Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Auf der Suche nach dem Ensembleklang
Henschel Quartett muss sich erst wieder finden
LEUTKIRCH – Zum dritten Mal bereits war das Henschel Quartett in der Festhalle in Leutkirch zu Gast. Die Sympathie des Publikums kam den vier Musikern entgegen, trotzdem konnte das Ensemble nicht alle oder in allem überzeugen.
Schwierige Spätwerke 1994 hatten sich die Geschwister Christoph, Markus und Monika Henschel mit dem Cellisten Mathias Beyer-Karlshøj zusammengetan, 15 Jahre musizierten sie in unveränderter Besetzung und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2009 und vor einem Jahr gab es einen Wechsel an der zweiten Geige. Seit Anfang dieses Jahres hat nun der rumänische Geiger Catalin Desaga diese Position eingenommen: Er wirkt sehr aktiv kommunizierend mit dem ersten Geiger Christoph Henschel, aber auch mit Bratschistin Monika Henschel-Schwind und dem Cellisten. Während die Unterstimmen in sich zu ruhen scheinen, vermittelt Primarius Christoph Henschel oft eine Unruhe, die der Musik nicht entspricht.
Für ihr Konzert hatten sich die Künstler zwei Spätwerke von Mozart und Beethoven ausgesucht, die Goethes Satz, im Streichquartett höre man die vernünftige Unterhaltung von vier Personen, widerspiegeln. In den „Preußischen Quartetten“von Mozart, zu denen das B-Dur-Quartett KV 589 gehört, ist zwar die Cellostimme hervorgehoben, da der Widmungsträger, der preußische König Friedrich Wilhelm II., selbst dieses Instrument spielte. Doch wenn sich hier die Aufmerksamkeit fast ganz auf die Außenstimmen konzentriert, Mathias Beyer-Karlshøj mit schönem, wenn auch fast romantischem Ton aufspielt, Christoph Henschel ihm gleichberechtigt antwortet, die Mittelstimmen aber fast untergehen, dann ist die Balance in diesem Klanggefüge verschoben. Im Tanzsatz mit seinem ausgedehnten Trioteil und im fantasievollen Schlussrondo wirkte das Quartett geschlossener.
Beethovens op. 131 in cis-Moll ist in seiner Ausdehnung, seinen sieben ineinander übergehenden Sätzen, seinen vielschichtigen Bezügen und rezitativischen Einschüben eines der schwierigsten Werke der Königsdisziplin Streichquartett. Es bedarf großer Geschlossenheit und eines langen Atems, um den Spannungsbogen halten zu können. Bei allem Gestaltungswillen, der manchmal überzeichnet und kleinteilig scheint und der musikalischen Rhetorik wenig Raum gibt, wirkt dieses Ausnahmewerk aber in der derzeitigen Phase des Henschel Quartetts doch sehr überdimensioniert.
Musik aus Argentinien Spannend, auch durch die in unserem Konzertleben nicht so gängige Tonsprache, war dagegen das erste Streichquartett des Argentiniers Alberto Ginastera. Hier gab es rhythmische Explosionen von großer Energie, folkloristische Melodien und Farben, als wären Bartóks Wildheit und die Klangfarben von Ravel und Debussy verschmolzen. Im ausdrucksvollen langsamen Satz spiegelten sich Sehnsucht, auch Verlorenheit und große Emotionen in einem Ensemble-Geist, wie man ihn sich für den ganzen Abend gewünscht hätte.