Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Senioren warten seit Wochen auf Impftermin
Der Frust über zu wenige Impfdosen steigt – Was das Landratsamt für das Kreisimpfzentrum im April erwartet
KREIS RAVENSBURG - Das Impfen gegen Covid-19 kommt auch im Landkreis Ravensburg nur schleppend voran. Viele Senioren sind verunsichert, weil sie seit Wochen auf Wartelisten stehen und bis heute keinen Anruf erhielten, ob und wann sie einen Impftermin bekommen. Der März ist fast vorbei, im zweiten Quartal sollte es mehr Impfstoffe geben, doch nun verunsichern Nachrichten über den Impfstoff von Astrazeneca erneut. Meldungen aus dem Sozialministerium BadenWürttemberg machen nun Hoffnungen, dass es zumindest vom Impfstoff von Biontech/Pfizer mehr Dosen für das Kreisimpfzentrum in Ravensburg geben könnte.
Robert Wiedemann vom Vorstand der Bürgerstiftung Baienfurt ärgert sich. Vor sieben Wochen hat er die ersten 80-Jährigen aus Baienfurt über die Hotline 116 117 für einen Impftermin auf die Warteliste setzen lassen. Seither steht sein Telefon nicht mehr still. Von den rund 100 Personen, die sich gemeldet haben, hat lediglich eine einen Impftermin bekommen. Manche wissen bis heute nicht, was mit ihrer Anmeldung geschehen ist. „Sozialminister Manfred Lucha hat versprochen, dass bis Ende März alle Wartelisten abgearbeitet sind. Jetzt ist der März dann vorbei“, sagt Wiedemann.
Die Baienfurter Stiftung hat als Service den über 80-Jährigen Unterstützung bei der Buchung eines Termins angeboten, da viele Senioren mit der Service-Hotline oder der Online-Buchung im Kreisimpfzentrum überfordert sind. Auch in anderen Gemeinden des Landkreises haben Verwaltungen oder Institutionen Senioren bei den Terminbuchungen unterstützt. Da jetzt sieben Wochen Funkstille herrschte und Wiedemann selbst auf Anfrage keine Auskunft erhielt, steigt der Frust in Baienfurt.
Manche vermuten, sie seien durchs Raster gefallen oder andere Personen seien vorgezogen worden. Robert Wiedemann findet, der Impfstoff ist ungerecht verteilt. Und durch die Öffnung weiterer Personenkreise, die für eine Impfung zugelassen sind, seien Senioren verdrängt worden.
Beim Sozialministerium gibt man sich zuversichtlich, die Listen bis Ende März abgearbeitet zu haben. „Noch ist der März nicht ganz vorbei. Bei einzelnen Zentren mit sehr langer Warteliste kann es sein, dass Menschen auf der Liste erst in den kommenden Tagen einen Anruf erhalten. Aber jeder bekommt einen Termin“, sagt Ministeriumssprecher Florian Mader. Dazu nennt er landesweite Zahlen: In Baden-Württemberg habe man 149 200 Personen auf Wartelisten ein Impfangebot gemacht. Noch seien 6960 nicht abgearbeitet. (Stand: 30. März, 13 Uhr)
Doch Wiedemann aus Baienfurt ärgert noch ein Punkt: Es hätten zwei Personen, die weiter hinten auf der Liste stehen, einen Termin bekommen. Die anderen warteten noch und sind verunsichert. „Mittlerweile hat wenigstens ein Drittel auf der Liste einen Anruf erhalten, ob sie noch an einem Termin interessiert sind. Einen Termin gab es aber nicht.“Wie geht das Land also mit diesen Listen um? Die Listen würden chronologisch abgearbeitet, heißt es dazu aus dem Ministerium. Alle gemeldeten Personen laufen in ein großes Software-System ein. Dabei könne es vorkommen, dass Personen in einer anderen Reihenfolge ankommen, als sie auf der Baienfurter Liste vermerkt sind.
Im Kreisimpfzentrum Ravensburg werden bisher wöchentlich (Montag bis Sonntag) 450 Personen mit den Impfstoffen von Biontech/ Pfizer und Astrazeneca geimpft. Vor den Beratungen der Länderchefs am Dienstagabend über den weiteren
Einsatz des Impfstoffs von Astrazeneca, der im Verdacht steht, gefährliche Gehirnthrombosen auszulösen, ging das Landratsamt Ravensburg davon aus, dass die Zahl von 450 Impfungen pro Woche auch im April erst mal nicht erhöht werden wird. Gleichwohl rechnet man im Landratsamt mit 20 Prozent mehr Impfdosen im April. Sollte es „spürbar mehr“Impfstoff geben, werde man nachjustieren. Allerdings gebe es noch keine konkreten Lieferpläne. „Im April ist die größte Impfstoffmenge von Biontech zu erwarten. Gegebenenfalls könnte das Impfangebot auch noch durch Moderna ergänzt werden“, sagt Landratsamtssprecherin Selina Nußbaumer auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Impfkapazität des Kreisimpfzentrums ist noch lange nicht ausgeschöpft. Aktuell liegt die Auslastung bei circa 60 Prozent. „Die Anzahl der Erstimpfungen wird aufgrund der geänderten Impfintervalle (von drei auf sechs Wochen beziehungsweise von neun auf zwölf Wochen) zwischen Erst- und Zweitimpfung steigen“, so Nußbaumer. So könne die Auslastung auf 80 Prozent erhöht werden. Aktuell wird laut Landratsamt alles verimpft. Welche Auswirkungen die Entscheidung der Beratung der Länderchefs zu Astrazeneca haben, war am Dienstag noch nicht abzusehen.
Robert Wiedemann berichtet, dass mittlerweile einige der Baienfurter Senioren in die Kreisimpfzentren in Ummendorf (Kreis Biberach) und Hohentengen (Kreis Sigmaringen) oder gar ins Landesimpfzentrum Ulm ausgewichen sind. Dort habe es mit den Terminen besser geklappt. Es ist eine Art Impftourismus entstanden. Wiedemann meint aber: „Der Impfstoff sollte zu den Bürgern kommen und nicht umgekehrt.“
Im Landkreis Ravensburg hofft man auf mehr Impfstoffe, weil dieser flächenmäßig größer und bevölkerungreicher ist als die Nachbarkreise, aber bisher gleich viel bekommt wie andere. So schnell wird es nicht mehr Impfstoffe geben, weil es an Impfstoffen fehlt, wie das Sozialministerium sagt. Es verweist darauf, dass man sich auch in den Zentren der Nachbarkreise impfen lassen könne. Momentan bekommt jedes Kreisimpfzentrum einen Karton mit 1170 Impfdosen von Biontech/Pfizer. Sollte es im zweiten Quartal „drastisch mehr“Impfstoffe in Deutschland geben, könne man überlegen, die Verteilschlüssel anzupassen.