Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kiesabgabe rückt erst mal in weite Ferne
Forderung aus Region ist in Stuttgart angekommen – Die Ministerien tun sich aber schwer
KREIS RAVENSBURG - Wird es in Baden-Württemberg eine Kiesabgabe geben, um den Export des Rohstoffes aus Oberschwaben nach Vorarlberg und in die Schweiz einzudämmen? Das hatte zumindest die Regionalversammlung Bodensee-Oberschwaben in einem Beschluss auf CDU-Antrag gefordert. Die Bitte aus der Region ist in Stuttgart eingetroffen und wurde auch von den Ministerien in Stuttgart bearbeitet. Wie die Geschichte allerdings ausgehen wird, ist ungewiss. Denn die Sachlage ist komplex.
Nach Einschätzung des Wirtschaftsund des Umweltministeriums von Baden-Württemberg bedürfe eine solche Abgabe „aller Voraussicht nach einer gesetzlichen Grundlage“, was ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren nach sich zöge. „Wie eine solche Abgabe ausgestaltet werden könnte und ob dies dann als landes- oder bundesrechtliche Regelung erfolgen sollte, müsste detailliert geprüft werden“, heißt es in einer Stellungnahme der beiden Ministerien auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Dies dürfte so schnell aber nicht passieren. Das hatte auch Umweltminister
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Franz Untersteller vor der Landtagswahl in einem Gespräch mit Sozialminister und Landtagsabgeordnetem Manne Lucha gesagt. Er räumte einer Kiesabgabe im Alleingang Baden-Württembergs keine Chance ein. Dies müsse auf Bundesebene behandelt werden. So wurde er in einer Pressemitteilung der Grünen zitiert. Die Ministerien schreiben auf Anfrage: „Der Vorschlag ist mit komplexen tatsächlichen und rechtlichen Fragestellungen verbunden und bedarf einer intensiven Prüfung und politischen Diskussion.“Es steht also fest, dass eine solche Abgabe
so schnell nicht zu erwarten ist, auch wenn der Ruf aus der Region von Politikern und Bürgern laut ist. Der Hintergedanke hinter der Abgabe ist klar. Sie soll den Kies aus der Region teurer machen, damit ein Import von deutschem Kies für Vorarlberg und die Schweiz weniger interessant wird. Recherchen der „Schwäbischen Zeitung“kamen zum Ergebnis, dass jedes Jahr mehr als eine Million Tonnen Kies aus den Landkreisen Ravensburg, Sigmaringen und dem Bodenseekreis Richtung Nachbarländer verlassen, weil der Kies hierzulande billiger ist. Das entspricht mehr als zehn Prozent der geförderten Menge in der Region Bodensee-Oberschwaben.
Knackpunkt, den auch die Gegner des Kiesabbaus wie etwa die „Scientists für Future“anbringen, ist der Kiespreis in Deutschland. Eine Studie der Geomaehr GmbH für das Land Vorarlberg kam zum Schluss, dass es für Unternehmen in Vorarlberg billiger ist, Kies aus Deutschland ins Mittlere Rheintal zu transportieren als Kies aus den nahe gelegenen Gruben zu fördern.
Zwar deckt das Land Vorarlberg den Eigenbedarf großteils selbst, ist aber dennoch auf Importe angewiesen, was insbesondere im kiesreichen Oberschwaben für Proteste sorgt, wenn neue Gruben eröffnet werden. Beispielhaft dafür ist der Protest um den geplanten Kiesbau im Altdorfer Wald bei Vogt. Dort haben sich inzwischen auch Baumbesetzer breitgemacht. Vorbild für die geforderte Kiesabgabe ist die Naturschutzabgabe,
die das Land Vorarlberg pro Tonne mineralischen Rohstoffs erhebt. „Die Ergebnisse, die im dritten Quartal 2021 vorliegen sollen, können dazu beitragen, eine faktenbasierte Diskussion zu führen“, so die Ministerien. Denn tatsächlich gibt es keine ganz genauen Zahlen. Hinweise zu den Stoffströmen geben die genannte Studie der Geomaehr GmbH und die Zahlen des Hauptzollamts Ulm sowie die der Eidgenössischen Zollverwaltung der Schweiz.
Vorerst wird sich also nichts tun in Sachen Kiesabgabe. Auch mit einer Bewertung der Forderung aus Oberschwaben tut sich Stuttgart schwer. „Inhaltlich werden dabei folgende Gesichtspunkte eine Rolle spielen: Interesse der Kommunen, stärker von den Kiesvorkommen zu profitieren, wenn der Kies nicht vor Ort genutzt wird; Risiko einer Zersplitterung der Abgabenlandschaft und Wettbewerbsverzerrung sowie möglicherweise negative Auswirkungen auf die Baukosten“, so die Ministerien. Die Diskussion und der Protest werden so schnell nicht verschwinden. Deswegen werden die Ergebnisse der Studie in den Rathäusern, Landratsämtern und von Protestlern mit Spannung erwartet.