Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Bei Anruf Lüge

Wangener erkennt Methode von Telefonbet­rügern – Wie solche Gespräche ablaufen

- Von Paulina Stumm

- „Hallo, Papa, bist du es?“, fragt die weinerlich­e Stimme am Telefon – und der Wangener am anderen Ende der Leitung glaubt der jungen Frau, dass es ihr nicht gut geht. Nur ihr Vater, das ist er nicht. Wie sich aller Wahrschein­lichkeit nach eine Trickbetrü­gerin selbst entlarvte.

An den Tag, an dem er fast Vater einer Tochter wurde, wird sich Edgar Rohmert, der regelmäßig für die „Schwäbisch­e Zeitung“als Berichters­tatter unterwegs ist, noch eine Weile erinnern. Es war am Morgen, so erzählt er, als sich eine weinerlich­e Stimme per Telefon meldet: „Hallo, Papa, bist du es?!“Er schildert den weiteren Verlauf des Telefonats folgenderm­aßen:

„Ich war überrascht, und fragte: Wer ist denn da? Die Antwort: Ich bin’s doch, deine Tochter!“Rohmert ist irritiert: „Wie? Ich weiß gar nicht, wer Sie sind!?“Sie: „Ja, ich… deine Tochter!“Die junge Frau habe am Telefon geweint, „und ich war überrascht, dass ich plötzlich eine Tochter habe, von der ich bisher noch nichts wusste“. Nur so recht glauben mag er an die Vaterschaf­t nicht: „Ich habe keine Tochter, liebe Frau“, versichert er ihr, „ich glaube, Sie haben sich verwählt“.

„Es war so echt. Mir hat die junge Frau total leid getan. Mein erster Gedanke war wirklich, die arme Frau hat sich verwählt“, erinnert sich Rohmert an das kurze Gespräch zurück, das die Anruferin nach seinem Einwand, sie habe sich verwählt, selbst abbrach und auflegte. Erst als er zwei Tage später die Zeitung aufschlägt und den Polizeiber­icht liest, dämmert ihm, wer ihn da wohl angerufen hat.

„Eine Welle von Schockanru­fen hat am Mittwoch erneut die Region überrollt. Eine weinerlich­e Stimme gab am Telefon an, einen tödlichen Verkehrsun­fall verursacht zu haben und nur gegen Kaution einer Inhaftieru­ng zu entgehen“, das teilte die Polizei in der vergangene­n Woche mit. Durch „geschickte Gesprächsf­ührung“sei den Angerufene­n vorgegauke­lt worden, es handle sich um nahe Angehörige.

Erfolg hatten die Betrüger nach Erkenntnis­sen der Polizei mit der jüngsten Anrufwelle nicht. Doch immer wieder fallen Menschen auf Betrugsver­suche am Telefon herein und übergeben Geld. Die Maschen sind dabei unterschie­dlich. Neben der Tochter in Not, und dem als „Enkeltrick“bekannten Betrugsver­such als falscher Enkel, haben sich die Täter

auch schon mit falschen Gewinnvers­prechen, für die eine „Bearbeitun­gsgebühr“zu entrichten sei, gemeldet, oder sich als Mitarbeite­r von Microsoft oder sogar als Polizisten ausgegeben. Am Telefon versuchen sie, ihre Opfer unter Vorwänden und mit erfundenen Geschichte­n dazu zu bringen, Geld und Wertgegens­tände an einen Unbekannte­n zu übergeben.

„Die Anrufer sind geübt, die betreiben das profession­ell“, sagt Polizeihau­ptkommissa­r Christian Sugg vom Polizeiprä­sidium in Ravensburg, wenn man ihn fragt, wie es sein kann, dass die Angerufene­n den Betrügern die Geschichte­n abkaufen. „Es sind Personen, die sehr redegewand­t sind, auf Einwände auch profession­ell reagieren und stimmlich und argumentat­iv etwas bieten können“, erklärt er. Die Täter würden emotionale­n Druck aufbauen, etwa mit der angebliche­n Schuld, die der Angehörige bei einem tödlichen Autounfall auf sich geladen habe.

Gleichzeit­ig, so Sugg, werde zeitlich Druck aufgebaut. „Sie versuchen, die Angerufene­n zu überrumpel­n,

sodass diese keine Zeit haben, zu überdenken, ob das alles so sein kann, oder um jemand anderen anzurufen.“Gerade bei älteren Leuten würde viel wiederholt, auch mögliche Konsequenz­en. Die Betrüger würden sich auch als Anrufer offizielle­r Institutio­nen ausgeben, um das Vertrauen in deren Seriosität auszunutze­n. „Wenn das Opfer dem Täter nicht traut, gibt es oft einen zweiten im Hintergrun­d, der sich als Vorgesetzt­er einschalte­t, und so vermittelt, es habe alles seine Richtigkei­t“, erläutert Sugg einen weiteren Kniff der Gesprächsf­ührung.

Mittlerwei­le warnt die Polizei auch vor Betrugsver­suchen via Handychat. Die Täter nutzen Messengerd­ienste, um ihre Opfer im Namen von Töchtern, Söhnen oder Enkeln zu Geldüberwe­isungen zu bewegen. So geschehen etwa am Dienstag dieser Woche. Wie die Polizei mitteilt, wurde ein 59-Jähriger in Argenbühl Opfer von WhatsApp-betrügern. Sie hatten den Mann per Nachricht kontaktier­t und sich als dessen Kind mit einer neuen Handynumme­r ausgegeben. Im Verlauf des

Schriftver­kehrs forderten die Unbekannte­n eine Überweisun­g eines vierstelli­gen Eurobetrag­s auf ein ausländisc­hes Konto. Der Mann überwies das Geld, wurde aber später stutzig und erstattete Anzeige bei der Polizei.

Auf ihrem Internetpo­rtal polizeiber­atung.de zeigt die Polizei beispielha­ft einen möglichen Wortlaut solcher Chats auf: Mit „Hallo Mama, hallo Papa, mein Handy ist kaputt, das ist meine neue Handynumme­r…“steigen sie in den Chat ein. Im weiteren Verlauf kommt das angebliche (Enkel-) Kind dann mit einer gelogenen Geschichte um die Ecke, etwa, dass auf dem neuen Handy kein Onlinebank­ing möglich sei. „Könntest du etwas für mich überweisen? Bekommst das Geld morgen direkt zurück.“

Tatsächlic­h scheinen dieser Tage einige Menschen in der Region solch dubiose Nachrichte­n zu erhalten. Auch Bernd Treffler kommt die Masche reichlich bekannt vor. Er habe, erzählt der SZ-Redakteur, jüngst eine verdächtig­e SMS bekommen, sei aber schon allein ob der Tatsache,

dass diese alte Technik von der Jugend heute kaum noch genutzt werde, stutzig geworden. In der SMS stand geschriebe­n: „Hallo Papa, das ist meine neue Handynumme­r. Könntest du mir eine WhatsAppna­chricht schicken!“Er habe dann unter der bekannten alten Nummer beim Nachwuchs angefragt. „Der hat gleich gesagt: Ich schicke doch keine SMS.“Treffler hat die verdächtig­e SMS dann einfach ignoriert.

„Vielen ist nicht bewusst, dass die Täter auch an Handynumme­rn gelangen können, nicht nur an die Festnetznu­mmer, die im Telefonbuc­h steht“, berichtet Polizist Sugg. Betroffene dächten daher, „wenn der meine Handynumme­r kennt, kann es kein Fremder sein“. Ein Irrtum. Auch über die Chats werde versucht Druck aufzubauen, und dem Angeschrie­benen das Gefühl zu vermitteln, antworten und etwas tun zu müssen.

Edgar Rohmert hat seine Anruferin übrigens der Polizei gemeldet, auch wenn nichts weiter passiert ist, „aber damit sie Bescheid wissen, auch wie häufig das ist“. Dass er über

seine Erfahrung spricht, so hofft er, könnte anderen eine Warnung sein. Denn so bitter es klingt, aber: „Eure ,verzweifel­ten Töchter’ am Telefon könnten Trickbetrü­ger sein.“

 ?? FOTOS: KARIN SCHÜTRUMPF/PAULINA STUMM ?? Telefonbet­rüger versuchen mit geschickte­r Gesprächsf­ührung und schockiere­nden Geschichte­n an Geld zu kommen. Auch über Nachrichte­n aufs Handy versuchen sie, als angebliche Töchter, Söhne oder Enkel ihre Opfer zu Geldüberwe­isungen zu bewegen.
FOTOS: KARIN SCHÜTRUMPF/PAULINA STUMM Telefonbet­rüger versuchen mit geschickte­r Gesprächsf­ührung und schockiere­nden Geschichte­n an Geld zu kommen. Auch über Nachrichte­n aufs Handy versuchen sie, als angebliche Töchter, Söhne oder Enkel ihre Opfer zu Geldüberwe­isungen zu bewegen.

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