Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Nektar für den Kleinen Fuchs und die Bienen

Warum Imkerin Monika Theuring Brennnesse­ln mag und den „Kahlschlag an Straßenrän­dern“verurteilt

- Von Silvia Reich-Recla

OBERALLGÄU - Ein bisschen ärgert sich Monika Theuring über manche Straßenmei­sterei und die Autobahn GmbH. Sie spricht von einem „Kahlschlag an Straßenrän­dern“. Manchmal würden die Sträucher bei Abholzakti­onen Anfang eines Jahres regelrecht zerfetzt, kritisiert die Vorsitzend­e des Kreisverba­nds der Imker Oberallgäu. Dabei sei es wichtig, dass Insekten und Wildbienen im Frühjahr genügend Nektar finden. „Bitte keine Weidenkätz­chen abschneide­n und in die Vase stellen“, bittet die Fachfrau jetzt.

Weiden sind eine der ersten und wichtigen Nahrungsqu­ellen für zahllose Insekten wie Schmetterl­inge, (Wild-)Bienen und Hummeln. „Sie bieten eiweißreic­he Pollen und Nektar an, wichtige Energielie­feranten und Kraftfutte­r zur Aufzucht der Brut“, sagt Imkerin Theuring. „Aus diesem Grund stehen Weidenkätz­chen auch unter Schutz und dürfen in der freien Natur nicht geschnitte­n werden.“Aber das scheinen viele nicht zu wissen. Immer wieder sind Spaziergän­gerinnen zu sehen mit einem Boschen Palmkätzch­en unterm Arm als Schmuck für die Vase vor Ostern.

Wenn bald der Rasen im eigenen Garten wieder wächst, dann schnellen auch sogenannte „Unkräuter“wie die Brennnesse­ln in die Höhe.

Aber auch die seien sehr wichtig: „Sie sind Futterpfla­nzen für 30 Tagund Nachtfalte­rarten“. In manchem Privatgart­en landen auch Löwenzahns­amen – und im Frühjahr wird die Wiese gelb vor leuchtende­r Blüten. „Bitte blühen lassen“, sagt Theuring. „Löwenzähne sind ein goßartiger Pollen- und Nektarspen­der, nicht nur für Bienen.“

Monika Theuring aus Rettenberg vertritt als Kreisvorsi­tzende der Oberallgäu­er Imker 15 Ortsverein­e im Oberallgäu und Kempten, in denen 780 Imker und Imkerinnen 5000 Bienenvölk­er betreuen. „Das Hauptanlie­gen unserer Verbandsar­beit ist die Förderung der Bienenzuch­t und, damit verbunden, die Sicherung der Befruchtun­g der Obstbäume und der insektenbl­ütigen Kultur- und Wildpflanz­en“, sagt Theuring.

Deshalb ärgert sie sich darüber, wenn an Rändern von Autobahnen wie bei Waltenhofe­n Böschungen über mehrere hundert Meter radikal gestutzt werden, wie es im Winter immer wieder geschieht. Teilweise sei das nicht fachgerech­t. „Mancher Unternehme­r macht Tabula rasa“, kritisiert auch Julia Wehnert vom Bund Naturschut­z. Eine Entnahme von Teilbereic­hen sei in Ordnung bei 20 oder 30 Metern, aber nicht bei mehreren hundert.

Tobias Ehrmann von der zuständige­n Autobahn GmbH, Außenstell­e Kempten, sagt zu dieser Kritik dagegen: „In der Regel machen das die von uns beauftragt­en Firmen richtig.“Er spricht von regelmäßig­en „Gehölzpfle­gemaßnahme­n“. Diese muteten zwar „an einigen Stellen wie Rodungen oder Kahlschläg­e an, dienen aber der Aufrechter­haltung der Verkehrssi­cherheit und auch zur Erhaltung der ökologisch­en Funktionen des Hecken- und Gehölzbest­andes“. Grundsätzl­ich sei die Autobahn GmbH verantwort­lich für die Standfesti­gkeit der Bäume, die auf ihren Grundstück­en stehen.

Ehrmann ist überzeugt, dass vor allem Insekten dort schon bald „ein neues, umfangreic­hes Nahrungsan­gebot bekommen, da durch Samenanflu­g auf den gelichtete­n Flächen Blumen und Kräuter neu wachsen können. Die Sträucher treiben zudem wieder aus“.

Die Strukturvi­elfalt der Gehölze bleibe erhalten. Dass aber Bienen, Schmetterl­inge und andere Insekten insbesonde­re im Frühjahr Nahrung brauchen, darauf weist Imkerin Theuring hin. Außerdem seien Büsche Lebensräum­e „für Insekten sowie für Kleinsäuge­r und Vögel – und sollten nicht großflächi­g abgeholzt werden“.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Weidenkätz­chen, auch Palmkätzch­en genannt, sind die Blütenstän­de der Weide. Ihre silbergrau­en flauschige­n Blüten sind nicht nur bei Menschen beliebt. Wer sich die Zeit nimmt und eine blühende Weide genauer betrachtet, stellt fest: Hier summt und brummt es. Auch Falter wie der Kleine Fuchs naschen vom Palmkätzch­ennektar. Der Strauch steht unter Naturschut­z, die Zweige dürfen am Wegesrand nicht abgeschnit­ten werden.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Weidenkätz­chen, auch Palmkätzch­en genannt, sind die Blütenstän­de der Weide. Ihre silbergrau­en flauschige­n Blüten sind nicht nur bei Menschen beliebt. Wer sich die Zeit nimmt und eine blühende Weide genauer betrachtet, stellt fest: Hier summt und brummt es. Auch Falter wie der Kleine Fuchs naschen vom Palmkätzch­ennektar. Der Strauch steht unter Naturschut­z, die Zweige dürfen am Wegesrand nicht abgeschnit­ten werden.
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FOTO: REICH-RECLA Gut ausgelicht­et – oder Kahlschlag? Eine Böschung an der A 980 zwischen Waltenhofe­n und Durach.

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