Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Drei Vorranggebiete wackeln“
Chef des Regionalverbands erläutert den Teilregionalplan Energie für Aichstetten
- Über Gebühr belastet wird Aichstetten im Teilregionalplan Energie. Das ist die Meinung in Verwaltung, Gemeinderat und wohl auch in der Bevölkerung. Regionalverbandschef Wolfgang Heine machte nun Hoffnung, dass es so schlimm wie bisher vorgesehen nicht werden wird.
Fast 50 Besucher waren in die Dorf halle nach Altmannshofen gekommen, um sich aus erster Hand zu informieren. Auch der Gemeinderat war vollzählig versammelt. Bürgermeister Hubert Erath sprach in seinen einleitenden Worten von einem „gewaltigen Spannungsfeld“, das in Aichstetten besonders deutlich werde.
Das sagt die Gemeinde
250 Hektar auf vier Vorrangf lächen sieht der Teilregionalplan Energie auf dem Gemeindegebiet vor, hinzu kommen 19 Hektar für Freif lächen-PV-Anlagen. Erath stellte dem gegenüber: 109 Hektar, die schon mit Wohnund Gewerbebebauung belegt sind; knapp zehn Hektar, die noch dafür vorgesehen sind; 140 Hektar Verkehrsf lächen.
Hinzu kämen noch 15 Prozent des Gemeindegebiets, die künftig für den Bioptopverbund zur Verfügung gestellt werden müssen. „Zusammen mit den Flächen für Wind und Solar sind also 23 Prozent des Gemeindegebiets belegt“, so Erath. Das verdeutliche die Konkurrenz zwischen Landwirtschaft, baulicher Entwicklung,
Naturschutz und Energiewende.
Das sind die Suchkriterien Heine stellte in seinem einstündigen Vortrag zunächst die gesetzlichen Grundlagen vor und, wie der Regionalverband bei der Suche nach den vorgeschriebenen zwei Prozent Fläche für Wind und Solar in seinem Verbandsgebiet (die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringen) vorgegangen ist. Vereinfacht ausgedrückt war die Formel: beste Eignung plus geringste Konflikte (zum Beispiel mit Naturund Artenschutz sowie mit Bebauung). Aichstetten sei dabei „eine der kompliziertesten und komplexesten Raumschaften“gewesen, so Heine.
Es gibt auch Mindestabstände zu Bebauung, die eingehalten werden müssen. Sie betragen 600 Meter zu Einzelbebauungen und 750 Meter zu Siedlungen. Einzelgehöfte seien also nicht so geschützt wie Ortslagen, so Heine, das gelte in Aichstetten auch für die Wochenendhaussiedlung Sommerstall.
So wäre es ohne Plan
Der Redner machte zudem deutlich, was passiert, wenn es den Teilregionalplan Energie nicht geben sollte. Dann dürfe nahezu überall gebaut werden, da der Ausbau der Erneuerbaren Energien zum überragenden öffentlichen Interesse – „also ein Stellenwert wie die die nationale Sicherheit“– erklärt worden seien. „Auch Windkraftskeptiker sollten mir daher die Daumen drücken.“
Gleichzeitig unterstrich Heine, dass die Ausweisung einer Vorrangf läche nicht automatisch bedeute, dass dort auch tatsächlich Anlagen entstehen. Wenn der Eigentümer die Fläche einem Interessenten zum Beispiel nicht verpachtet, wird dort auch nicht gebaut. Eine Enteignung werde es nicht geben, betonte er auf Nachfrage.
Die vier Vorranggebiete
Vier Vorranggebiete in Aichstetten stehen derzeit im Teilregionalplan, der derzeit in der öffentlichen Anhörung ist und danach beschlossen werden soll. 91 Hektar im nordwestlich gelegenen Baniswald, fünf Hektar davon sind auf Aichstettener Gemarkung; 189 Hektar südlich bei Altmannshofen, 160 Hektar davon sind auf Aichstettener Gemarkung; 235 Hektar im nördlichen Gebiet Aitrach-Südwest,
34 Hektar davon sind auf Aichstettener Gemarkung; 51 Hektar in AichstettenOst, komplett auf Gemeindegebiet.
Dazu gibt es zwei Vorbehaltsgebiete nahe der Autobahn für Freiflächen-PV-Anlagen. Sie umfassen rund 27 Hektar des Gemeindegebiets. Während bei Vorranggebieten andere Nutzungen, die im Widerspruch zur Windkraft stehen, ausgeschlossen sind, ist bei Vorbehaltsgebieten eine andere Nutzung unter bestimmten Umständen möglich, erläuterte Heine. Vielleicht deswegen gab es zu den PV-Anlagengebieten anders als bei der Windkraft keine Fragen aus der Runde des Abends.
Was die Bürger wissen wollen
Auf Nachfrage erklärte Wolfgang Heine zudem, dass die Vereinbarkeit
konkreter Windkraftpläne mit Grund- und Trinkwasserspeichern im Genehmigungsverfahren geprüft werde. Im Plan sei dies nicht berücksichtigt. Wie hoch die Gefahr ist, die von Windkraftanlagen ausgeht, beantwortete Heine nur indirekt: Nach seiner Kenntnis koste die Haftpf lichtversicherung für eine Anlage nur 100 Euro im Jahr. „Aber ich bin da kein Experte.“
Das macht Hoffnung
Dass am Ende tatsächlich alle vier jetzt vorgesehenen Vorrangflächen für Windkraft kommen, steht laut Heine noch nicht fest, was den Aichstettenern durchaus Hoffnung geben kann. „Außer dem Baniswald wackeln die Gebiete noch. Aitrach-Südwest wegen der Einflugschneise für den Flughafen bei Memmingen. Altmannshofen wegen der Nähe zu Schloss Zeil, was mit dem Landesdenkmalamt noch zu klären ist. Aichstetten-Ost müssen wir uns nochmal wegen der Einschränkungen der gemeindlichen Entwicklung in Ruhe anschauen.“
Wenn alle vier Gebiete realisiert würden, gebe es wohl tatsächlich eine Überlastung der Gemeinde, räumte Heine ein: „Wir kommen bei Ihnen in diese Situation hinein.“Daher riet er der Gemeindeverwaltung auch, darauf in ihrer Stellungnahme besonders einzugehen. „Dann müssen wir da nochmal genauer hinschauen.“Noch habe der Regionalverband auch einen Puffer, denn derzeit stünden im Plan 2,5 Prozent der Verbandsf läche als Vorranggebiet, also 0,7 Prozentpunkte
mehr als nötig. „Zu früh wegnehmen“wolle er Gebiete aber ohne eine rechtssichere Begründung nicht, sagte Heine ebenso. Dann bestünde die Gefahr, dass Projektierer gegen den Plan klagen und ihn zu Fall bringen.
Was alleine nicht zählt
So sei die bereits bestehende Verkehrsbelastung der Gemeinde alleine kein Ausschlusskriterium, ebenso eine Umzingelung oder der Wunsch der Gemeinde nach weiteren Entwicklungsmöglichkeiten. „Auch Landschaftsbild alleine wird keine Windkraft verhindern“, stellte der Redner klar. Jedes Argument für sich sei dem „überragenden öffentlichen Interesse“unterzuordnen. Aber in Summe könnten solche Gründe durchaus für eine Streichung relevant werden.
Wie es weitergeht
Bis zum 29. März können Bürger nun Stellungnahmen zum Teilregionalplan abgeben. Heine bat dabei darum, dies möglichst über das Formular auf der Homepage www.rvbo-energie.de zu tun. Träger öffentlicher Belange, wie die Gemeinde Aichstetten, haben für ihre Stellungnahmen einen Monat länger Zeit.
Der Gemeinderat Aichstetten wird sich voraussichtlich am 6. März mit dem Inhalt der gemeindlichen Stellungnahme befassen. Dazu hat die Gemeinde auch einen Rechtsanwalt hinzugezogen. Der Regionalverband will bis zum Herbst 2025 den Teilregionalplan endgültig beschließen.