Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bei Anruf Lüge
Wangener erkennt Methode von Telefonbetrügern – Wie solche Gespräche ablaufen
- „Hallo, Papa, bist du es?“, fragt die weinerliche Stimme am Telefon – und der Wangener am anderen Ende der Leitung glaubt der jungen Frau, dass es ihr nicht gut geht. Nur ihr Vater, das ist er nicht. Wie sich aller Wahrscheinlichkeit nach eine Trickbetrügerin selbst entlarvte.
An den Tag, an dem er fast Vater einer Tochter wurde, wird sich Edgar Rohmert, der regelmäßig für die „Schwäbische Zeitung“als Berichterstatter unterwegs ist, noch eine Weile erinnern. Es war am Morgen, so erzählt er, als sich eine weinerliche Stimme per Telefon meldet: „Hallo, Papa, bist du es?!“Er schildert den weiteren Verlauf des Telefonats folgendermaßen:
„Ich war überrascht, und fragte: Wer ist denn da? Die Antwort: Ich bin’s doch, deine Tochter!“Rohmert ist irritiert: „Wie? Ich weiß gar nicht, wer Sie sind!?“Sie: „Ja, ich… deine Tochter!“Die junge Frau habe am Telefon geweint, „und ich war überrascht, dass ich plötzlich eine Tochter habe, von der ich bisher noch nichts wusste“. Nur so recht glauben mag er an die Vaterschaft nicht: „Ich habe keine Tochter, liebe Frau“, versichert er ihr, „ich glaube, Sie haben sich verwählt“.
„Es war so echt. Mir hat die junge Frau total leid getan. Mein erster Gedanke war wirklich, die arme Frau hat sich verwählt“, erinnert sich Rohmert an das kurze Gespräch zurück, das die Anruferin nach seinem Einwand, sie habe sich verwählt, selbst abbrach und auflegte. Erst als er zwei Tage später die Zeitung aufschlägt und den Polizeibericht liest, dämmert ihm, wer ihn da wohl angerufen hat.
„Eine Welle von Schockanrufen hat am Mittwoch erneut die Region überrollt. Eine weinerliche Stimme gab am Telefon an, einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht zu haben und nur gegen Kaution einer Inhaftierung zu entgehen“, das teilte die Polizei in der vergangenen Woche mit. Durch „geschickte Gesprächsführung“sei den Angerufenen vorgegaukelt worden, es handle sich um nahe Angehörige.
Erfolg hatten die Betrüger nach Erkenntnissen der Polizei mit der jüngsten Anrufwelle nicht. Doch immer wieder fallen Menschen auf Betrugsversuche am Telefon herein und übergeben Geld. Die Maschen sind dabei unterschiedlich. Neben der Tochter in Not, und dem als „Enkeltrick“bekannten Betrugsversuch als falscher Enkel, haben sich die Täter
auch schon mit falschen Gewinnversprechen, für die eine „Bearbeitungsgebühr“zu entrichten sei, gemeldet, oder sich als Mitarbeiter von Microsoft oder sogar als Polizisten ausgegeben. Am Telefon versuchen sie, ihre Opfer unter Vorwänden und mit erfundenen Geschichten dazu zu bringen, Geld und Wertgegenstände an einen Unbekannten zu übergeben.
„Die Anrufer sind geübt, die betreiben das professionell“, sagt Polizeihauptkommissar Christian Sugg vom Polizeipräsidium in Ravensburg, wenn man ihn fragt, wie es sein kann, dass die Angerufenen den Betrügern die Geschichten abkaufen. „Es sind Personen, die sehr redegewandt sind, auf Einwände auch professionell reagieren und stimmlich und argumentativ etwas bieten können“, erklärt er. Die Täter würden emotionalen Druck aufbauen, etwa mit der angeblichen Schuld, die der Angehörige bei einem tödlichen Autounfall auf sich geladen habe.
Gleichzeitig, so Sugg, werde zeitlich Druck aufgebaut. „Sie versuchen, die Angerufenen zu überrumpeln,
sodass diese keine Zeit haben, zu überdenken, ob das alles so sein kann, oder um jemand anderen anzurufen.“Gerade bei älteren Leuten würde viel wiederholt, auch mögliche Konsequenzen. Die Betrüger würden sich auch als Anrufer offizieller Institutionen ausgeben, um das Vertrauen in deren Seriosität auszunutzen. „Wenn das Opfer dem Täter nicht traut, gibt es oft einen zweiten im Hintergrund, der sich als Vorgesetzter einschaltet, und so vermittelt, es habe alles seine Richtigkeit“, erläutert Sugg einen weiteren Kniff der Gesprächsführung.
Mittlerweile warnt die Polizei auch vor Betrugsversuchen via Handychat. Die Täter nutzen Messengerdienste, um ihre Opfer im Namen von Töchtern, Söhnen oder Enkeln zu Geldüberweisungen zu bewegen. So geschehen etwa am Dienstag dieser Woche. Wie die Polizei mitteilt, wurde ein 59-Jähriger in Argenbühl Opfer von WhatsApp-betrügern. Sie hatten den Mann per Nachricht kontaktiert und sich als dessen Kind mit einer neuen Handynummer ausgegeben. Im Verlauf des
Schriftverkehrs forderten die Unbekannten eine Überweisung eines vierstelligen Eurobetrags auf ein ausländisches Konto. Der Mann überwies das Geld, wurde aber später stutzig und erstattete Anzeige bei der Polizei.
Auf ihrem Internetportal polizeiberatung.de zeigt die Polizei beispielhaft einen möglichen Wortlaut solcher Chats auf: Mit „Hallo Mama, hallo Papa, mein Handy ist kaputt, das ist meine neue Handynummer…“steigen sie in den Chat ein. Im weiteren Verlauf kommt das angebliche (Enkel-) Kind dann mit einer gelogenen Geschichte um die Ecke, etwa, dass auf dem neuen Handy kein Onlinebanking möglich sei. „Könntest du etwas für mich überweisen? Bekommst das Geld morgen direkt zurück.“
Tatsächlich scheinen dieser Tage einige Menschen in der Region solch dubiose Nachrichten zu erhalten. Auch Bernd Treffler kommt die Masche reichlich bekannt vor. Er habe, erzählt der SZ-Redakteur, jüngst eine verdächtige SMS bekommen, sei aber schon allein ob der Tatsache,
dass diese alte Technik von der Jugend heute kaum noch genutzt werde, stutzig geworden. In der SMS stand geschrieben: „Hallo Papa, das ist meine neue Handynummer. Könntest du mir eine WhatsAppnachricht schicken!“Er habe dann unter der bekannten alten Nummer beim Nachwuchs angefragt. „Der hat gleich gesagt: Ich schicke doch keine SMS.“Treffler hat die verdächtige SMS dann einfach ignoriert.
„Vielen ist nicht bewusst, dass die Täter auch an Handynummern gelangen können, nicht nur an die Festnetznummer, die im Telefonbuch steht“, berichtet Polizist Sugg. Betroffene dächten daher, „wenn der meine Handynummer kennt, kann es kein Fremder sein“. Ein Irrtum. Auch über die Chats werde versucht Druck aufzubauen, und dem Angeschriebenen das Gefühl zu vermitteln, antworten und etwas tun zu müssen.
Edgar Rohmert hat seine Anruferin übrigens der Polizei gemeldet, auch wenn nichts weiter passiert ist, „aber damit sie Bescheid wissen, auch wie häufig das ist“. Dass er über
seine Erfahrung spricht, so hofft er, könnte anderen eine Warnung sein. Denn so bitter es klingt, aber: „Eure ,verzweifelten Töchter’ am Telefon könnten Trickbetrüger sein.“