Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Wir bezahlen diesen Lockdown“
Tourismus: Verschärfte Regeln über Ostern lösen Wut und Unverständnis aus
ALLGÄU - Das öffentliche, wirtschaftliche und private Leben soll auch über die Osterfeiertage weitgehend heruntergefahren bleiben. Die derzeit bestehenden Lockdown-Beschränkungen gelten weiter bis zum 18. April. Kirchen sollen ihre Ostergottesdienste nur virtuell abhalten. Privat sind nur Treffen zweier Haushalte mit maximal fünf Personen erlaubt. Und über die Osterferien bleiben Hotels, Ferienwohnungen und Gaststätten geschlossen. Die meisten Betroffenen sind stinksauer. Reaktionen aus der Region auf diese „Notbremse“:
Tourismus: Es sei kaum nachvollziehbar, dass man nicht Urlaub im eigenen Land machen dürfe, dafür aber nach Mallorca fliegen könne, sagt Bernhard Joachim, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Allgäu/ Bayerisch Schwaben. Der Unmut in der Branche sei groß, weil es keine Hoffnung auf eine verlässliche Perspektive gebe, wann man wieder öffnen kann. „Als Region fordern wir eine differenzierte Betrachtung des Infektionsgeschehens, mehr Vertrauen in die Tourismusbranche – und nicht nur in diese. Wir stehen bereit, um Ansagen aus der Politik umzusetzen. Aber es gibt keine Ansagen“, kritisiert Joachim.
Hotels und Gaststätten: „Wir sind startbereit, haben hervorragende Test- und Hygiene-Konzepte – und dürfen trotzdem die Häuser nicht aufschließen“, sagt Sybille Wiedenmann, Geschäftsführerin der Allgäu Top Hotels. Vor Kurzem habe man bei der Nordischen Ski-WM bewiesen, dass es mit einer ausgeklügelten Strategie gut gehen könne. Für Hotelier Andreas Eggensberger in Hopfen am See (Ostallgäu) ist das Schlimmste in dieser Situation, dass die Mitarbeiter zunehmend finanzielle Probleme hätten. Seit einem halben Jahr fehlten Gehalt, Trinkgelder und Sonntags-Zuschläge.
Das sei für manche Kräfte eine starke psychische Belastung. Auch vielen Wirten gehe das Geld aus, sagt Armin Hollweck aus Oberstaufen, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes Oberallgäu: „Ich bin richtig sauer und verärgert, dass wir über Ostern nicht öffnen dürfen.“Viele Lokale müssten aufgeben, ist sich Hollweck sicher. Damit gehe ein großes Stück der Wirtshauskultur im Lande verloren.
Ferienwohnungen: „Mir goht’s gar it guat“, klagt Angelika Soyer, Vorsitzende des Vereins „Mir Allgäuer – Urlaub auf dem Bauernhof“und eigentlich eine richtige Frohnatur. Die jüngsten Beschlüsse seien eine Riesenenttäuschung, sagt die Oberallgäuerin. Denn bis zum Schluss hätten sie und ihre Kolleginnen gehofft, in den Osterferien Urlaubsgäste empfangen zu können. Das Auftragsbuch sei voll. Nun muss Angelika Soyer aber alles stornieren. „Ich habe eine richtige Wut im Bauch. Wir bezahlen diesen Lockdown.“Dabei könnten gerade in Ferienwohnungen die Familien unter sich bleiben. Die Infektionsgefahr sei gleich null.
Politik: „Ich sehe die steigenden Zahlen, aber einige Maßnahmen erschließen sich nicht mehr“, sagt Dr. Sabine Rödel, Bürgermeisterin von Bad Hindelang. In ihren Augen wäre es ein gutes Signal, zumindest Urlaub in Ferienwohnungen mit Hygienekonzept zu erlauben. Der Schwangauer Bürgermeister Stefan Rinke (CSU) bedauert, dass Wirte und Hoteliers nicht öffnen dürfen, verweist aber auch auf das Infektionsgeschehen. Die Gemeinde stelle sich über Ostern auf viele Tagesausflügler ein. „Wir versuchen die Infrastruktur so gut es geht vorzubereiten.“Beispielsweise stelle die Gemeinde mobile Toiletten auf. „Das Wichtigste ist jetzt testen, testen, testen und impfen, impfen, impfen“, sagt Füssens Bürgermeister Maximilian Eichstetter (CSU).
Kirchen : Ludwig Waldmüller, katholischer Dekan in Memmingen, war überrascht von der Bitte, dass Gottesdienste nur virtuell stattfinden sollen: „Damit hat keiner gerechnet.“Es sei wichtig, die Corona-Situation in den Griff zu bekommen, jedoch sei gerade Ostern der Höhepunkt des Kirchenjahres. Der Augsburger Bischof Bertram Meier setzt auf den Dialog zwischen Regierung und Kirche und hofft laut einer Pressemitteilung, dass letztlich öffentliche Präsenzgottesdienste mit strengen Auflagen möglich sind. Auch die evangelische Kirche zeigte sich vom Vorgehen der Politik überrascht.
Kliniken: „Ich verstehe, dass jeder sich Öffnungen wünscht, aber aus medizinischer Sicht gibt es keinen Zweifel, dass der Lockdown erforderlich ist“, sagt Dr. Marcus Koller, Ärztlicher Direktor am Klinikum von Kaufbeuren. „Die dritte Welle ist im Krankenhaus angekommen.“Nach einer relativ entspannten Phase vor wenigen Wochen stiegen die CoronaFallzahlen im Klinikum erneut an. „Wir kehren in den Krisenmodus zurück.“Die Covid-Bereiche in Kaufbeuren würden wieder ausgeweitet. Anders als in der ersten und zweiten Welle seien es aber nicht mehr vorwiegend Corona-Patienten aus Seniorenund Pflegeheimen, die im Krankenhaus behandelt werden, sondern vermehrt Menschen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren.
„Die Impfungen zeigen also offenbar einen Effekt, aber jetzt sind jüngere Menschen betroffen.“Das kann laut Koller auch mit der britischen Mutation zusammenhängen.