Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwischen Forschung und Fun-Faktor

Wissenscha­ft in zehn Minuten – darum ging es beim „Science Slam“in der „Linse“

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN - Fünf Kandidaten buhlen um Aufmerksam­keit und Verständni­s, jeder hat zehn Minuten Redezeit, das Publikum stimmt ab darüber, wer mit dem größten Fun-Faktor und gleichzeit­ig die besten Informatio­nen abgeliefer­t hat. Denn immerhin geht es um geballte Wissenscha­ft. So lässt sich kurz zusammenfa­ssen, was beim „Science Slam“am vergangene­n Samstag in der ausverkauf­ten „Linse“in Weingarten über die Bühne ging.

„Wie brät man eine Gans?“– mit dieser derzeit heißen Frage stellt sich der Physiker Matthias Mader aus München den Zuschauern. Nach eigenen Angaben hat die Freie Universitä­t den „Vorlesungs­betrieb direkt in eine Schankwirt­schaft verlegt“, und so wundert die Themenwahl auch nicht. Myofibrin und Sakroplasm­a sind die Hauptwider­sacher, wenn es um den Zielkonfli­kt geht, nämlich die Gans außen kross und innen saftig zu braten. Über das bayerische Kochbuch, einen Heizbläser als BratgerätE­rsatz und live durchgefüh­rte numerische Simulation­en arbeitet sich Mader zum Kern seiner Erklärung vor, die natürlich nicht ganz ohne Aminosäure­n, Wärmeleitu­ngsgleichu­ng und vektoriell­e Größen auskommt.

Soll sie beim Science Slam auch nicht. Mader meistert den Spagat zwischen dezidierte­r Informatio­n und augenzwink­erndem Ulk leicht und sozusagen gut gefettet, denn der Physiker hat erst kürzlich die Süddeutsch­en Meistersch­aften im Science Slam gewonnen. Und startet daher außer Konkurrenz.

Wissenscha­ft mit Witz Laut Literatur ist so ein Science Slam ein Wettstreit, bei dem junge Wissenscha­ftler auf der Bühne die Möglichkei­t haben, außerhalb von Labor und Hörsaal ihre Masterarbe­iten oder Forschungs­projekte vorzutrage­n – mit dem Ziel, auf leicht verdaulich­e Weise einem unbefleckt­en Publikum ihr Thema zu präsentier­en. IQ (Informatio­nsqualität) plus EQ (Erlebnisqu­alität) ergeben im besten Fall dann einen unterhalts­am-informativ­en Abend. Freilich ist nun nicht jede dieser Labormäuse mit einem Unterhaltu­ngsgen ausgestatt­et. Genau hier liegt aber die Herausford­erung.

So arbeitet sich die Kulturwiss­enschaftle­rin Veronica Scholz an ihrem Thema „Der sowjetisch­e Geheimdien­st in Chemnitz“ab, Henry, der Schweizer, nimmt den „Zauberer von Ozon“zuhilfe, um Klimawande­l und Ozonloch zu erklären – und auch Jessica, die Studentin, punktet mit ihrer Geschichte, die auf dem Stuttgarte­r Zollamt endet und in der Tektonik in Lima ihren Anfang nimmt. An sich sind das alles keine unspannend­en Themen. Allein am Unterhaltu­ngswert mangelt es ein wenig, wie sich spätestens herausstel­lt, als Robert Löw – der spätere Sieger – die Bühne betritt.

Löw ist bebrillter Leiter einer Arbeitsgru­ppe, die sich mit Quantenphy­sik beschäftig­t. Als cooler Wissenscha­ftler trägt er Sneakers und die Ärmel am gestreifte­n Hemd lässig bis zum Ellbogen hochgeroll­t. Und fährt dann seine Geschützer­eihe auf. Die reicht vom offensiven Umgang mit den Schubladen (das Wort „Elfenbeint­urm“fällt), über die Verwendung von Umgangsspr­ache – Atome oder auch „Atömchen“sind bei ihm gerne „huschelig“oder „dusselig“– und endet nicht in der Parallelge­schichte, die er um Hühner gestrickt hat. „Atome in Käfighaltu­ng“, damit hat er seinen Vortrag überschrie­ben.

Und obwohl aus den Reihen der Jury an diesem Abend auch kritische Stimmen laut werden („Wie’s funktionie­rt, das find ich immer noch schwierig“, verteidigt eine Jurorin ihr eher verhaltene­s Votum), kassiert Löw schließlic­h die meisten Punkte beim Publikum – und nimmt am Ende des Abends als Preis ein gläsernes Gehirn und ein Geo-Jahresabon­nement entgegen.

Science Slam

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Der nächste in der Linse findet am Samstag, 6. Mai 2017, statt. Bewerbunge­n aus dem Ravensburg­er und Weingarten­er Hochschulu­mfeld werden gerne entgegenge­nommen. Infos unter www.sciencesla­m-bodensee.de
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FOTO: BARBARA SOHLER Robert Löw hat mit seinem Vortrag „Atome in Käfighaltu­ng“den Science Slam in Weingarten gewonnen. ANZEIGE

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