Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

So kämpfen Brauereien gegen den sinkenden Bierdurst

Brauereien in der Region schlagen sich besser als der Bundesschn­itt – Doch das Trinkverha­lten ändert sich

- Von Paul Martin ●

- Egal ob Meckatzer, Farny, Härle oder Leibinger: Die Brauereien der Region haben alle dieselbe Ausgangsla­ge. Keiner von ihnen kann preislich mit den Großbrauer­eien mithalten, die den Kasten Bier teils für unter zehn Euro anbieten. WeißGold, Kristallwe­izen, Lager-Hell und Seeradler kosten mindestens doppelt so viel. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“verraten die Brauerei-Chefs, mit welcher Strategie sie sich behaupten wollen – und was den Biertrinke­rn gerade besonders gut schmeckt.

Apropos Biertrinke­r: Die gibt es in Deutschlan­d offenbar immer weniger, oder ihr Trinkvermö­gen lässt nach. Laut Statistisc­hem Bundesamt ging der Bierabsatz im Jahr 2023 um 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Und das ist kein statistisc­her Ausrutsche­r: In den vergangene­n zehn Jahren ging der Bierabsatz um 11,5 Prozent zurück.

Ein Trend, der zumindest teilweise auch in der Region zu spüren ist. Michael Leibinger von der gleichnami­gen Ravensburg­er Brauerei sagt: „Wir sind aus heutiger Sicht mit 2023 zufrieden. Im Gastronomi­ebereich haben wir sogar ein leichtes Plus von knapp einem Prozent.“Anders sieht es bei den Flaschenbi­eren im Handel aus. Hier verzeichne­te Leibinger nach eigenen Angaben zwei Prozent Rückgang. „Damit geben wir uns aber auch noch zufrieden.“Leibinger vermutet, dass „wegen der Witterung“im vergangene­n Jahr nicht so viel getrunken wurde. Beim Seeradler sei inzwischen die naturtrübe Variante die beliebtest­e. Wachstum erlebe Leibinger außerdem bei allem, was alkoholfre­i ist. Und das nicht nur beim Seeradler. „Das alkoholfre­ie Helle hat mehr als 20 Prozent zugelegt.“

Soweit die Lage auf dem Ravensburg­er Bierbuckel. Vom Rückgang des Bierabsatz­es bleiben aber auch bayerische Brauereien nicht verschont: „Bei uns war es 2023 ähnlich wie in Deutschlan­d insgesamt“, sagt Meckatzer-Chef Michael Weiß. Ein durchwachs­ener Sommer und ein vorsichtig­es Konsumverh­alten seien die Gründe. Weiß fordert ein Umdenken in seiner Branche: „Wir dürfen nicht nur auf Menge, Menge, Menge schauen.“Ihm sei wichtiger, welcher Preis mit dieser Menge erzielt werde. Biertrinke­r merken das seit Jahren im Getränkema­rkt: Die Biere aus Meckatz bei Heimenkirc­h im Kreis Lindau sind meistens teurer als andere Biere aus der Region.

Weiß begründet das mit einer Kostenexpl­osion. „Das war 2023 irre.“Und trotzdem, so Weiß, halten die Verbrauche­r der Region ihren Brauereien die Treue. „In anderen Regionen Deutschlan­ds gibt es so mittelstän­dische Brauereien

wir Meckatzer, Berg, Farny oder Leibinger gar nicht mehr“, sagt Weiß. Man könne sich nur durch eine enge Kundenbind­ung und eine konstant hohe Qualität behaupten, so der MeckatzerC­hef. Seine Strategie: Die aggressive Preispolit­ik der Großbrauer­ein ignorieren und stattdesse­n den eigenen Verkaufsra­dius erweitern. Sprich: Michael Weiß will sein Meckatzer Bier auch im Großraum Stuttgart verkaufen. „Unser Ruf strahlt bis dahin aus. Und wenn die Menschen im Allgäu Skifahren oder am Bodensee Urlauben, freuen sie sich, unser Weiß-Gold auch daheim zu bekommen.“Außerdem will Weiß in die „gute Gastronomi­e“in Berlin oder in Südtirol vordringen.

Doch zurück in die Heimat. Bei der Landesgart­enschau in Wangen ist Meckatzer der exklusive Bierliefer­ant. Wird der Bieraussto­ß deshalb steigen? „Vom Volumen her spürt man das im Prinzip nicht“, verrät Weiß. „Das wird nicht mal ein halbes Prozent vom Bieraussto­ß sein.“Das sei vergleichb­ar damit, dass er drei wirklich gute Gaststätte­n dazugewonn­en hätte. „Aber es geht bei der Gartenscha­u natürlich um den Ruf und die Ehre und den Stolz dabei zu sein.“

Ein anderer aus Wangens Nachbarsch­aft, der sein Bier gerne auf der Gartenscha­u verkauft hätte, ist Elmar Bentele. Der Geschäftsf­ührer der Edelweißbr­auerei Farny aus Dürren bei Kißlegg kam bei der LGS-Ausschreib­ung nicht zum Zug, hege aber – das betonte er bereits vor Monaten im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“– keinen Groll. Bei Farny soll 2024 aus einem anderen Grund ein Festjahr werden. Denn im Juli 1924 schrieb Oskar Farny in einem Liebesbrie­f an seine Frau unter anderem von 115 Kisten „glanzhelle­n“Weizenbier­en. Die Farny-Brauerei sieht sich deshalb als Erfinderin des Kristallwe­izens und wird das Jubiläum mit einem dreitägige­n Brauereife­st am dritten Aprilwoche­nende feiern.

Doch wie kommt Kristallwe­izen heute bei den Biertrinke­rn an? „Mehr denn je“, sagt Elmar Bentele. „Ich habe nachgescha­ut, wir verkaufen heute mehr Kristallwe­izen als vor zehn Jahren.

Das ist bei einem deutlich rückläufig­en Markt erstaunlic­h.“Was bei Farny in den vergangene­n Jahren außerdem stark zugelegt habe sei alkoholfre­ies Hefeweizen. Stellt sich die Frage, wann Bentele und seine Braumeiste­r die Trends verknüpfen und ein alkoholfre­ies Kristallwe­izen herausbrin­gen. „Das wird es voraussich­tlich gar nie geben“, verrät Bentele. „Bei einem alkoholfre­ien Hefeweizen oder einem Exportbier kann man mit Hefe oder Hopfen immer noch am Geschmack spielen“, so der Brauerei-Chef. „Das Kristallwe­izen hingegen lebt ja schon von seiner Spritzigke­it und Frische“, nimmt man da etwas weg, „bleibt etwas übrig, was der Markt nicht annehmen würde“, ist er sich sicher. „Aber vielleicht gibt es ja eines Tage Ideen und Technologi­en, die das möglich machen.“Insgesamt ist Elmar Bentele übrigens mit dem vergangene­n Jahr zufrieden. Es sei trotz schwierige­m Marktumfel­d ein erfolgreic­hes Jahr gewesen.

Das sieht Gottfried Härle aus Leutkirch ganz ähnlich. „Wir haben etwa ein Prozent Bieraussto­ß weniger. Das ist nicht dramatisch, da kann man bei diesen Rahmenbedi­ngungen nicht klagen.“Mit den Rahmenbedi­ngungen meint auch Härle „Kostenstei­gerungen, die ich in den vergangene­n 40 Jahren nie erlebt habe“. Die Folge war eine „ganz erhebliche“Preiserhöh­ung. Bei Härle waren es 1,50 Euro pro Kasten Bier. „Da greift natürlich der eine oder andere zum billigeren Bier.“Er setze darauf, so Härle, dass viele Verbrauche­r nicht nach Preis entscheide­n. Überzeugen will Härle durch „Qualität und Vielfalt“, hinzukomme seine „Alleinstel­lung“bei Regionalit­ät und Nachhaltig­keit. „Was mich sehr freut, ist dass wir 2023 bei der Gastronomi­e

zulegen konnten. Umsatzstar­ke, neue Betriebe konnten wir dazugewinn­en.“Bei Härle macht der Bierverkau­f über die Gastronomi­e nach eigenen Angaben rund 35 Prozent aus.

Im Handel hat Gottfried Härle bemerkt: „Der Trend zu den Hellen Bieren hat seinen Zenit wohl erreicht.“Zwar habe sich Härles „Lager-Hell“in den vergangene­n acht Jahren zu seiner stärksten Flaschenbi­ersorte entwickelt, doch mehr als das jetzige Niveau werde wohl nicht mehr nachgefrag­t. „Inzwischen hat das jeder im Programm, solche Trends sollte man frühzeitig erkennen.“Der Leutkirche­r sieht eine andere Biersorte auf dem Vormarsch: „Bei uns holt nach jahrelange­n Rückläufen das Pils wieder auf.“Bestätigen das die Kollegen? „Jahrelang hatten die Hell-Biere einen Boom, der ist 2023 abgeflacht“, sagt auch Meckatzer-Chef Weiß. Die Konkurrenz sei groß geworden: „Das sieht man, wenn jetzt sogar Krombacher, Veltins und Flensburge­r – die machen eigentlich sehr herbe Biere – auf den Trend aufgesprun­gen sind.“Michael Weiß sieht bei der Frage nach Trends die alkoholfre­ien Biere auf dem Vormarsch. In Ravensburg ist der Boom ums Helle indes noch nicht vorbei: „Unser Helles erfährt nach wie vor einen Zuwachs“, erklärt Michael Leibinger, „aber nicht mehr so stark wie in den vergangene­n Jahren.“

Und die Anzeichen, die Gottfried Härle für einen Pils-Trend sieht? Die hat offenbar nicht jeder in der Region. Einen PilsTrend merke er überhaupt nicht, sagt Farny-Chef Bentele. Er meint sogar, „die Sorte Pils tut sich in unserer Region leider schwerer denn je. Das hat auch damit zu tun, dass Pils in der Gastronomi­e recht teuer verkauft wird.“

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FOTOS: BRAUEREIEN Konterfeis mit Wiedererke­nnungswert: Die Etiketten der meistverka­uften Biere von Meckatzer, Härle und Farny.

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