Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Aus für die Nahwärmeversorgung
Warum sich Bad Wurzach von einem ökologisch sinnvollen Projekt verabschiedet
BAD WURZACH - „Damit ist es jetzt zu Ende“, so Bad Wurzachs Bürgermeisterin Alexandra Scherer (CDU). Gerade hatte der Gemeinderat einstimmig das Projekt Nahwärme zu den Akten gelegt.
Vor zwei Jahren hatten die Untersuchungen zum Aufbau einer Nahwärmeversorgung für die Kernstadt begonnen. Stadt, Verallia Deutschland AG, Erdgas Südwest (ESW) und Energieagentur Ravensburg hatten sich dazu zusammengeschlossen. 2017 war die Idee erstmals in die Diskussion gekommen. Die Idee dahinter: ungenutzte Abwärme aus den Produktionsprozessen der Glasfabrik zum Heizen privater und öffentlicher Gebäude zu verwenden.
Ökologisch ein sinnvolles Projekt, darüber waren sich von Beginn an alle einig. Doch ist es auch wirtschaftlich? Mittlerweile steht die Antwort fest: Der von der ESW ermittelte Wärmepreis würde zu Mehrkosten von rund 70 000 Euro für die Stadt führen. „Finanziell nicht darstellbar“, so das Urteil der Verwaltung. Scherer betonte dabei in der Sitzung am Montag mehrfach, dass die ESW „ein gutes und faires Angebot“abgegeben habe.
„Wir werden weiterhin auf unsere dezentralen Heizsysteme mit erneuerbaren Energien setzen“, so Stadtbaumeister Matthäus Rude. Zugleich würden energetische Gebäudesanierungen vorangetrieben. „Das ist der Weg, den wir weiterführen müssen.“Der Wärmepreis hätte zwar noch günstiger werden können, wenn das Bad Wurzacher Projekt in ein Bundesförderprogramm aufgenommen wird. Dies wäre jedoch frühestens im Herbst möglich. Solange konnte die Verallia Deutschland AG indes nicht mehr warten.
Um neu eingeführten hohen CO2Abgaben zu entgehen, sei sie zu kurzfristigem Handeln gezwungen, betonte Vorstandsmitglied Joachim Böttiger in der Sitzung. Verallia will daher künftig ihre Abwärme selbst zur Gemenge- und Scherbenvorerwärmung nutzen. Heißt: Das Unternehmen kann keine feste Zusage mehr für die Lieferung von Abwärme machen.
„Wir hätten uns über das Projekt mit der Stadt gefreut“, so Böttiger, „und daher ist uns diese Entscheidung
nicht leicht gefallen“. Letztlich komme die nun gewählte interne Nutzung der Abwärme aber auch der Stadt zugute, indem die Fabrik weniger CO2 freisetzt.
„Industrielle Abwärme ist durch die neue Gesetzeslage einfach kein Abfallprodukt mehr“, so Bürgermeisterin Scherer. „Wir müssen akzeptieren, dass die Welt 2017 noch eine andere war.“Dies sei „sehr schade, weil es ein gutes Projekt ist“. Unter den neuen Bedingungen sei es aber eben „unmöglich zu realisieren“.
„Auch wenn es ein Stückweit eine Enttäuschung ist, verstehe ich die Verallia“, sagte Gemeinderat Klaus Schick (CDU). Er dankte für die Offenheit des Unternehmens, „die Vertrauen schafft. Daher müssen wir das schlucken.“