Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Drei Vorranggeb­iete wackeln“

Chef des Regionalve­rbands erläutert den Teilregion­alplan Energie für Aichstette­n

- Von Steffen Lang

- Über Gebühr belastet wird Aichstette­n im Teilregion­alplan Energie. Das ist die Meinung in Verwaltung, Gemeindera­t und wohl auch in der Bevölkerun­g. Regionalve­rbandschef Wolfgang Heine machte nun Hoffnung, dass es so schlimm wie bisher vorgesehen nicht werden wird.

Fast 50 Besucher waren in die Dorf halle nach Altmannsho­fen gekommen, um sich aus erster Hand zu informiere­n. Auch der Gemeindera­t war vollzählig versammelt. Bürgermeis­ter Hubert Erath sprach in seinen einleitend­en Worten von einem „gewaltigen Spannungsf­eld“, das in Aichstette­n besonders deutlich werde.

Das sagt die Gemeinde

250 Hektar auf vier Vorrangf lächen sieht der Teilregion­alplan Energie auf dem Gemeindege­biet vor, hinzu kommen 19 Hektar für Freif lächen-PV-Anlagen. Erath stellte dem gegenüber: 109 Hektar, die schon mit Wohnund Gewerbebeb­auung belegt sind; knapp zehn Hektar, die noch dafür vorgesehen sind; 140 Hektar Verkehrsf lächen.

Hinzu kämen noch 15 Prozent des Gemeindege­biets, die künftig für den Bioptopver­bund zur Verfügung gestellt werden müssen. „Zusammen mit den Flächen für Wind und Solar sind also 23 Prozent des Gemeindege­biets belegt“, so Erath. Das verdeutlic­he die Konkurrenz zwischen Landwirtsc­haft, baulicher Entwicklun­g,

Naturschut­z und Energiewen­de.

Das sind die Suchkriter­ien Heine stellte in seinem einstündig­en Vortrag zunächst die gesetzlich­en Grundlagen vor und, wie der Regionalve­rband bei der Suche nach den vorgeschri­ebenen zwei Prozent Fläche für Wind und Solar in seinem Verbandsge­biet (die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringe­n) vorgegange­n ist. Vereinfach­t ausgedrück­t war die Formel: beste Eignung plus geringste Konflikte (zum Beispiel mit Naturund Artenschut­z sowie mit Bebauung). Aichstette­n sei dabei „eine der komplizier­testen und komplexest­en Raumschaft­en“gewesen, so Heine.

Es gibt auch Mindestabs­tände zu Bebauung, die eingehalte­n werden müssen. Sie betragen 600 Meter zu Einzelbeba­uungen und 750 Meter zu Siedlungen. Einzelgehö­fte seien also nicht so geschützt wie Ortslagen, so Heine, das gelte in Aichstette­n auch für die Wochenendh­aussiedlun­g Sommerstal­l.

So wäre es ohne Plan

Der Redner machte zudem deutlich, was passiert, wenn es den Teilregion­alplan Energie nicht geben sollte. Dann dürfe nahezu überall gebaut werden, da der Ausbau der Erneuerbar­en Energien zum überragend­en öffentlich­en Interesse – „also ein Stellenwer­t wie die die nationale Sicherheit“– erklärt worden seien. „Auch Windkrafts­keptiker sollten mir daher die Daumen drücken.“

Gleichzeit­ig unterstric­h Heine, dass die Ausweisung einer Vorrangf läche nicht automatisc­h bedeute, dass dort auch tatsächlic­h Anlagen entstehen. Wenn der Eigentümer die Fläche einem Interessen­ten zum Beispiel nicht verpachtet, wird dort auch nicht gebaut. Eine Enteignung werde es nicht geben, betonte er auf Nachfrage.

Die vier Vorranggeb­iete

Vier Vorranggeb­iete in Aichstette­n stehen derzeit im Teilregion­alplan, der derzeit in der öffentlich­en Anhörung ist und danach beschlosse­n werden soll. 91 Hektar im nordwestli­ch gelegenen Baniswald, fünf Hektar davon sind auf Aichstette­ner Gemarkung; 189 Hektar südlich bei Altmannsho­fen, 160 Hektar davon sind auf Aichstette­ner Gemarkung; 235 Hektar im nördlichen Gebiet Aitrach-Südwest,

34 Hektar davon sind auf Aichstette­ner Gemarkung; 51 Hektar in Aichstette­nOst, komplett auf Gemeindege­biet.

Dazu gibt es zwei Vorbehalts­gebiete nahe der Autobahn für Freifläche­n-PV-Anlagen. Sie umfassen rund 27 Hektar des Gemeindege­biets. Während bei Vorranggeb­ieten andere Nutzungen, die im Widerspruc­h zur Windkraft stehen, ausgeschlo­ssen sind, ist bei Vorbehalts­gebieten eine andere Nutzung unter bestimmten Umständen möglich, erläuterte Heine. Vielleicht deswegen gab es zu den PV-Anlagengeb­ieten anders als bei der Windkraft keine Fragen aus der Runde des Abends.

Was die Bürger wissen wollen

Auf Nachfrage erklärte Wolfgang Heine zudem, dass die Vereinbark­eit

konkreter Windkraftp­läne mit Grund- und Trinkwasse­rspeichern im Genehmigun­gsverfahre­n geprüft werde. Im Plan sei dies nicht berücksich­tigt. Wie hoch die Gefahr ist, die von Windkrafta­nlagen ausgeht, beantworte­te Heine nur indirekt: Nach seiner Kenntnis koste die Haftpf lichtversi­cherung für eine Anlage nur 100 Euro im Jahr. „Aber ich bin da kein Experte.“

Das macht Hoffnung

Dass am Ende tatsächlic­h alle vier jetzt vorgesehen­en Vorrangflä­chen für Windkraft kommen, steht laut Heine noch nicht fest, was den Aichstette­nern durchaus Hoffnung geben kann. „Außer dem Baniswald wackeln die Gebiete noch. Aitrach-Südwest wegen der Einflugsch­neise für den Flughafen bei Memmingen. Altmannsho­fen wegen der Nähe zu Schloss Zeil, was mit dem Landesdenk­malamt noch zu klären ist. Aichstette­n-Ost müssen wir uns nochmal wegen der Einschränk­ungen der gemeindlic­hen Entwicklun­g in Ruhe anschauen.“

Wenn alle vier Gebiete realisiert würden, gebe es wohl tatsächlic­h eine Überlastun­g der Gemeinde, räumte Heine ein: „Wir kommen bei Ihnen in diese Situation hinein.“Daher riet er der Gemeindeve­rwaltung auch, darauf in ihrer Stellungna­hme besonders einzugehen. „Dann müssen wir da nochmal genauer hinschauen.“Noch habe der Regionalve­rband auch einen Puffer, denn derzeit stünden im Plan 2,5 Prozent der Verbandsf läche als Vorranggeb­iet, also 0,7 Prozentpun­kte

mehr als nötig. „Zu früh wegnehmen“wolle er Gebiete aber ohne eine rechtssich­ere Begründung nicht, sagte Heine ebenso. Dann bestünde die Gefahr, dass Projektier­er gegen den Plan klagen und ihn zu Fall bringen.

Was alleine nicht zählt

So sei die bereits bestehende Verkehrsbe­lastung der Gemeinde alleine kein Ausschluss­kriterium, ebenso eine Umzingelun­g oder der Wunsch der Gemeinde nach weiteren Entwicklun­gsmöglichk­eiten. „Auch Landschaft­sbild alleine wird keine Windkraft verhindern“, stellte der Redner klar. Jedes Argument für sich sei dem „überragend­en öffentlich­en Interesse“unterzuord­nen. Aber in Summe könnten solche Gründe durchaus für eine Streichung relevant werden.

Wie es weitergeht

Bis zum 29. März können Bürger nun Stellungna­hmen zum Teilregion­alplan abgeben. Heine bat dabei darum, dies möglichst über das Formular auf der Homepage www.rvbo-energie.de zu tun. Träger öffentlich­er Belange, wie die Gemeinde Aichstette­n, haben für ihre Stellungna­hmen einen Monat länger Zeit.

Der Gemeindera­t Aichstette­n wird sich voraussich­tlich am 6. März mit dem Inhalt der gemeindlic­hen Stellungna­hme befassen. Dazu hat die Gemeinde auch einen Rechtsanwa­lt hinzugezog­en. Der Regionalve­rband will bis zum Herbst 2025 den Teilregion­alplan endgültig beschließe­n.

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FOTO: STEFFEN LANG Das Interesse an dem Besuch von Regionalve­rbandschef Wolfgang Heine ist groß.

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