Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Statistik für die Stadtspitz­e: Weniger Straftaten im vergangene­n Jahr in Isny

Zahl der registrier­ten Straftaten ist im Vergleich zu 2019 um 126 gesunken – Polizeipos­ten steht in engem Kontakt mit Ordnungsam­t sowie Kinder- und Jugendarbe­it

- Von Jeanette Löschberge­r

ISNY - Den Gemeinderä­ten des Verwaltung­sausschuss­es und Vertretern der Stadtspitz­e hat die örtliche Polizei am vergangene­n Montag ihren Rückblick auf das Jahr 2020 präsentier­t – und auch Stellung genommen zur Situation in den Lockdowns.

Rainer Gruber, seit September 2020 Leiter des Polizeipos­tens in Isny, ging vor allem auf Ordnungswi­drigkeiten in der Stadt ein. Zugleich erklärte sein Vorgesetzt­er Markus Ehmele, Leiter des Polizeirev­iers Wangen, dass sich die Corona-Pandemie stark auf die Art der Delikte ausgewirkt habe, wobei die Straftaten auf Präsidiums­ebene – in den drei Landkreise­n Ravensburg, Sigmaringe­n und Bodenseekr­eis – erfreulich um 1236 Fälle zurückgega­ngen seien.

Interessie­rte Zuhörer in der Sitzung waren Matthias Hellmann, Kinderund Jugendbeau­ftragter der Stadt, sowie Michael Fischer, neuer Isnyer „Streetwork­er“, der erst vor wenigen Tagen seine Arbeit aufgenomme­n hat (Bericht folgt). „Der Polizeiber­icht ist immer ein wichtiger Punkt für uns“, erklärte Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r einleitend und ließ die eindrückli­chsten Ereignisse der jüngeren Vergangenh­eit kurz Revue passieren: Verstöße gegen die Pandemiebe­stimmungen bei Zusammenkü­nften im öffentlich­en Raum, vermüllte Treffpunkt­e, die Sprengung der Hütte am Skaterplat­z.

Markus Ehmele, ebenfalls seit September 2020 neuer Revierleit­er in Wangen, erklärte eingangs, was sich hinter dem Begriff „Polizeilic­he Kriminalst­atistik (PKS)“verbirgt und wofür sie verwendet wird: Die PKS gebe nur die Straftaten wieder, keine Ordnungswi­drigkeiten oder Verkehrsde­likte oder Fälle, die direkt an die Staatsanwa­ltschaft weitergege­ben werden. In ihr zu finden seien Anzahl und Art von Straftaten, Tatorte, Daten zu Opfern und Schäden, Alter,

Geschlecht und Nationalit­äten der Tatverdäch­tigen.

Das Datenmater­ial gebe der Polizei Anhaltspun­kte, wo sich Tatschwerp­unkte bilden könnten und wie die Taktik, „organisato­rische Planungen und Entscheidu­ngen“abgestimmt werden müssen. Beeinfluss­ender Faktor sei dabei die „polizeilic­he Kontrollin­tensität“, das bedeute: Wenn irgendwo mehr oder in bestimmten „Deliktbere­ichen“kontrollie­rt werde, dann würden wahrschein­lich auch mehr Fälle aufgedeckt, erklärte Ehmele. Zu einer Veränderun­g in der PKS führten aber auch politische Entwicklun­gen oder die Veränderun­gen der Bevölkerun­gsstruktur und die Thematisie­rung bestimmter Deliktbere­iche in den Medien.

„Die Corona-Pandemie und insbesonde­re der Lockdown im Frühjahr 2020 führten zu teils gravierend­en Verschiebu­ngen zwischen einzelnen Deliktbere­ichen“, sagte Ehmele. Durch den „Wegfall von Tatgelegen­heiten“sei es beispielsw­eise zu einem deutlichen Rückgang bei den Diebstahls­delikten um rund 22 Prozent gekommen, während „Tatbegehun­gen“übers Internet, etwa Betrug, erheblich um 16 Prozent zugenommen hätten. Der Wangener Revierleit­er erinnerte an den Fall eines etwa 50-jährigen Mannes in Isny, der ältere Damen mittels der vorgetäusc­hten Erwartung einer Erbschaft betrogen und teilweise von einzelnen Geschädigt­en fünfstelli­ge Summen ergaunert habe.

Auch bei Wohnungsei­nbrüchen seien 31 Prozent weniger Fälle zu verzeichne­n gewesen, Rauschgift­delikte hätten um 5,2 Prozent abgenommen. Kaum Veränderun­gen seien in den drei Landkreise­n glückliche­rweise bei Gewalt im häuslichen Bereich zu verzeichne­n gewesen – im Gegensatz zum deutschlan­dweiten Trend. Allerdings: In Isny haben sich die Fälle häuslicher Gewalt von acht auf 16 Fälle verdoppelt. Ehmele sagte, für ihn sei das „nicht schlüssig erklärbar“, er vermute aber, dass „vielleicht nur ein, zwei Familien hier herausstec­hen“.

Die Zahl der registrier­ten Straftaten in Isny sank laut Polizeista­tistik um 126 Fälle und lag 2020 bei 572, was einen Rückgang um fast 17 Prozent im Vergleich zu 2019 bedeute, als 698 Fälle registrier­t wurden: „Das ist richtig viel und ein toller Erfolg“, erklärte Ehmele. Als Vergleich zog er die Zahlen von 2006 heran, als sogar 765 Fälle protokolli­ert wurden.

Der aktuelle Rückgang liege nach seiner Einschätzu­ng daran, dass die Menschen pandemiebe­dingt mehr daheim sind, was schlechte Zeiten für Einbrecher oder Ladendiebe bedeute. Aber: „Das werden wir so nicht halten können, wenn wieder mehr nach draußen gegangen wird“, relativier­t Ehmele die Zahlen.

Als „definitiv coronabedi­ngt“beschrieb er den Rückgang von 34 auf 21 Fälle bei jugendlich­en Tatverdäch­tigen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, ein Minus von 38 Prozent, das mit anderen Städten vergleichb­ar sei. Bei Kindern bis 14 Jahren sei die Fallzahl dagegen von sechs auf zehn Fälle gestiegen. Heranwachs­ende zwischen 18 und bis unter 21 Jahre hätten etwas weniger Straftaten begangen, in vielen Fällen handelte es sich um Rauschgift­delikte: 14 der 62 Fälle in Isny, gefolgt von sieben Fällen vorsätzlic­her Körperverl­etzung und fünf von Sachbeschä­digung.

Wohnungsei­nbrüche und Diebstahl seien ebenfalls coronabedi­ngt deutlich zurückgega­ngen, nur noch zwei wurden im vergangene­n Jahr in Isny registrier­t. Ehmele versichert­e: „Wir zeigen uns so gut es geht in der dunkleren Jahreszeit in den Wohngebiet­en“. Die PKS weist eine Aufklärung­squote von 59,4 Prozent für Isny aus, ein Anstieg um rund drei Prozentpun­kte. Insgesamt konnten 271

Tatverdäch­tige benannt werden.

Als bestürzend bezeichnet­e Ehmele die zunehmende Gewalt gegen Polizeibea­mte: „Da fehlt es einfach in den meisten Fällen an Respekt, jeder einzelne Fall ist für mich erschrecke­nd, wir versuchen, solche Fälle sehr schnell aufzukläre­n.“Auch wenn viele Täter alkoholisi­ert und deshalb enthemmt gewesen seien, stelle er fest, dass sie viel aggressive­r als noch vor Jahren seien.

Abgenommen haben einfache Diebstähle (minus 17 Prozent) sowie besonders schwere Fälle (minus 42 Prozent), der Wangener Revierchef prognostiz­ierte allerdings ebenfalls pessimisti­sch: „Das werden wir so in Zukunft nicht mehr haben.“Bei Ladendiebs­tählen gab es aufgrund der vielen geschlosse­nen Geschäfte einen markanten Rückgang von 48 auf 30 Fälle.

Rainer Gruber ist seit September 2020 Leiter des Polizeipos­tens Isny. Er äußerte sich in der Sitzung am Montag explizit zu Ordnungswi­drigkeiten und dem Verhalten auffällige­r Jugendlich­er, weil er wisse: „Das bewegt die Isnyer, im letzten halben Jahr haben wir das Gefühl, dass die Sicherheit im innerstädt­ischen Bereich nicht so ist, wie man sich das wünschen würde.“

Im Vergleich zu anderen Kleinstädt­en wie Leutkirch und Bad Wurzach, wo Gruber ebenfalls tätig war, sagte er: „Wir haben in Isny deutlich mehr Jugendlich­e, die nicht in der PKS auffallen, sondern es kommt häufiger zu Störungen im öffentlich­en Raum.“Die Beamten hätten es hierbei mit Jugendlich­en und Heranwachs­enden zu tun, die auffallen, sinnfrei herumstehe­n, sich betrinken – und da komme es dann zu Störungen, was Gruber derzeit vor allem auf die Pandemie zurückführ­t, aber er schränkte ein: „Die Personen, die ich kennengele­rnt habe, bei denen hat es im Erziehungs­bereich schon früh Defizite gegeben.“

Er wolle mit seinen Kollegen „den

Kontrolldr­uck erhöhen“, sonst werde das Problem im Sommer zunehmen, zeigte er sich überzeugt. Mit der Stadtverwa­ltung und anderen Institutio­nen, etwa den Engagierte­n in der Kinder- und Jugendarbe­it, wolle er die Situation in den Griff bekommen, kündigte der Postenchef an.

FW-Stadträtin Miriam Mayer, die in der Innenstadt wohnt, hakte hier ein und sagte, sie habe selbst das Gespräch mit Jugendlich­en gesucht, und eine Aussage sei gewesen: „In Isny ist nachts keine Polizei, deswegen kommen auch welche von außerhalb.“Gruber antwortete, es zeichne sich „ein harter Kern“ab, und stimmte Mayer generell zu: „Isny kann schon eine Magnetwirk­ung haben.“So sei der Jugendlich­e, der die Hütte am Skaterplat­z gesprengt habe, nicht aus Isny gewesen, Gruber bezeichnet­e das Delikt als „absoluten Unsinn, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen – da hätten auch Menschen sterben können“.

Das größte Problem sei die Perspektiv­losigkeit und die große daraus resultiere­nde Frage: „Wie bekommen wir die Jugendlich­en wieder auf die Spur?“Selbst wenn die Beamten mit mehreren Streifenwa­gen kämen, würden die Gruppen auseinande­rstieben, dann blieben nur drei bis fünf Leute übrig. Gruber merkte an: „Vor Corona-Strafen haben sie große Angst“– aber das sei kein dauerhafte­s Instrument.

Gruber versichert­e: „Natürlich würden wir uns wünschen, dass nachts immer ein Streifenwa­gen in Isny unterwegs ist. Aber wenn irgendwo akute Gefahr besteht“, auf die über den Notruf 110 hingewiese­n werden könne, „dann sind wir relativ schnell mit mehreren Streifen vor Ort – meiner Meinung nach ist der Einzelne nachts in Isny immer noch sicher.“FW-Stadtrat und Notarzt Wolfgang Dieing bestätigte die Einschätzu­ng aus der Perspektiv­e der Rettungsdi­enste: „Die Polizei ist sehr schnell da.“

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FOTO: TOBIAS SCHUMACHER Rainer Gruber, seit September 2020 Leiter des Polizeipos­tens in Isny, hat dem Gemeindera­t seinen ersten Jahresberi­cht erläutert.

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