Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hamburger Lebenszeichen
Die HSV-Spieler trotzden dem Führungschaos und schaffen in Hoffenheim ein verdientes 2:2
SINSHEIM (SID/sz) - Markus Gisdol schüttelte lachend Hände auf der Tribüne, Lewis Holtby scherzte mit den Zuschauern, und die Fans forderten schon lautstark den Derbysieg. Nach dem überraschenden 2:2 (1:1) bei der weiter ungeschlagenen TSG Hoffenheim schien die Krise beim Hamburger SV wie weggeblasen. „Wir haben nicht gespielt wie ein Letzter, haben mutig agiert, das muss der Weg sein“, sagte Torschütze Nicolai Müller bei Sky.
Auch wenn der sieglose HSV mit nur drei Punkten weiter die Tabelle nur von unten anführt, war die Erleichterung nach der stärksten Saisonleistung allenthalben spürbar. Bei Trainer Gisdol, der an seiner alten Wirkungsstätte, wo er vor 13 Monaten nach einem 0:1 gegen den HSV entlassen worden war, endlich mal ein bisschen jubeln durfte in seiner neuen Dienstkleidung, beim stark spielenden Mittelfeldantreiber Lewis Holtby und beim leidgeprüften Anhang, der sich schon auf den Nordklassiker am kommenden Samstag gegen Werder Bremen einstimmte. „Wir haben die große Chance, mit einem Derbysieg zu Hause neue Kräfte freizusetzen“, sagte Müller, der den Hamburgern mit dem Ausgleich (61.) zum 2:2 das unerwartete Erfolgserlebnis beschert hatte. Der frühere Stuttgarter Filip Kostic (28.) hatte den HSV in der ersten Halbzeit nach einer feinen Einzelleistung sogar in Führung gebracht.
Sando Wagner (45.+1) und Steven Zuber (49.) drehten zwischenzeitlich die Partie für die Hoffenheimer, die als Tabellenfünfter sechs Punkte Rückstand auf Spitzenreiter RB Leipzig aufweisen. Elf Partien ohne Niederlage unter der Regie des ehemaligen Gisdol-Assistenten Julian Nagelsmann bedeuten einen Vereinsrekord. Der Coach war dennoch sauer: „Ich möchte nicht, dass wir in der Halbzeit einen Plan besprechen und den dann nur in sechs von zehn Fällen umsetzen“, sagte er. Und: „Wir kriegen zweimal ein ähnliches Tor, das nervt mich.“Seine Mannschaft hätte zudem „fünf, sechs Tore“schießen müssen.
Hamburg spielte stark Das Chaos der vergangenen Tage in Hamburg hatte das Schlimmste befürchten lassen. Clubchef Dietmar Beiersdorfer war nach seiner erfolglosen Sportdirektorsuche von Aufsichtsratsboss Karl Gernandt angezählt worden, am Freitag hatte dann Marketing-Vorstand Joachim Hilke seinen Rückzug angekündig. Zudem hatte Gisdol Kapitän Johan Djourou zugunsten des Japaners Gotoku Sakai abgesetzt. Dazu kam die Verletzung von Stammtorwart Rene Adler, der nach seiner Ellbogen-Operation bis zum Jahresende ausfällt. Die Zuschauer sahen dennoch einen starken HSV, der sich nach rund zehn Minuten vom Druck der Kraichgauer befreien konnte. Die Hamburger standen in dieser Phase stabil und bestimmten sogar das Spiel. Die Führung war nicht unverdient.
Erst in der 44. Minute wurden die Hoffenheimer wieder gefährlich, Wagner konnte seinen früheren Darmstädter Teamkollegen Christian Mathenia zunächst aber nicht überwinden. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte stocherte der Angreifer den Ball nach einer Ecke aber doch über die Line.Kurz nach dem Seitenwechsel brachte Zuber die Gastgeber in Führung. Hoffenheim konnte den Vorsprung aber nicht lange halten. Müller profitierte bei seinem dritten Saisontor von einem Fehler von Niklas Süle. Kurz darauf vergab Kramaric große Chancen zur erneuten Führung für die TSG (65. und 71.). Auf der Gegenseite strich ein Schuss von Holtby nur knapp am Tor vorbei (76.). In der Nachspielzeit verfehlte Wagner nur um Zentimeter das Ziel (90.+1).