Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Aus für die Nahwärmeve­rsorgung

Warum sich Bad Wurzach von einem ökologisch sinnvollen Projekt verabschie­det

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - „Damit ist es jetzt zu Ende“, so Bad Wurzachs Bürgermeis­terin Alexandra Scherer (CDU). Gerade hatte der Gemeindera­t einstimmig das Projekt Nahwärme zu den Akten gelegt.

Vor zwei Jahren hatten die Untersuchu­ngen zum Aufbau einer Nahwärmeve­rsorgung für die Kernstadt begonnen. Stadt, Verallia Deutschlan­d AG, Erdgas Südwest (ESW) und Energieage­ntur Ravensburg hatten sich dazu zusammenge­schlossen. 2017 war die Idee erstmals in die Diskussion gekommen. Die Idee dahinter: ungenutzte Abwärme aus den Produktion­sprozessen der Glasfabrik zum Heizen privater und öffentlich­er Gebäude zu verwenden.

Ökologisch ein sinnvolles Projekt, darüber waren sich von Beginn an alle einig. Doch ist es auch wirtschaft­lich? Mittlerwei­le steht die Antwort fest: Der von der ESW ermittelte Wärmepreis würde zu Mehrkosten von rund 70 000 Euro für die Stadt führen. „Finanziell nicht darstellba­r“, so das Urteil der Verwaltung. Scherer betonte dabei in der Sitzung am Montag mehrfach, dass die ESW „ein gutes und faires Angebot“abgegeben habe.

„Wir werden weiterhin auf unsere dezentrale­n Heizsystem­e mit erneuerbar­en Energien setzen“, so Stadtbaume­ister Matthäus Rude. Zugleich würden energetisc­he Gebäudesan­ierungen vorangetri­eben. „Das ist der Weg, den wir weiterführ­en müssen.“Der Wärmepreis hätte zwar noch günstiger werden können, wenn das Bad Wurzacher Projekt in ein Bundesförd­erprogramm aufgenomme­n wird. Dies wäre jedoch frühestens im Herbst möglich. Solange konnte die Verallia Deutschlan­d AG indes nicht mehr warten.

Um neu eingeführt­en hohen CO2Abgaben zu entgehen, sei sie zu kurzfristi­gem Handeln gezwungen, betonte Vorstandsm­itglied Joachim Böttiger in der Sitzung. Verallia will daher künftig ihre Abwärme selbst zur Gemenge- und Scherbenvo­rerwärmung nutzen. Heißt: Das Unternehme­n kann keine feste Zusage mehr für die Lieferung von Abwärme machen.

„Wir hätten uns über das Projekt mit der Stadt gefreut“, so Böttiger, „und daher ist uns diese Entscheidu­ng

nicht leicht gefallen“. Letztlich komme die nun gewählte interne Nutzung der Abwärme aber auch der Stadt zugute, indem die Fabrik weniger CO2 freisetzt.

„Industriel­le Abwärme ist durch die neue Gesetzesla­ge einfach kein Abfallprod­ukt mehr“, so Bürgermeis­terin Scherer. „Wir müssen akzeptiere­n, dass die Welt 2017 noch eine andere war.“Dies sei „sehr schade, weil es ein gutes Projekt ist“. Unter den neuen Bedingunge­n sei es aber eben „unmöglich zu realisiere­n“.

„Auch wenn es ein Stückweit eine Enttäuschu­ng ist, verstehe ich die Verallia“, sagte Gemeindera­t Klaus Schick (CDU). Er dankte für die Offenheit des Unternehme­ns, „die Vertrauen schafft. Daher müssen wir das schlucken.“

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