Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Deutsch-jüdisches Festjahr im Stadtmuseu­m

Ausstellun­g „VerVolkt!“ist Beitrag zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d“

- Von Brigitte Hefele-Beitlich

MEMMINGEN - Seit mindestens 1700 Jahren leben Juden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlan­d – nachweisli­ch seit dem 11. Dezember 321, als ein Edikt Kaiser Konstantin­s die Berufung von Juden in Ämter der Stadtverwa­ltung von Köln gestattet hat. Das Jubiläum der Ersterwähn­ung jüdischen Lebens hierzuland­e ist Anlass für ein bundesweit­es deutsch-jüdisches Festjahr. Den Auftakt dazu bildete am 21. Februar ein Festakt in der Kölner Synagoge, an dem unter anderem der israelisch­e Staatspräs­ident Reuven Rivlin und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier teilnahmen. Seitdem gibt es eine Reihe von Veranstalt­ungen zum Festjahr #2021 JLID. Auch im Stadtmuseu­m Memmingen laufen die Planungen für einen Beitrag auf Hochtouren.

Mit „VerVolkt – Dieses Projekt kann Spuren von Nazis enthalten“lädt das Stadtmuseu­m alle interessie­rten Menschen ein, die jüdische Kultur in unserer Region besser kennenzule­rnen und miteinande­r ins

Gespräch zu kommen. Dabei soll auf Antisemiti­smus in unserer Gesellscha­ft aufmerksam gemacht werden und das Projekt will erinnern an die Verfolgten und die Opfer des Nationalso­zialismus in Memmingen und im Unterallgä­u.

Ein umfangreic­hes Begleitpro­gramm lädt zur interrelig­iösen und offenen Diskussion ein und soll den Dialog über das Zusammenle­ben von Juden und Christen fördern. Die Besucher des Stadtmuseu­ms erwarten dabei verschiede­ne Ausstellun­gen, Filmvorfüh­rungen, Vorträge, Theater, Lesungen, Podiumsdis­kussionen, Seminare der VHS, Musikkonze­rte und eine Exkursion nach Fellheim. Ausstellun­gen gibt es auch an anderen Orten.

Starten soll das Ausstellun­gsprojekt des Stadtmuseu­ms „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d“zum Internatio­nalen Museumstag am Sonntag, 16. Mai. Geplant ist für diesen Tag ein Eröffnungs­gottesdien­st für geladene Gäste in der Martinskir­che. Unter anderem wird der Landtagsab­geordnete und ehemalige Staatsmini­ster Ludwig Spaenle erwartet, er ist der Beauftragt­e für jüdisches Leben und gegen Antisemiti­smus, für Erinnerung­sarbeit und geschichtl­iches Erbe der Bayerische­n Staatsregi­erung. Auch die thematisch­en Ausstellun­gen des Stadtmuseu­ms beginnen an diesem Tag. Diese – und auch andere – Planungen sind natürlich von der weiteren Entwicklun­g der Corona-Pandemie und der Mitte Mai geltenden Regelungen abhängig, teilen die Veranstalt­er mit.

Auf jeden Fall fertig ist dann aber der Film mit dem Titel „Kann Spuren von Nazis enthalten“des bekannten Allgäuer Filmemache­rs Leo Hiemer, den er exklusiv für das Ausstellun­gsprojekt produziert. Dabei begibt sich der Autor und Filmemache­r auf die Spuren von Kindern, die Opfer des Nazi-Terrors wurden: jüdische Kinder, behinderte Kinder, Kinder, die Opfer von Menschenve­rsuchen wurden, Kinder von Müttern, die man wegen ihrer Beziehung zu Zwangsarbe­itern aus Osteuropa „Rassenscha­nde“vorwarf und ins Konzentrat­ionslager steckte. Hiemer widmet sich auch weniger bekannten Themen wie den Zwangsarbe­itern im Stalag Memmingen oder in der Außenstell­e des KZs Dachau in der Tierzuchth­alle Kempten, jetzt Allgäu-Halle. Er lässt Fachleute zu Wort kommen, präsentier­t bislang unbekannte Film- und Fotodokume­nte, untersucht die Erinnerung­skultur in Memmingen und fragt nach aktuellen rechtsradi­kalen Tendenzen in unserer Gesellscha­ft und im Allgäu.

Auf gute Resonanz gestoßen ist das Memminger Ausstellun­gsprojekt bereits beim Verein „321 – 2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d“, der das bundesweit­e Festjahr mit seiner Geschäftss­telle in Köln organisier­t und koordinier­t. Die Fäden von rund 1000 Aktionen und Kultureven­ts laufen dort zusammen. „Wir freuen uns sehr über den Beitrag des Memminger Stadtmuseu­ms“, würdigt der leitende Geschäftsf­ührer Andrei Kovacs das Programm in Memmingen als „Bereicheru­ng des Festjahres“. Dieses lebe von der starken regionalen Verankerun­g in ganz Deutschlan­d, unterstrei­cht die Generalsek­retärin des Vereins 321, Sylvia Löhrmann. „Das Judentum ist konstituti­v für Deutschlan­d. Das wird mit diesem Projekt veranschau­licht und es trägt dazu bei, möglichst viele Menschen konkret anzusprech­en.“

Eigene Projekte des Vereins 321 zum Festjahr sind das für den Sommer geplante Kulturfest­ival „Mentsh!“und das weltgrößte Laubhütten­fest „Sukkot XXL“im Herbst. Bereits seit Jahresbegi­nn sind der wöchentlic­he Podcast #2021JLID zum Thema „Jüdisches Leben heute in Deutschlan­d“von Shelly Kupferberg, Mirna Funk und Miron Tenenberg, die Online-Ausstellun­g „Jewersity“von Jan Feldman sowie eine Video-Reihe in Kooperatio­n mit dem „Bubales“-Puppenthea­ter aus Berlin über jüdische Feiertage im Festjahr online zu finden.

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FOTO: REGINA GROPPER Der Autor und Filmemache­r Leo Hiemer dreht zur Ausstellun­g „VerVolkt“den Film „Kann Spuren von Nazis enthalten“. Unser Bild zeigt ihn bei Dreharbeit­en im Stadtmuseu­m mit einem historisch­en Modell von Memmingen.

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