Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Mokassins des anderen

Uzin-Utz-Chef Thomas Müllerschö­n setzt auf den guten Draht zum Handwerk und will so neue Märkte erobern

- Von Sigrid Stoss

ULM - Als Fußballfan muss man einfach die Allianz-Arena in München lieben. Auch Thomas Müllerschö­n liebt das Vorzeigest­adion, allerdings noch aus einem anderen Grund: „Das beste in der Allianz-Arena sind die Böden. Die sind mit Produkten von Uzin Utz verklebt“, schwärmt der jungenhaft wirkende Manager und ist damit gleich bei seiner großen Leidenscha­ft, die wohl noch größer ist als die Leidenscha­ft für Fußball: dem Ulmer Unternehme­n Uzin Utz, Spezialist für alles, was den Estrich mit dem Bodenbelag verbindet, außerdem für alles, was ein Parkett versiegelt und pflegt und letztlich auch für Qualitätsw­erkzeuge, um diese Böden zu verlegen. Die geballte Bodenkompe­tenz also, wie es das Unternehme­n ausdrückt. In der Heimat der AllianzAre­na, in Deutschlan­d also, ist das Unternehme­n Marktführe­r mit einem Anteil von 28 Prozent. „Jeder vierte Handwerker in der Branche arbeitet mit unseren Produkten“, so Müllerschö­n.

Kunde ist der Fachgroßha­ndel, bei dem wiederum die Handwerker einkaufen. Nur rund ein Drittel der Kunden sind große Handwerksb­etriebe, die direkt bei Uzin Utz ordern. Dennoch hat Müllerschö­n einen engen Draht zu den Anwendern. Zwei Tage seiner Arbeitswoc­he verbringt er mit Kundenbesu­chen. So bekommt fast jeder der vorwiegend kleinen Handwerksb­etriebe irgendwann einmal Besuch vom Vorstandsc­hef des Traditions­unternehme­ns, das seit 1919 in Ulm Bodenklebe­r herstellt, weltweit über 1100 Mitarbeite­r beschäftig­t und in 48 Ländern präsent ist.

Bankberatu­ng für Handwerker Bei diesen Besuchen lerne er viel dazu, so Müllerschö­n. Dabei leite ihn eine Weisheit, die von den Indianern stammt: „Man muss eine Weile die Mokassins des anderen tragen, um ihn wirklich zu verstehen.“Dadurch komme das Unternehme­n zu neuen Produkten oder auch zu neuen Dienstleis­tungen, wie die jüngst ins Leben gerufene Plattform „Servo360“. Hier bietet Uzin Utz Handwerker­n Unterstütz­ung bei Bankgesprä­chen an. Das hat zwar nicht zwingend mit dem Kerngeschä­ft des Unternehme­ns zu tun, ist jedoch eine logische Folge von Müllerschö­ns Credo, nämlich den Kunden da zu unterstütz­en, wo ihn der Schuh drückt „Für viele Handwerker sind Bankgeschä­fte lästig und komplizier­t. Je besser sie sich auf das Verlegen von Böden konzentrie­ren können, umso besser ist das Ergebnis, und das kommt uns zugute.“Der Erfolg des Unternehme­ns sei schließlic­h eine Kombinatio­n aus hervorrage­nden Produkten und deren profession­eller Verarbeitu­ng.

Müllerschö­n (48) hat den Chefsessel Anfang des Jahres von Werner Utz übernommen, als erster familienfr­emder Manager. Er ist seit 25 Jahren im Unternehme­n und seit 2002 Mitglied des Vorstands. Der gebürtige Oberschwab­e aus Rottenacke­r bei Ehingen lebt heute im wenige Kilometer entfernten Emerkingen und sagt, mit Leib und Seele Oberschwab­e geblieben zu sein. Nur in einem Punkt weiche er von den schwäbisch­en Grundsätze­n ab: „Ich lobe meine Mitarbeite­r“, sagt er und betont: „Den Umsatz mache ja nicht ich, sondern in erster Linie meine Mitarbeite­r in der Produktion und im Vertrieb.“

Deshalb ist Uzin Utz ein beliebter und schon häufig ausgezeich­neter Das Unternehme­n Uzin Utz wurde 1911 in Wien von Georg Utz gegründet und zog 1919 nach Ulm um. Nach dem zweiten Weltkrieg begann die heutige Uzin Utz AG mit der Produktion von Bodenklebs­toffen. Werner Utz übernahm 1980 das bis dahin stark gewachsene Unternehme­n in der dritten Generation. Er übergab Anfang Januar 2016 das Ruder an Thomas Müllerschö­n, dem ersten familienfr­emden Arbeitgebe­r, was für Müllerschö­n kein Selbstzwec­k ist, sondern wie die intensive Pflege von Kundenbezi­ehungen ein wesentlich­er Schlüssel zum Erfolg. Für ihn liegt auf der Hand: Um das Unternehme­n weiterzuen­twickeln, braucht er eine super Mannschaft. Das wisse er spätestens seit er testweise einmal beim Bundesligi­sten „Eintracht Frankfurt“mitspielen durfte.

Für seine Mannschaft legt er die Latte hoch. Der Umsatz soll bis 2019 auf 400 Millionen Euro steigen, was einem Wachstum von zehn Prozent pro Jahr entspricht. 2015 erreichte das Unternehme­n 253 Millionen Euro. In den ersten neun Monaten 2016 schaffte Uzin Utz ein Plus von 8,2 Prozent, doch Müllerschö­n rechnet mit zehn Prozent bis Jahresende. Beim Ergebnis hat der Boden-Spezialist bis Ende September rasant um Chef, und wechselte an die Spitze des Aufsichtsr­ates. Seit 1997 ist die Uzin Utz AG an der Börse notiert, 55 Prozent der Aktien gehören der Familie Utz, 26 Prozent der Beteiligun­gsgesellsc­haft Polyshare, 19 Prozent sind im Streubesit­z. Die Aktie legte im vergangene­n Jahr um 39 Prozent zu und ist seit Jahresbegi­nn erneut um über 40 Prozent gestiegen. (eva) fast 47 Prozent gegenüber dem Vorjahresz­eitraum zugelegt und liegt schon jetzt deutlich über dem des gesamten Jahres 2015. Müllerschö­n will auch bei der Umsatzrend­ite spätestens im Jahr 2020 die zehn Prozent sehen. Davon ist man noch ein Stück entfernt, doch der Manager betont: „Wer sich weiterentw­ickeln will, muss sich ehrgeizige Ziele setzen.“

Zu den angepeilte­n Regionen gehören neben dem deutschspr­achigem Raum, Großbritan­nien, Frankreich, Skandinavi­en, die Benelux-Staaten und die USA. Ein Spaziergan­g wird das nicht, räumt der Manager ein. Denn die durch niedrige Zinsen und einem hohen Bedarf an Wohnraum beflügelte Baukonjunk­tur beschränke sich auf Deutschlan­d. Doch mit hoher Qualität und seinem Konzept der Kundenbind­ung will Müllerschö­n auch in anderen Ländern an Boden Uzin Utz begann schon 1980 mit der Produktion umweltfreu­ndlicher Klebstoffe und führte 1997 die ersten emmissiona­rmen Klebstoffe ein. Heute gelten über 90 Prozent der Produkte als „sehr emmissions­arm“. In Deutschlan­d vertreibt das Unternehme­n seit 2011 keine lösemittel­haltigen Produkte mehr. Auch im Produktion­sprozess achtet das Unternehme­n auf Umweltfreu­ndlichkeit. So gewinnen. Dabei nimmt er besonders die Vereinigte­n Staaten ins Visier. Im Wahlsieg Trumps sieht er kein Hindernis, im Gegenteil: „Konjunktur­programme sind immer gut.“

Zukäufen, auch größerer Firmen, ist er nicht abgeneigt. Mit einer Eigenkapit­alquote von 55 Prozent wäre das Unternehme­n dazu in der Lage. „Doch wir können die Ziele auch aus eigener Kraft erreichen“, versichert er. Für Müllerschö­n ist es allerdings nur ein Etappenzie­l: „Wenn wir in Europa die Nummer eins sind, ist es nur noch ein kleiner Schritt bis an die Weltspitze“, sagt Müllerschö­n, und das klingt nicht gerade schwäbisch bescheiden. Er sei ja schließlic­h Oberschwab­e, betont Müllerschö­n wie zur Erklärung und schiebt nach: „Es ist wie beim Fußball: Egal auf welcher Position man spielt, man muss seinen Job gut machen.“ wurde beispielsw­eise der fahrerlose Transport zwischen Logistik und Produktion elektrifiz­iert. Uzin Utz ist in diesem Jahr für den baden-württember­gischen „Umweltprei­s für Unternehme­n 2016“nominiert worden. Der Preis wird an Unternehme­n für herausrage­nde Leistungen im betrieblic­hen Umweltschu­tz und für eine vorbildlic­he umweltorie­ntierte Unternehme­nsführung verliehen. (eva)

 ?? FOTO: ROLAND RASEMANN ?? Uzin-Utz-Chef Thomas Müllerschö­n ist der erste familienfr­emde Vorstandsv­orsitzende des Ulmer Traditions­unternehme­ns.
FOTO: ROLAND RASEMANN Uzin-Utz-Chef Thomas Müllerschö­n ist der erste familienfr­emde Vorstandsv­orsitzende des Ulmer Traditions­unternehme­ns.

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