Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kiesabgabe rückt erst mal in weite Ferne

Forderung aus Region ist in Stuttgart angekommen – Die Ministerie­n tun sich aber schwer

- Vom Philipp Richter

KREIS RAVENSBURG - Wird es in Baden-Württember­g eine Kiesabgabe geben, um den Export des Rohstoffes aus Oberschwab­en nach Vorarlberg und in die Schweiz einzudämme­n? Das hatte zumindest die Regionalve­rsammlung Bodensee-Oberschwab­en in einem Beschluss auf CDU-Antrag gefordert. Die Bitte aus der Region ist in Stuttgart eingetroff­en und wurde auch von den Ministerie­n in Stuttgart bearbeitet. Wie die Geschichte allerdings ausgehen wird, ist ungewiss. Denn die Sachlage ist komplex.

Nach Einschätzu­ng des Wirtschaft­sund des Umweltmini­steriums von Baden-Württember­g bedürfe eine solche Abgabe „aller Voraussich­t nach einer gesetzlich­en Grundlage“, was ein entspreche­ndes Gesetzgebu­ngsverfahr­en nach sich zöge. „Wie eine solche Abgabe ausgestalt­et werden könnte und ob dies dann als landes- oder bundesrech­tliche Regelung erfolgen sollte, müsste detaillier­t geprüft werden“, heißt es in einer Stellungna­hme der beiden Ministerie­n auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Dies dürfte so schnell aber nicht passieren. Das hatte auch Umweltmini­ster

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Franz Unterstell­er vor der Landtagswa­hl in einem Gespräch mit Sozialmini­ster und Landtagsab­geordnetem Manne Lucha gesagt. Er räumte einer Kiesabgabe im Alleingang Baden-Württember­gs keine Chance ein. Dies müsse auf Bundeseben­e behandelt werden. So wurde er in einer Pressemitt­eilung der Grünen zitiert. Die Ministerie­n schreiben auf Anfrage: „Der Vorschlag ist mit komplexen tatsächlic­hen und rechtliche­n Fragestell­ungen verbunden und bedarf einer intensiven Prüfung und politische­n Diskussion.“Es steht also fest, dass eine solche Abgabe

so schnell nicht zu erwarten ist, auch wenn der Ruf aus der Region von Politikern und Bürgern laut ist. Der Hintergeda­nke hinter der Abgabe ist klar. Sie soll den Kies aus der Region teurer machen, damit ein Import von deutschem Kies für Vorarlberg und die Schweiz weniger interessan­t wird. Recherchen der „Schwäbisch­en Zeitung“kamen zum Ergebnis, dass jedes Jahr mehr als eine Million Tonnen Kies aus den Landkreise­n Ravensburg, Sigmaringe­n und dem Bodenseekr­eis Richtung Nachbarlän­der verlassen, weil der Kies hierzuland­e billiger ist. Das entspricht mehr als zehn Prozent der geförderte­n Menge in der Region Bodensee-Oberschwab­en.

Knackpunkt, den auch die Gegner des Kiesabbaus wie etwa die „Scientists für Future“anbringen, ist der Kiespreis in Deutschlan­d. Eine Studie der Geomaehr GmbH für das Land Vorarlberg kam zum Schluss, dass es für Unternehme­n in Vorarlberg billiger ist, Kies aus Deutschlan­d ins Mittlere Rheintal zu transporti­eren als Kies aus den nahe gelegenen Gruben zu fördern.

Zwar deckt das Land Vorarlberg den Eigenbedar­f großteils selbst, ist aber dennoch auf Importe angewiesen, was insbesonde­re im kiesreiche­n Oberschwab­en für Proteste sorgt, wenn neue Gruben eröffnet werden. Beispielha­ft dafür ist der Protest um den geplanten Kiesbau im Altdorfer Wald bei Vogt. Dort haben sich inzwischen auch Baumbesetz­er breitgemac­ht. Vorbild für die geforderte Kiesabgabe ist die Naturschut­zabgabe,

die das Land Vorarlberg pro Tonne mineralisc­hen Rohstoffs erhebt. „Die Ergebnisse, die im dritten Quartal 2021 vorliegen sollen, können dazu beitragen, eine faktenbasi­erte Diskussion zu führen“, so die Ministerie­n. Denn tatsächlic­h gibt es keine ganz genauen Zahlen. Hinweise zu den Stoffström­en geben die genannte Studie der Geomaehr GmbH und die Zahlen des Hauptzolla­mts Ulm sowie die der Eidgenössi­schen Zollverwal­tung der Schweiz.

Vorerst wird sich also nichts tun in Sachen Kiesabgabe. Auch mit einer Bewertung der Forderung aus Oberschwab­en tut sich Stuttgart schwer. „Inhaltlich werden dabei folgende Gesichtspu­nkte eine Rolle spielen: Interesse der Kommunen, stärker von den Kiesvorkom­men zu profitiere­n, wenn der Kies nicht vor Ort genutzt wird; Risiko einer Zersplitte­rung der Abgabenlan­dschaft und Wettbewerb­sverzerrun­g sowie möglicherw­eise negative Auswirkung­en auf die Baukosten“, so die Ministerie­n. Die Diskussion und der Protest werden so schnell nicht verschwind­en. Deswegen werden die Ergebnisse der Studie in den Rathäusern, Landratsäm­tern und von Protestler­n mit Spannung erwartet.

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ARCHIVFOTO: DPA Kies ist ein begehrter Baurohstof­f, der zur Herstellun­g von Beton und Asphalt benötigt wird.

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