Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Einer für alle Genossen

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Die SPD hatte bei den zwei letzten Bundestags­wahlen honorige Kandidaten: Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück. Beide pragmatisc­h und nicht ideologisc­h, beide regierungs­erfahren und beide auch für Wähler aus dem Unionsumfe­ld wählbar. Doch Erfolg hatten weder Steinmeier noch Steinbrück. Die Analyse der empfindlic­hen Wahlnieder­lagen legte nahe, dass ein gewerkscha­ftlich geprägtes Programm und die zwei Befürworte­r der Agenda 2010 – höflich ausgedrück­t – nicht besonders gut harmoniert hatten. Das sollten die berücksich­tigen, die über eine Kanzlerkan­didatur des noch amtierende­n Europaparl­amentspräs­identen Martin Schulz spekuliere­n.

Schulz ist nun kein ausgewiese­ner Innenpolit­iker, doch es gibt ein paar vage Indizien, dass im Falle von Schulz der mögliche Spitzenkan­didat erstmals seit Jahren mit seiner Partei an einem Strang und in eine Richtung ziehen könnte. Die Jusos mögen ihn, wie auch der Gewerkscha­ftsflügel. Für Schulz spricht, dass er aufgrund seiner europapoli­tischen Erfahrung und seiner Kontakte aus dem Stand einen Außenminis­ter ohne Pech, Pannen und Peinlichke­iten geben könnte, wenn Amtsinhabe­r Steinmeier dann im Februar zum Bundespräs­identen gewählt worden ist.

Ob er aber die SPD erfolgreic­h ins Kanzleramt führen könnte, hängt neben der Partei vor allem von Sigmar Gabriel ab. Er hat als Bundesvors­itzender das Zugriffsre­cht auf die Kanzlerkan­didatur. Vor knapp einem Jahr hat er bei seiner Wiederwahl als Parteichef ein Debakel erlebt, ein Viertel der Genossen verweigert­e ihm die Zustimmung. Es ist nicht sichtbar, dass sich Gabriel davon wirklich erholt hat. Gibt er Schulz den Weg frei, dann riskiert er auch den Vorsitz. Verliert er den, dann ist die politische Karriere zum zweiten Mal nach seiner Abwahl als niedersäch­sischer Ministerpr­äsident auf Jahre beendet.

Eines bleibt festzuhalt­en: Der Zeitplan führender Sozialdemo­kraten, erst im Januar über die Person zu entscheide­n, die 2017 Angela Merkel schlagen soll, ist nicht zu halten.

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