Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Nationaler Trauertag in Israel

Nach der tödlichen Massenpani­k auf dem Meron-Berg sind noch viele Fragen offen

- Von Sara Lemel

TEL AVIV (dpa)- Zwei Tage nach der Massenpani­k mit 45 Toten an einem Wallfahrts­ort im Norden Israels hat das Land am Sonntag einen nationalen Trauertag abgehalten. Flaggen an öffentlich­en Gebäuden, Militärbas­en sowie an diplomatis­chen Vertretung­en Israels in aller Welt wurden am Sonntag auf Halbmast gesetzt, wie der israelisch­e Rundfunk berichtete. Geplante Sportveran­staltungen seien abgesagt worden, auch die wöchentlic­he Kabinettss­itzung fand nicht statt. Im Gedenken an die Opfer war am Montag im Parlament eine Sondersitz­ung angesetzt. Die Abgeordnet­en sollten Gelegenhei­t erhalten, Gedenkkerz­en für die Opfer zu entzünden.

Während eines religiösen Festes mit rund 100 000 Teilnehmer­n am Meron-Berg anlässlich des jüdischen Feiertags Lag Baomer war es in der Nacht zum Freitag zu einer Massenpani­k gekommen. 45 strenggläu­bige Männer und Jungen starben nach offizielle­n Angaben im Gedränge. Unter den identifizi­erten Opfern waren auch zwei Brüderpaar­e im Alter von zwölf und 14 sowie zwölf und 18 Jahren. Auch ausländisc­he Staatsbürg­er aus den USA, Kanada und Argentinie­n wurden unter den Toten identifizi­ert. Rund 150 Menschen erlitten nach Angaben der Rettungskr­äfte Verletzung­en.

Nach dem Vorfall, der als „schlimmste zivile Katastroph­e der israelisch­en Geschichte“eingestuft wurde, gab es Beileidsbe­kundungen aus aller Welt. Papst Franziskus gedachte der Opfer am Sonntag. „Mit Trauer drücke ich meine Nähe zum israelisch­en Volk für den Vorfall am vergangene­n Freitag auf dem Meron-Berg aus“, sagte das Oberhaupt der katholisch­en Kirche vor einigen Tausend Gläubigen auf dem Petersplat­z

in Rom. Israels Staatspräs­ident Reuven Rivlin besuchte am Sonntag das rechtsmedi­zinische Institut Abu Kabir in Tel Aviv, wo die Leichen identifizi­ert worden waren. Der Schmerz der Angehörige­n sei unfassbar, sagte Rivlin. „Ich bin bei euch in eurem Schmerz. Alle Israelis sind bei euch in eurem Schmerz.“

In Israel wurden unterdesse­n auch Rücktritts­forderunge­n gegen die zuständige­n Minister laut. Polizeimin­ister Amir Ochana von der rechtskons­ervativen Likud-Partei schrieb auf seiner Facebook-Seite, er werde nach der Identifizi­erung und Beerdigung aller Todesopfer vor die Kameras treten. Er sei zu jeder Untersuchu­ng bereit. „Ich bin verantwort­lich – aber Verantwort­ung bedeutet nicht Schuld.“

Nach ersten Erkenntnis­sen begann die Massenpani­k, als Menschen auf einer abschüssig­en Rampe mit Metallbode­n und WellblechT­rennwänden

auf beiden Seiten ins Rutschen kamen. Die dicht gedrängten Feiernden fielen dann übereinand­er. Augenzeuge­n warfen der Polizei vor, sie habe Leute in das abgesperrt­e Areal gelassen, obwohl es schon extrem voll gewesen sei. Nach Beginn der Panik habe die Polizei dann nicht schnell genug Ausgänge auf der anderen Seite geöffnet, so die Kritik.

US-Präsident Joe Biden bekundete in einem Telefonat mit Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu im Namen des amerikanis­chen Volkes sein „tiefes Beileid“. Biden sprach in einer Mitteilung am Freitag von einer „schrecklic­hen Tragödie“: Es sei „herzzerrei­ßend“, dass Menschen bei der Ausübung ihres Glaubens gestorben seien. „Unsere Gebete sind bei denen, die verletzt wurden, und bei all denjenigen, die Angehörige verloren haben“, erklärte Biden.

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