Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Total gerührt“von der Anteilnahme
In Wertach und in Kranzegg erfahren Brandopfer eine Welle der Hilfsbereitschaft
OBERALLGÄU - Für viel Aufsehen sorgte vor einigen Wochen der Brand eines Bauernhofes in Kranzegg. 50 Rinder kamen im Feuer ums Leben, der Stall wurde ein Raub der Flammen. In Wertach brannte vor einigen Tagen der Dachstuhl einer Ferienstätte frühmorgens lichterloh. Glücklicherweise waren keine Gäste da. Die Bewohner konnten sich retten. Schaden in beiden Fällen jeweils über 800 000 Euro. Beide Familien sind in all ihrer Not aber „total gerührt“von der großen Anteilnahme und der Unterstützung der Bevölkerung vor Ort.
In Rettenberg backte Alex Franz von der Bäckerei Neher beispielsweise eine „Mir-hebed-zam-Breze“. Die kostet drei Euro und findet „reißenden Absatz“, sagt eine BäckereiMitarbeiterin. Die meisten Kunden würden sogar mehr als drei Euro in das bereitgestellte Sparschwein werfen. Ohne Abzug soll das Geld der betroffenen Bauernfamilie zur Verfügung gestellt werden.
„Es ist der Wahnsinn, so viel Hilfe zu erfahren, das gibt wirklich Kraft“, antwortet die betroffene Bäuerin auf die Frage, wie es der Familie geht. Und als neulich Freunde ihres 16-jährigen Sohnes mit einem Brotzeitkorb und einem Umschlag mit Geldspenden vor der Tür standen, „da hatte nicht nur ich Tränen der Rührung in den Augen“, sagt die Kranzeggerin.
Der Stall wurde Anfang März von den Flammen niedergebrannt und soll in den nächsten Monaten neu aufgebaut werden. Jetzt wird zunächst alles abgetragen. 60 Rinder, die überlebten, sind inzwischen bei anderen Bauern untergebracht. Nicht nur Landwirte, auch Firmen in der Umgebung würden viel Unterstützung bieten. „Das rührt uns wirklich sehr.“
„Das war in den vergangenen Tagen Stress pur, jetzt bin ich nur noch erschöpft“, sagt Natascha Glasow, Betreiberin der niedergebrannten Ferienstätte in Wertach. Auch sie ist baff. „Die große Anteilnahme an unserem Schicksal ist sensationell.“
Sie hatte das alte Gebäude vor knapp 30 Jahren mit Freunden und der Familie liebevoll hergerichtet und zunächst als Feriendomizil für Alleinerziehende genutzt.
Der Hintergrund: Sie selbst hatte damals ein kleines Kind, das sie alleine großzog. Und auch finanziell war sie – zunächst als Studentin der Sozialarbeit – nicht auf Rosen gebettet. Deshalb wollte sie bezahlbaren Urlaub für die bieten, die es sich sonst nicht leisten konnten.
Seit den 90er-Jahren gibt es das Angebot. Dafür hat sie unter anderem den bayerischen Verdienstorden bekommen und einen Preis für Pioniere der Region. Eigentümerin des Hauses aber ist ihre Mutter, die in der Nachbarschaft im ehemaligen Austragshäuschen wohnt (und jetzt ihre Tochter natürlich aufgenommen hat).
„Um das Haus zu finanzieren, hatte meine Mutter damals all ihren Schmuck und Kunstwerke verkauft“. Glasow erinnert sich darin, dass auch sie damals fast jeden Cent in den Ausbau der alten Mühle gesteckt hat. „Und die Lebensmittel für die Gäste kaufte ich anfangs von meinem Erziehungsgeld.“
Der Verein „Wertacher Mühle Sonnenhof“betreibt die FamilienFerienstätte, Rechtsträger ist der Paritätische Wohlfahrtsverband, die
Geschäfte führt Natascha Glasow. Sie sagt: „Das Haus soll wieder aufgebaut werden.“Eine Brandschutzversicherung gibt es. Sie war Pflicht bis 1994. Eine Hausratversicherung hatte Natascha Glasow aber damals (und später) nicht abgeschlossen.
Umso mehr freut sich die 55-Jährige darüber, dass es jetzt, in der Not, so viele Hilfsangebote gibt: Freunde bringen Schuhe, Bauern bieten ihren Traktor samt Hänger an, Bekannte bringen Kosmetika und Kleidung vorbei.
Zwei Zimmer im noch bestehenden Stall – es gibt unter anderem drei Ponys, ein Pferd und Hasen – will Glasow mit Hilfe von Freunden, ihrem Sohn und dessen Kumpels herrichten. Die Zimmer sollen künftig ihre Wohnung samt Büro werden.
Die bisherigen Wohnräume in der Ferienstätte sind ebenfalls niedergebrannt. Von ihrer Kleidung seien vier Hosen und drei Jacken geblieben. Deshalb freut sie sich über die Soforthilfe der „Kartei der Not“. Das Leserhilfswerk unserer Zeitung unterstützt in der Region Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind. 2500 Euro wurden sofort zur Verfügung gestellt. Außerdem stellte das Hilfswerk weitere finanzielle Unterstützung in Aussicht.
Das erleichtert Glasow. Allerdings bleibt ein Wermutstropfen. Die Kripo ermittelte die Brandursache und kam auf eine fahrlässige Brandstiftung. Wohlgemerkt eine fahrlässige. Das bedeutet im Umkehrschluss „eine vorsätzliche Brandstiftung wird ausgeschlossen“, sagt Polizeisprecher Dominic Geißler.
Weil die Kripo noch ermittelt, gibt es vonseiten der Behörde keine weiteren Details. Auch in Kranzegg sei die Brandursache noch nicht definitiv geklärt. Ein Gutachten des Landeskriminalamts steht noch aus, informiert der Polizeisprecher auf Anfrage.
Unterstützung gewährt den Betroffenen der Allgäuer Hilfsfonds. „Die Spenden gehen eins zu eins an die Betroffenen weiter“, sagt Schatzmeister Simon Gehring.