Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Umzug der Raubfisch-Giganten
Die Weiher im Kurpark wurden abgelassen – Fische dürfen zurück in die alte Heimat
ISNY - Zwei Dutzend Mitglieder der „Fischereivereinigung Isny e.V.“, unter ihnen drei Jung-Angler der Jugendgruppe, dazu drei Mann von der Freiwilligen Feuerwehr und ein Bauhofmitarbeiter, haben am vergangenen Samstag im Kurpark den Unteren Graben- und den Bremerweiher abgefischt. Arbeitsbeginn für die eifrige Mannschaft um Jens Wieprecht, erster Vorsitzender des Fischereivereins, war um 6.30 Uhr – bei Minusgraden. Schon seit Mittwoch hatten die Weiherwarte Rudi Mayer und Andreas Schädler das Wasser über die sogenannten Fallenstöcke in die Ach abgelassen. Das behutsame Senken des Wasserstandes ist nötig, um die Feuchtwiesen am Rain nicht zu überfluten.
Mit dem Ablassen regt sich Leben. Flosse an Flosse kommt zum Vorschein. Nach dem Aufsammeln von Krebsen und Muscheln sind es zuerst vor allem Karpfen, die aus dem Unteren Grabenweiher abgefischt werden.
Auch im Bremerweiher ist das Wasser inzwischen sehr flach, der Grund ist fast sichtbar, die Petrijünger fischen mit ihren Keschern im Trüben. In Gummihosen und Gummistiefel arbeiten sie sich mühselig im Restwasser durch den bis zu hüfttiefem Schlamm, um die im Herbst letzten Jahres eingesetzten Raubfische einzusammeln. Alles muss zügig vonstatten gehen, damit die Tiere keinen Schaden nehmen.
Das eingespielte Team muss ordentlich anpacken, um die teilweise auf bis zu knapp zwei Meter angewachsenen Welse zu bergen. Eigens für den Fischtransport präparierte Fahrzeuge stehen bereit, um Raubfische wie Hecht und Wels aus den beiden Weihern beim Kurhaus in die alte Heimat, den Hengelesweiher zu transportieren. Der war wie berichtet über den Winter abgelassen worden, hat sich inzwischen aber nicht nur dank Schneeschmelze wieder komplett gefüllt. „Gegen 14 Uhr waren alle Fische, Muscheln und Krebse im Hengelesweiher angekommen, Geräte und Material gereinigt und aufgeräumt“, berichtet Material- und Gerätewart Gerhard Jäger.
Und schon am Sonntag waren die beiden Weiher im Kurpark dank des
Stadtbachs, der außerhalb des südlichen Isnyer Stadtrands Krummbach und erst ab Eintritt in die Altstadt unweit des Diebsturms Stadtbach heißt, wieder aufgestaut.
Gerhard Jäger erzählt, dass der Biesenweiher vor zwei Wochen abgefischt und alle „Friedfische“in den Hengelesweiher zurückgesetzt wurden, bis auf zehn große Karpfen, die in den Bleichenweiher kamen. Im Mai und Juni sollen sich die Tiere dort fortpflanzen: „Wenn es klappt, haben wir im Herbst viele etwa zehn Zentimeter große Karpfen. Dann kommen noch 250 Karpfen mit einer Größe von 15 Zentimeter dazu, die bis zum Herbst 35 Zentimeter groß sein sollten.“
Das funktioniere natürlich nur mit Pflege und Zufütterung: Über den Winter 2021/22 bleibe der Bleichenweiher „fischfrei“, wie jedes Jahr wegen der problematisch geringen Wassertiefe, doch im Sommer sei der Weiher ein Paradies für die
Karpfen. Im Winter werde dagegen der Sauerstoff knapp und die Wassertemperatur sei zu kalt, was für die Tiere unweigerlich den Tod im Winterschlaf bedeute, schildert Jäger. Deshalb kämen die Fische vom Bleichenweiher in den Biesenweiher, wobei sie dort in einem natürlichen Umfeld blieben.
Wo sich der Name „Bremerweiher“oder „Bremenweiher“herleitet, weiß indes Heimatforscher Roland Manz: Bremen bedeute „am Rande liegend“; Hintergrund sei, dass das komplette Mühlen- und Wasserrecht in Isny seit 1171 beim Kloster lag. Aber die danach mächtig gewordene Reichsstadt habe in Sachen der Mühlen unabhängig werden und neben der schon vom Kloster abgetrotzten Stadtmühle eine weitere Mühle und Walke für die untere Bleiche besitzen wollen: „Um 1500 wurde das Reichsgesetz geändert und die Stadt konnte eine weitere Mühle unmittelbar am Stadtbach errichten – auch gegen den Willen des Klosters“, weiß Manz; eben jene am Rande des Stadtbaches. Diese „Bremen-Sonderkonstellation“sei damals namensgebend gewesen.
Für kommenden Samstag, 27. März, die genaue Uhrzeit steht noch nicht fest, haben die Fischer einen weiteren Einsatz geplant: den Besatz der Gewässer mit der Nachzucht. Gerhard Jäger zufolge „die kleinen Fische für den Unteren Grabenweiher – 200 Bachforellen und 50 Karpfen; für den Bremerweiher 250 Karpfen; und für den Bleichenweiher 250 Karpfen und circa 20 Kilogramm Schleien“. Diese Fische werden gefüttert und gepflegt, bis sie geschlechtsreif sind, um in Wildgewässer ausgesetzt zu werden, was ihre Überlebenschance „ganz gewaltig“erhöhe.
Im Kurpark wurden am Samstag mächtige Exemplare abgefischt. Doch „zur Beruhigung der Bevölkerung“erklärt Jäger: „Der Wels wird zwar sehr groß, ist aber friedlich, Badegäste brauchen keine Angst zu haben, dass sie angegriffen oder gebissen werden.“Mit Blick auf die aktuelle Pandemie-Situation fügt er schließlich sarkastisch hinzu: „Die wirklich gefährlichen Lebewesen bei uns in Deutschland sieht man nur mit einem Mikroskop.“