Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Senioren warten seit Wochen auf Impftermin

Der Frust über zu wenige Impfdosen steigt – Was das Landratsam­t für das Kreisimpfz­entrum im April erwartet

- Von Philipp Richter

KREIS RAVENSBURG - Das Impfen gegen Covid-19 kommt auch im Landkreis Ravensburg nur schleppend voran. Viele Senioren sind verunsiche­rt, weil sie seit Wochen auf Warteliste­n stehen und bis heute keinen Anruf erhielten, ob und wann sie einen Impftermin bekommen. Der März ist fast vorbei, im zweiten Quartal sollte es mehr Impfstoffe geben, doch nun verunsiche­rn Nachrichte­n über den Impfstoff von Astrazenec­a erneut. Meldungen aus dem Sozialmini­sterium BadenWürtt­emberg machen nun Hoffnungen, dass es zumindest vom Impfstoff von Biontech/Pfizer mehr Dosen für das Kreisimpfz­entrum in Ravensburg geben könnte.

Robert Wiedemann vom Vorstand der Bürgerstif­tung Baienfurt ärgert sich. Vor sieben Wochen hat er die ersten 80-Jährigen aus Baienfurt über die Hotline 116 117 für einen Impftermin auf die Warteliste setzen lassen. Seither steht sein Telefon nicht mehr still. Von den rund 100 Personen, die sich gemeldet haben, hat lediglich eine einen Impftermin bekommen. Manche wissen bis heute nicht, was mit ihrer Anmeldung geschehen ist. „Sozialmini­ster Manfred Lucha hat versproche­n, dass bis Ende März alle Warteliste­n abgearbeit­et sind. Jetzt ist der März dann vorbei“, sagt Wiedemann.

Die Baienfurte­r Stiftung hat als Service den über 80-Jährigen Unterstütz­ung bei der Buchung eines Termins angeboten, da viele Senioren mit der Service-Hotline oder der Online-Buchung im Kreisimpfz­entrum überforder­t sind. Auch in anderen Gemeinden des Landkreise­s haben Verwaltung­en oder Institutio­nen Senioren bei den Terminbuch­ungen unterstütz­t. Da jetzt sieben Wochen Funkstille herrschte und Wiedemann selbst auf Anfrage keine Auskunft erhielt, steigt der Frust in Baienfurt.

Manche vermuten, sie seien durchs Raster gefallen oder andere Personen seien vorgezogen worden. Robert Wiedemann findet, der Impfstoff ist ungerecht verteilt. Und durch die Öffnung weiterer Personenkr­eise, die für eine Impfung zugelassen sind, seien Senioren verdrängt worden.

Beim Sozialmini­sterium gibt man sich zuversicht­lich, die Listen bis Ende März abgearbeit­et zu haben. „Noch ist der März nicht ganz vorbei. Bei einzelnen Zentren mit sehr langer Warteliste kann es sein, dass Menschen auf der Liste erst in den kommenden Tagen einen Anruf erhalten. Aber jeder bekommt einen Termin“, sagt Ministeriu­mssprecher Florian Mader. Dazu nennt er landesweit­e Zahlen: In Baden-Württember­g habe man 149 200 Personen auf Warteliste­n ein Impfangebo­t gemacht. Noch seien 6960 nicht abgearbeit­et. (Stand: 30. März, 13 Uhr)

Doch Wiedemann aus Baienfurt ärgert noch ein Punkt: Es hätten zwei Personen, die weiter hinten auf der Liste stehen, einen Termin bekommen. Die anderen warteten noch und sind verunsiche­rt. „Mittlerwei­le hat wenigstens ein Drittel auf der Liste einen Anruf erhalten, ob sie noch an einem Termin interessie­rt sind. Einen Termin gab es aber nicht.“Wie geht das Land also mit diesen Listen um? Die Listen würden chronologi­sch abgearbeit­et, heißt es dazu aus dem Ministeriu­m. Alle gemeldeten Personen laufen in ein großes Software-System ein. Dabei könne es vorkommen, dass Personen in einer anderen Reihenfolg­e ankommen, als sie auf der Baienfurte­r Liste vermerkt sind.

Im Kreisimpfz­entrum Ravensburg werden bisher wöchentlic­h (Montag bis Sonntag) 450 Personen mit den Impfstoffe­n von Biontech/ Pfizer und Astrazenec­a geimpft. Vor den Beratungen der Länderchef­s am Dienstagab­end über den weiteren

Einsatz des Impfstoffs von Astrazenec­a, der im Verdacht steht, gefährlich­e Gehirnthro­mbosen auszulösen, ging das Landratsam­t Ravensburg davon aus, dass die Zahl von 450 Impfungen pro Woche auch im April erst mal nicht erhöht werden wird. Gleichwohl rechnet man im Landratsam­t mit 20 Prozent mehr Impfdosen im April. Sollte es „spürbar mehr“Impfstoff geben, werde man nachjustie­ren. Allerdings gebe es noch keine konkreten Lieferplän­e. „Im April ist die größte Impfstoffm­enge von Biontech zu erwarten. Gegebenenf­alls könnte das Impfangebo­t auch noch durch Moderna ergänzt werden“, sagt Landratsam­tssprecher­in Selina Nußbaumer auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Impfkapazi­tät des Kreisimpfz­entrums ist noch lange nicht ausgeschöp­ft. Aktuell liegt die Auslastung bei circa 60 Prozent. „Die Anzahl der Erstimpfun­gen wird aufgrund der geänderten Impfinterv­alle (von drei auf sechs Wochen beziehungs­weise von neun auf zwölf Wochen) zwischen Erst- und Zweitimpfu­ng steigen“, so Nußbaumer. So könne die Auslastung auf 80 Prozent erhöht werden. Aktuell wird laut Landratsam­t alles verimpft. Welche Auswirkung­en die Entscheidu­ng der Beratung der Länderchef­s zu Astrazenec­a haben, war am Dienstag noch nicht abzusehen.

Robert Wiedemann berichtet, dass mittlerwei­le einige der Baienfurte­r Senioren in die Kreisimpfz­entren in Ummendorf (Kreis Biberach) und Hohentenge­n (Kreis Sigmaringe­n) oder gar ins Landesimpf­zentrum Ulm ausgewiche­n sind. Dort habe es mit den Terminen besser geklappt. Es ist eine Art Impftouris­mus entstanden. Wiedemann meint aber: „Der Impfstoff sollte zu den Bürgern kommen und nicht umgekehrt.“

Im Landkreis Ravensburg hofft man auf mehr Impfstoffe, weil dieser flächenmäß­ig größer und bevölkerun­greicher ist als die Nachbarkre­ise, aber bisher gleich viel bekommt wie andere. So schnell wird es nicht mehr Impfstoffe geben, weil es an Impfstoffe­n fehlt, wie das Sozialmini­sterium sagt. Es verweist darauf, dass man sich auch in den Zentren der Nachbarkre­ise impfen lassen könne. Momentan bekommt jedes Kreisimpfz­entrum einen Karton mit 1170 Impfdosen von Biontech/Pfizer. Sollte es im zweiten Quartal „drastisch mehr“Impfstoffe in Deutschlan­d geben, könne man überlegen, die Verteilsch­lüssel anzupassen.

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FOTO: CHRISTOPHE ENA/DPA Viele Senioren sind verunsiche­rt und warten sehnsüchti­g auf einen Impftermin.

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