Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Tod kommt im Supermarkt

Bei einem Amoklauf in Colorado werden zehn Menschen erschossen – Biden fordert schärfere Waffengese­tze

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BOULDER (AFP) - Vor knapp einer Woche hatte ein 21-Jähriger acht Menschen in Massagesal­ons in Georgia erschossen, am Montag erschoss ein 21Jähriger in einem Supermarkt im Bundesstaa­t Colorado zehn Menschen. Der mutmaßlich­e Täter wurde festgenomm­en und des zehnfachen Mordes beschuldig­t. Die beiden Schusswaff­enangriffe sorgten für Entsetzen – und für neue Diskussion­en über eine Verschärfu­ng des Waffenrech­ts, USPräsiden­t Joe Biden forderte ein Verbot von Sturmgeweh­ren. Doch das Land bleibt gespalten.

Der Täter eröffnete am Nachmittag in dem King-Soopers-Supermarkt in der 50 Kilometer nordwestli­ch von Denver gelegenen Stadt Boulder das Feuer. Augenzeuge­n berichtete­n, sie hätten zuerst lautes Knallen vor dem Supermarkt gehört. Dann seien die Schüsse immer näher gekommen, sagte Nevin Sloan, der mit seiner Frau Quinlan durch den Notausgang des Geschäfts flüchtete, dem Sender CBS. „Ich wäre fast beim Kauf einer Limo und einer Tüte Chips getötet worden“, sagte Ryan Borowski CNN.

Die Polizei rückte mit einem Großaufgeb­ot an. Unter den zehn Todesopfer­n sei auch der 51-jährige Polizist Eric Talley, der als erster am Tatort eingetroff­en war. Boulders Polizeiche­fin Maris Herold lobte den „heldenhaft­en“Einsatz des siebenfach­en Vaters. Später las sie die Namen auch der anderen Opfer vor. Live-Bilder vom Tatort zeigten, wie die Beamten einen Mann, der kein Hemd trug, in Handschell­en abführten. Laut Polizeiche­fin wurde der mutmaßlich­e Täter Ahmad Al Aliwi Alissa bei dem Polizeiein­satz angeschoss­en und ins Krankenhau­s gebracht. Der Zustand des 21-Jährigen sei stabil, bald werde er in ein Gefängnis verlegt. Zum möglichen Motiv des Schützen machte Herold zunächst keine Angaben.

Colorados Gouverneur Jared Polis sprach von einer „sinnlosen Tragödie“. Auch Boulders Bürgermeis­ter Sam Weaver äußerte sich erschütter­t. Eine Sprecherin der Supermarkt­kette King Soopers erklärte, das Unternehme­n sei untröstlic­h über die „sinnlose Gewalttat“. Erst in der Vorwoche hatten tödliche Angriffe auf drei Massagestu­dios

im Bundesstaa­t Georgia die USA erschütter­t. Acht Menschen wurden erschossen, unter ihnen sechs Frauen asiatische­r Herkunft.

US-Präsident Biden ordnete an, die Flaggen vor dem Weißen Haus wie schon nach den Angriffen in Georgia auf halbmast zu setzen. Den US-Kongress rief er auf, sich für schärfere Waffengese­tze einzusetze­n, dabei sprach er sich erneut für ein Verbot von Sturmgeweh­ren aus. „Ich brauche keine weitere Minute zu warten geschweige denn eine Stunde, um Schritte zu unternehme­n, die der gesunde Menschenve­rstand diktiert und die in Zukunft Leben retten werden“, sagte er. Für denselben Tag war bereits eine Anhörung im Justizauss­chuss

des US-Senats zu einer Verschärfu­ng des Waffenrech­ts angesetzt. Biden hatte sich bereits im Februar für eine Verschärfu­ng der Gesetze ausgesproc­hen und dabei auch Hintergrun­düberprüfu­ngen „für alle Waffenverk­äufe“gefordert.

Die „Seuche der Schusswaff­engewalt“müsse gestoppt werden, sagte der Vorsitzend­e der Demokraten im Senat, Chuck Schumer. Der Senat müsse und werde entspreche­nde Gesetze auf den Weg bringen. Auch die ehemalige Kongressab­geordnete Gabby Giffords, die 2011 bei einem Attentat einen lebensgefä­hrlichen Kopfschuss erlitten hatte, erklärte, es sei höchste Zeit zum Handeln.

In Colorado hatten sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n zwei der schlimmste­n Schusswaff­enangriffe der jüngeren US-Geschichte ereignet. An der Columbine High School in Littleton hatten zwei Jugendlich­e im April 1999 zwölf Mitschüler und einen Lehrer erschossen. Danach begingen sie Suizid. Im Juni 2012 eröffnete ein 24-jähriger Mann in einem Kino in der Stadt Aurora das Feuer und tötete zwölf Menschen.

Die Stadt Boulder hatte nach dem Schulmassa­ker in Parkland in Florida im Jahr 2018 selbst ein Verbot für Sturmgeweh­re und Großmagazi­ne erlassen. Laut einem Bericht der „Denver Post“hatte ein Richter das Verbot aber vergangene Woche kassiert. Die mächtige Waffenlobb­y NRA feierte damals die Entscheidu­ng.

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FOTO: CHET STRANGE/AFP Die nächste Tragödie in Amerika: Zwei geschockte Supermarkt-Kundinnen verlassen den Tatort in Boulder.

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