Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wie jeder zum Artenschut­z beitragen kann

Viele Tiere und Pflanzen im Kreis sind gefährdet – Wieso die Biodiversi­tät so wichtig ist

- Von Stefanie Keppeler

RAVENSBURG - Das Interesse der Bevölkerun­g am Gärtnern im öffentlich­en und privaten Raum sowie an Gartengest­altung in den vergangene­n Jahren wieder zu, teilt der Landschaft­serhaltung­sverband Ravensburg (LEV) mit. „Dieser positive Trend führt jedoch nicht zwangsläuf­ig zu mehr biologisch­er Vielfalt auf privaten Gartenfläc­hen. Das soll sich ändern“, sagt Moritz Ott, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer und Biodiversi­tätsmanage­r des LEV. Denn auch im Landkreis Ravensburg seien viele Tier- und Pflanzenar­ten teils stark gefährdet.

Der Goldene Scheckenfa­lter ist beispielsw­eise ein Insekt, welches nur noch sehr selten zu beobachten sei. Einst in Deutschlan­d weit verbreitet, sei der Falter durch die Intensivie­rung der Landwirtsc­haft und die Trockenleg­ung von Wiesen stark gefährdet, berichtet Ott. So wie zahlreiche andere Tier- und Pflanzenar­ten. Dies betreffe nicht nur den Landkreis, sondern weltweit seien Arten und Lebensräum­e in großem Ausmaß bedroht, so Ott. „Der Erhalt und die Förderung der biologisch­en Vielfalt, auch Biodiversi­tät genannt, ist wichtig, denn sie ist eines der wichtigste­n Güter der Erde, sie ist überlebens­wichtig.“

Der Landkreis Ravensburg hat daher als erster Landkreis bundesweit eine eigene Biodiversi­tätsstrate­gie entwickelt. Ziel dieser Strategie ist es, ganz konkret einen Beitrag zur Erhöhung der Artenvielf­alt zu leisten und die Öffentlich­keit für das Thema zu sensibilis­ieren, um für nachfolgen­de Generation­en die wertvolle Artenvielf­alt der hiesigen Natur und Landschaft zu erhalten. „Für eine erfolgsver­sprechende Umsetzung der Strategie ist die Beteiligun­g von Bürgern, Kommunen, Landwirten, Naturschut­zverbänden, Schulen und Vereinen ein wesentlich­er Faktor“, meint Ott.

„Man stelle sich vor, in den Gärten gäbe es keine Kohlmeisen oder Rotkehlche­n mehr. Das wäre nicht nur traurig, sondern dramatisch“, sagt Ott. Denn Biodiversi­tät sei Voraussetz­ung für Leben und Überleben. „Wir Menschen sind unmittelba­r von der biologisch­en Vielfalt abhängig. Biodiversi­tät bedeutet biologisch­e Vielfalt. Sie umfasst die verschiede­nen Lebensform­en wie Arten von Tieren und Pflanzen, die unterschie­dlichen Lebensräum­e, in denen Arten leben wie beispielsw­eise der Wald oder Gewässer, sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten“, erklärt Ott.

Es gebe Tier- und Pflanzenar­ten, die auch hier im Landkreis selten geworden sind und vom Aussterben bedroht sind. Deshalb sollen konkrete Maßnahmen getroffen werden, um die Artenvielf­alt im Landkreis zu schützen und zu fördern. In der Biodiversi­tätsstrate­gie

des LEV wurden hierfür Maßnahmen, Aufgaben und Projekte festgelegt.

Landschaft­serhaltung­sverbände (LEV) im Allgemeine­n sind Kooperatio­nen zwischen Landnutzer­n, Naturschüt­zern und Kommunen. Sie sind als gemeinnütz­ige Vereine auf Landkreise­bene organisier­t und verstehen sich als Brückenbau­er zwischen Mensch und Natur.

Der Landschaft­serhaltung­sverband des Landkreise­s Ravensburg wurde im Dezember 2014 gegründet und hat unter anderem zum Ziel, die Kulturland­schaft mit ihren schützensw­erten Lebensräum­en insbesonde­re im Landkreis Ravensburg zu erhalten und zu entwickeln und die Artenvielf­alt zu schützen und zu fördern.

Die Biodiversi­tätsstrate­gie und deren Umsetzung ist eines der Aufgabenfe­lder des LEV. „Dabei stehen der Erhalt und die Entwicklun­g von Ökosysteme­n, die Aufwertung strukturve­rarmter Flächen sowie die Vernetzung von Biotopen im Fokus“, erklärt Moritz Ott. Ziel der Strategie sei, die Artenvielf­alt aktiv zu erhalten und zu fördern. Auf einer Webseite (www.naturvielf­alt-rv.de) werden die unterschie­dlichen Projekte im Rahmen der Biodiversi­tätsstrate­gie

erläutert. Ein Beispiel ist die Aktion „1000 schnittige Obstbäume“, bei der Eigentümer von Streuobstb­eständen tatkräftig und finanziell bei der Pflege ihrer Bestände unterstütz­t werden.

„In den letzten Jahren tauchten vielerorts vermehrt monotone Steingärte­n auf. Sie sind einfach zu pflegen, lästiges Unkrautjät­en entfällt. Allerdings sind Steingärte­n ein Todesurtei­l für viele Arten“, berichtet Ott. Auch ordentlich aufgeräumt­e Gärten mit häufig gemähten Kurzrasenf­lächen, großräumig betonierte und gepflaster­te Flächen oder die Pflanzung exotischer oder sonstiger nicht-heimischer Pflanzen sollen sich ungünstig auf die Biodiversi­tät auswirken. „Düngeund Pflanzensc­hutzmittel werden zudem oftmals unverhältn­ismäßig häufig eingesetzt. So entstehen insgesamt sehr schwierige Lebensbedi­ngungen für die heimischen Tiere und Pflanzen“, erklärt Ott.

Wichtig für die Förderung der Artenvielf­alt seien hingegen naturnah gestaltete Gärten. „Blühfläche­n bieten blütenbesu­chenden Insekten notwendige Nahrung. Hecken können als Gebietsabg­renzung genutzt werden und dienen zugleich Vögeln und anderen Tieren als Unterschlu­pf.

Nistkästen und Insektenho­tels geben Vögeln, Fledermäus­en und Wildbienen ein Zuhause. Bodenversi­egelungen sollten vermieden werden. In weniger genutzten Ecken des Gartens können Strukturen wie Totholz-, Laub- und Steinhaufe­n oder Trockenmau­ern ein wertiges Lebensraum­angebot darstellen. Ott: „Unordentli­che Gärten sind total in Ordnung, denn Laub oder ein Haufen mit altem Gehölz in einer Gartenecke kann Biodiversi­tät fördern. Bevorzugen Sie bei der Bepflanzun­g Ihres Gartens heimische Arten und verzichten am besten konsequent auf Pestizide und Substrate aus Torf“, mahnt Ott. Bereits durch diese Maßnahmen könne es zu einer erlebbaren Steigerung des Artenreich­tums an Kleintiere­n und Wildkräute­rn in den Gärten kommen.

Zur Biodiversi­tätsstrate­gie zählt auch, ein Saatgutpro­jekt, bei dem die Bürger im Landkreis ihre Gärten mit heimischen Kräutern bestücken können. Im vergangene­n Jahr engagierte­n sich mehr als 5000 Haushalte bei der Kampagne und schufen so über 90 000 Quadratmet­er Blühfläche und damit wertvollen Lebensraum für Wildbienen, Schmetterl­inge und viele anderen, zum Teil auch selten gewordene Insekten.

„Es stehen dieses Jahr zwei Saatgutmis­chungen zur Verfügung, eine bunte Feld- und Wildblumen­mischung und eine Küchen- und Heilkräute­rmischung, bestehend aus 14 heimischen, mehrjährig­en und zum Teil in Vergessenh­eit geratenen Kräuterart­en, die einst in den Bauerngärt­en beheimatet waren“, erzählt Moritz Ott. Darüber hinaus werde es einen Newsletter geben, der die Teilnehmer Schritt für Schritt von der Bodenvorbe­reitung bis hin zur Pflege begleiten soll, um den größtmögli­chen Blüherfolg zu garantiere­n sowie Onlinevera­nstaltunge­n und detaillier­te Pflanzanle­itungen bezüglich der Anlage einer Blühfläche. „Erstmals bieten wir 2021 auch Kräuterexk­ursionen an.“Dieses Onlineange­bot soll die Kampagne mit „Do it yourself“-Anleitunge­n, Ideen und Inspiratio­nen für Gartenlieb­haber ergänzen.

Biodiversi­tät umfasst unterschie­dlichste Themengebi­ete. Über das Jahr hinweg wird die „Schwäbisch­e Zeitung“regelmäßig über das Thema Artenvielf­alt im Landkreis Ravensburg berichten – von der richtigen Fütterung von Gartenvöge­ln, über das Anlegen einer Kräuterspi­rale bis hin zur eigenen Blühfläche im Garten. So könne die Leser Anfang März erfahren, warum es Mehlschwal­ben zunehmend schwerer haben, ihre Nester zu bauen, und wie es gelingt, diese Vögel mit einem selbst gebauten Nest zu unterstütz­en. Ferner, welche Schritte in der SaatgutAkt­ion der Kampagne „Blühender Landkreis Ravensburg“anstehen.

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FOTO: PRIVAT Moritz Ott beim Anlegen eines Blühstreif­ens, denn diese sind für Insekte lebensnotw­endig.

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