Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zwischen Forschung und Fun-Faktor
Wissenschaft in zehn Minuten – darum ging es beim „Science Slam“in der „Linse“
WEINGARTEN - Fünf Kandidaten buhlen um Aufmerksamkeit und Verständnis, jeder hat zehn Minuten Redezeit, das Publikum stimmt ab darüber, wer mit dem größten Fun-Faktor und gleichzeitig die besten Informationen abgeliefert hat. Denn immerhin geht es um geballte Wissenschaft. So lässt sich kurz zusammenfassen, was beim „Science Slam“am vergangenen Samstag in der ausverkauften „Linse“in Weingarten über die Bühne ging.
„Wie brät man eine Gans?“– mit dieser derzeit heißen Frage stellt sich der Physiker Matthias Mader aus München den Zuschauern. Nach eigenen Angaben hat die Freie Universität den „Vorlesungsbetrieb direkt in eine Schankwirtschaft verlegt“, und so wundert die Themenwahl auch nicht. Myofibrin und Sakroplasma sind die Hauptwidersacher, wenn es um den Zielkonflikt geht, nämlich die Gans außen kross und innen saftig zu braten. Über das bayerische Kochbuch, einen Heizbläser als BratgerätErsatz und live durchgeführte numerische Simulationen arbeitet sich Mader zum Kern seiner Erklärung vor, die natürlich nicht ganz ohne Aminosäuren, Wärmeleitungsgleichung und vektorielle Größen auskommt.
Soll sie beim Science Slam auch nicht. Mader meistert den Spagat zwischen dezidierter Information und augenzwinkerndem Ulk leicht und sozusagen gut gefettet, denn der Physiker hat erst kürzlich die Süddeutschen Meisterschaften im Science Slam gewonnen. Und startet daher außer Konkurrenz.
Wissenschaft mit Witz Laut Literatur ist so ein Science Slam ein Wettstreit, bei dem junge Wissenschaftler auf der Bühne die Möglichkeit haben, außerhalb von Labor und Hörsaal ihre Masterarbeiten oder Forschungsprojekte vorzutragen – mit dem Ziel, auf leicht verdauliche Weise einem unbefleckten Publikum ihr Thema zu präsentieren. IQ (Informationsqualität) plus EQ (Erlebnisqualität) ergeben im besten Fall dann einen unterhaltsam-informativen Abend. Freilich ist nun nicht jede dieser Labormäuse mit einem Unterhaltungsgen ausgestattet. Genau hier liegt aber die Herausforderung.
So arbeitet sich die Kulturwissenschaftlerin Veronica Scholz an ihrem Thema „Der sowjetische Geheimdienst in Chemnitz“ab, Henry, der Schweizer, nimmt den „Zauberer von Ozon“zuhilfe, um Klimawandel und Ozonloch zu erklären – und auch Jessica, die Studentin, punktet mit ihrer Geschichte, die auf dem Stuttgarter Zollamt endet und in der Tektonik in Lima ihren Anfang nimmt. An sich sind das alles keine unspannenden Themen. Allein am Unterhaltungswert mangelt es ein wenig, wie sich spätestens herausstellt, als Robert Löw – der spätere Sieger – die Bühne betritt.
Löw ist bebrillter Leiter einer Arbeitsgruppe, die sich mit Quantenphysik beschäftigt. Als cooler Wissenschaftler trägt er Sneakers und die Ärmel am gestreiften Hemd lässig bis zum Ellbogen hochgerollt. Und fährt dann seine Geschützereihe auf. Die reicht vom offensiven Umgang mit den Schubladen (das Wort „Elfenbeinturm“fällt), über die Verwendung von Umgangssprache – Atome oder auch „Atömchen“sind bei ihm gerne „huschelig“oder „dusselig“– und endet nicht in der Parallelgeschichte, die er um Hühner gestrickt hat. „Atome in Käfighaltung“, damit hat er seinen Vortrag überschrieben.
Und obwohl aus den Reihen der Jury an diesem Abend auch kritische Stimmen laut werden („Wie’s funktioniert, das find ich immer noch schwierig“, verteidigt eine Jurorin ihr eher verhaltenes Votum), kassiert Löw schließlich die meisten Punkte beim Publikum – und nimmt am Ende des Abends als Preis ein gläsernes Gehirn und ein Geo-Jahresabonnement entgegen.
Science Slam