weitere 2000 Euro seien in die Lepra-Hilfe geflossen: „Ccara hilft in fünf Lepra-Kolonien in Tamil Nadu den insgesamt 1000 Bewohnern immer wieder mit Einzelspenden.“Dort herrsche besonders große Not, denn die von Lepra Gezeichneten seien gesellschaftlich ausgestoßen, was große Armut nach sich ziehe.
Die Spenden der SZ-Leser seien in drei Kolonien verwendet worden für Bettmatten, Gehhilfen, Küchenutensilien und Rollstühle, „und in einigen Fällen konnte mit künstlichen Gliedmaßen oder orthopädischen Schuhen geholfen werden“, erzählt Maurus. Außerdem erhielten auch die dort Betroffenen Corona-Hilfspakete, „denn selbst das Betteln war ihnen in der strengen LockdownPhase verboten“.
Die restlichen 1900 Euro werden direkt für die Kinderhilfe aufgewandt, in der sich über 80 Mitarbeiter um inzwischen 1000 Kinder kümmern. „Seit Weihnachten verteilen wir an die Kinder in Slums und armen Dörfern kleine GeschenkRucksäcke, die sie auch für die Schule benutzen können. Sie sind gefüllt mit Spielsachen, Hygieneartikeln und Zahnbürsten, Vesperdosen, Süßigkeiten und Malstiften“, fasst Maurus zusammen. „Von der SZ-Spende konnten über 230 Kinder solche Taschen erhalten, damit sie wieder lachen können und besser über die Krisenzeit kommen.“
Millionen indischer Kinder, die auf staatliche Schulen angewiesen seien, hätten seit einem Jahr keinen Unterricht. Dadurch falle auch die wichtige tägliche Schulspeisung weg. „Der Schreck und die Angst vor Corona sowie die wirtschaftliche Not der Eltern sitzt tief“, weiß Maurus. Ihr wurde berichtet, dass zu Beginn des Lockdowns in den Slums Polizisten mit Schlagstöcken drohend verlangt hätten, „dass die Armen in ihren Hütten bleiben – spielen auf der Straße war nicht mehr erlaubt“.
Glücklicherweise werde das „inzwischen nicht mehr so eng“gesehen, doch bis dahin hätten auch die zehn Ccara-Tuition-Center, Einrichtungen in Dörfern und Slums rund um die Millionenstadt Salem im Bundesstaat Tamil Nadu, die sich um eine Betreuung nach dem Schulunterricht kümmern, „viele Kinder notbetreut, sie mit Essen versorgt und als medizinische Ambulanz gedient“. Weil das gut funktioniert habe, aber auch die Notwendigkeit dieser Art von Hilfe offensichtlich geworden sei, „möchte Ccara für das neue indische Schuljahr weitere solche sehr sinnvollen Kinderbetreuungseinrichtungen gründen und damit weitere Kinder aus ärmsten Verhältnissen mit dem Nötigsten versorgen“, blickt Heike Maurus voller Optimismus in die Zukunft.
Dafür hofft der Verein des Neutrauchburger Ehepaars vor Ostern auf weitere Spenden, die nach wie vor auch in die regulären Hilfsaktivitäten fließen. Etwa in die „Aktion Nähmaschine“: Die gibt seit Jahren an Witwen und bedürftige Frauen in Not Nähmaschinen aus – die vor Ort inklusive eines „Starter-Kits“und Transport zum Wohnort 80 Euro kosten – und bietet zuvor einen NähKurs im eigenen Näh-Center an: „Noch nie war die Nachfrage so hoch wie jetzt, denn die Frauen suchen nach Möglichkeiten, selbst Geld zu verdienen, um sich und ihre Kinder zu ernähren.
Die wichtigsten Ccara-Aktionen setzen sich indes für Bildung ein: Mit einer Spende von 120 Euro kann ein Kind ein Jahr lang in einer der fünf Ccara-Slumschulen in Indien mit Bildung und Essen versorgt werden. Zudem erhalten die Eltern aktuell Corona-Hilfspakete. „Die Kinder werden trotz offiziellem Unterrichts-Verbot auch zu Hause mit Schulmaterial versorgt oder in kleinen Gruppen unterrichtet“, berichtet Heike Maurus. Das zumindest sei in der Drei-Millionen-Metropole Jaipur, der Hauptstadt des nordindischen Bundesstaates Rajasthan, wieder möglich, wo Ccara sich ebenfalls engagiert.