Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
AfD-Landeschef Kölmel schaltet nach internem Datenleck die Polizei ein
Freunde und Gegner von Parteigründer Lucke befehden sich auch im Südwesten
STUTTGART - Diese Eskalation ist selbst für die streiterprobte Alternative für Deutschland (AfD) besonders: Weil eine persönliche E-Mail parteiintern öffentlich wurde, hat Landeschef Bernd Kölmel am Dienstag Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. „Leider kennt die Hemmungslosigkeit meiner innerparteilichen Gegner keine Grenzen, auch keine strafrechtlichen“, schreibt Kölmel in einer Mail an die etwa 3000 Parteimitglieder im Südwesten.
Anlass: Am Freitag zuvor hatte Mark K., Freiburger Mitglied der nur von einigen Landesverbänden offiziell anerkannten AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA), eine persönliche Mail an Kölmels Parteiadresse geschickt. Darin beklagt sich K., der dem wirtschaftsliberalen Parteiflügel um Bernd Lucke und Bernd Kölmel zugerechnet wird, über die „schleichenden strukturell und politisch faschistoiden Veränderungen in der JA-Elite“. Namentlich greift K. auch JA-Landeschef Markus Frohnmaier an, der zu den Lucke-Gegenspielern vom nationalkonservativen Flügel der Partei zählt.
Wer kam an Kölmels Mails? Keine sechs Stunden später habe er die Mail von K. noch einmal erhalten, so Kölmel. Diesmal aber von Frohnmaier, der das Schreiben K.s an Kölmel auch gleich an mehrere Parteimitglieder weiterleitete. Wie er an den Brief aus Kölmels Postfach gekommen ist, sagte Frohnmaier nicht. Er legte aber nahe, dass kein Hacker- angriff Grund für das Datenleck sei, sondern ein interner Informant: Es gebe „offenbar recht zahlreiche Personen mit Zugriff auf Kölmels Postfach“erklärte der Jurastudent.
Kölmel hält die Strafanzeige für gerechtfertigt: „ Herr K. hat versichert, die Mail nur mir gesendet zu haben. Ich hatte sie nicht einmal geöffnet, als der Inhalt von Herrn Frohnmaier verwendet wurde. Das sind die drei Fakten, an denen kommen wir nicht vorbei“, sagte er unserer Zeitung. Bernd Kölmel, Landesparteichef
der AfD ( Foto: Hildebrandt)
Pikant: Die Mail beinhaltet eine als „streng geheim“bezeichnete Vorlage von K. für einen gemeinschaftlichen Austritt mehrerer Mitglieder aus der JA. Diese drifte „nach rechts“und nehme „faschistoide Ausfälle“hin. K. führt aus, dass er bewusst viermal das Wort „faschistoid“benutzt, damit sich Mitglieder „emotional von der JA distanzieren“. Dann fragt er den Mailempfänger nach konkreten Änderungsvorschlägen für den Entwurf. Für den zum rechten Flügel gehörenden Frohnmaier ein Versuch des Lucke-Lagers, die JA zu schwächen und Kritiker in die rechte Ecke zu stellen. Die JA wiederum hat ihren Bundesvorsitzenden abgesetzt, weil der Luckes „Weckruf 2015“mitunterzeichnete.
Zu Gast in der Ostukraine Die Flügelkämpfe auf Bundesebene spalten auch die Landes-AfD, die eigentlich im kommenden März in den Stuttgarter Landtag ziehen will: Lucke-Gefolgsmann Kölmel und der Jurastudent Frohnmaier sind schon lange keine Freunde mehr. Während der EU-Abgeordnete Kölmel in Brüssel für Russland-Sanktionen stimmte, besuchte Frohnmaier eine von russischen Separatisten organisierte Konferenz in der Ostukraine.
Keine zehn Monate vor der Wahl mehren sich intern die Zweifel, ob Kölmel den Riss in der Landespartei noch kitten kann. Dabei wird er auch als Kandidat für einen Neuanfang in der ebenfalls tief zerstrittenen Bundesspitze gehandelt. Der Bundesparteitag Mitte Juni in Kassel werde eine „Richtungsentscheidung“für die Partei, sagt Kölmel.