Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Mit der Mehlschaufel protestieren ist keine Lösung“
„Uns reicht es auch“, sagen Vertreter der Bäckerinnung – Doch groß angelegte Demos sind für sie der falsche Weg
- An den Bauernprotesten haben sich immer wieder auch Handwerker beteiligt. Einen offiziellen Aufruf zum Protest habe es beispielsweise von der Bäckerinnung nicht gegeben, auf Demonstrationen hätten aber Vertreter der Landesinnung gesprochen, berichteten Vertreter der Allgäuer Bäckerinnung als Gäste unserer Redaktion. Sie setzen nicht auf einen eigenen, groß angelegten Protest, sondern darauf, in Gesprächen auf die Politik einzuwirken und für die Probleme ihres Berufsstandes zu sensibilisieren.
Gottfried Voigt (Kreishandwerkerschaft), Erwin Weber
(Obermeister der Bäckerinnung) und Andreas Speiser (stellvertretender Obermeister) sind sich einig,
dass die Bauernproteste „den Knoten zum Platzen gebracht“hätten. Die Demonstrationen hätten einen Impuls für andere Branchen gegeben, hätten sie aufgerüttelt, sich laut zu äußern. „Uns reicht es auch“, sagt Erwin Weber. Die Bäcker-Branche sei seit Jahren zunehmend gebeutelt von ständig neuen gesetzlichen Regeln und steuerrechtlichen Hürden. Ein Bäckerei-Betrieb habe nicht die Kapazität, eigens einen Mitarbeiter für Dokumentationsarbeit abzustellen.
Hinzu komme der Fachkräftemangel. Zum einen gebe es enorme bürokratische Hürden bei der Einstellung von Migranten. Zum anderen sei die Akzeptanz des Bäckerberufes in der Bevölkerung nicht immer hoch. Ein Rückschlag seien die kürzlich vom bayerischen Staat zurückgeforderten Corona-Hilfen gewesen. Ob ein Betrieb mit all diesen Problemen noch guten Gewissens an die nächste Generation übergeben werden kann, treibe Bäckermeister um.
Doch die angehäuften Schwierigkeiten könnten nur bewältigt werden, wenn das Handwerk zusammenhalte, sagt das Trio. „Wir müssen die Politik sensibilisieren, sie auffordern, mit uns zu reden. Dann findet sie einen anderen Zugang zu unseren Problemen“, sagt Voigt. Dabei sei vor allem die Kommunalpolitik wichtig, die auch schon jetzt gut zuhöre. „Probleme können dabei nicht immer zentral gelöst werden“, sagt Weber. Denn das Allgäu sei einzigartig mit seiner Vielfalt
im Handwerk. „Allein mit der Mehlschaufel auf die Straße zu gehen, ist keine Lösung“, sagt Speiser. Eine Veränderung sei nur möglich, wenn das Handwerk zusammen mit den Bürgern etwas bewege. So könne man mit einer breiten Basis und über die Kommunalpolitik die Entscheider in München und Berlin ansprechen. Jeder Unternehmer sei hier gefragt. Jetzt sei die Zeit, Probleme anzusprechen.
Letztlich liege es am Verbraucher, ob das Handwerk vor Ort überleben kann. „Wir zahlen gute Löhne, damit wir unser Personal halten können“, sagt Speiser. Dass ein gutes Produkt deshalb seinen Preis hat, müsse in die Köpfe der Menschen.