Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Seehofer stellt der CDU Bedingungen
CSU-Chef will Zahl der Flüchtlinge auf maximal 200 000 festlegen
AUGSBURG (KNA) - Die CSU macht eine Obergrenze für Asylsuchende zur Voraussetzung für eine weitere Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl 2017. Man werde im Bund nur dann mitregieren, wenn die Zahl von maximal 200 000 Flüchtlingen pro Jahr realisiert werde, sagte Parteichef Horst Seehofer der „Augsburger Allgemeinen“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist gegen eine Obergrenze. Die Frage sorgt seit Monaten für Streit innerhalb der Union.
BERLIN - Plötzlich ist sie wieder da, die Obergrenze. „Wir werden nur dann in Berlin mitregieren, wenn das realisiert wird“, pocht Horst Seehofer auf seine alte Forderung. „Diese Garantie gebe ich für meine Partei ab“, sagte der CSU-Chef und formuliert eine klare Bedingung in Richtung Schwesterpartei: Begrenzung der Zahl der Flüchtlinge auf 200 000 pro Jahr. Andernfalls werde die CSU im Falle eines Wahlsieges der Union nicht mit auf der Regierungsbank und am Kabinettstisch Platz nehmen. Es bleibe dabei, „weil eine Begrenzung die Voraussetzung dafür ist, dass Integration gelingt“, sagte Seehofer.
Seehofers Junktim – nur vier Tage nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre erneute Kandidatur angekündigt hatte, stellt sich der CSUChef erneut quer. Eigentlich hatte man in der Union darauf gesetzt, dass der Burgfrieden in den nächsten zehn Monaten bis zur Bundestagswahl halten, die CSU den Streit über das Flüchtlingsthema nicht mehr fortsetzen werde. Seehofer denkt aber offenbar gar nicht daran. „Das werden die schwierigsten zehn Monate, die CDU und CSU seit Jahrzehnten erlebt haben“, sagt er mit Blick auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf – und es klingt wie eine Drohung.
„Die CSU hat offenbar vor, Wahlkampf gegen Angela Merkel zu machen“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley und empfahl den Unionsparteien, getrennt zur Bundestagswahl anzutreten, sollte Seehofer seine Ankündigung ernst meinen. „Seehofer hebt mit dieser Erpressung den unionsinternen Machtkampf auf ein neues Niveau. Das sagt vor allem etwas über das tiefe Zerwürfnis der Union“, meinte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Im Kanzleramt und in der CDUSpitze gibt man sich gelassen. CDUVizechef Armin Laschet nannte Seehofers geforderte Obergrenze „irrelevant“, da die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge inzwischen deutlich darunter liege. Mit der CSU werde man wohl „keinen Konsens“über das Wort Obergrenze erreichen, sagte er. Merkels Entscheidung, im September 2015 die Grenzen zu öffnen, und ihr Kurs in der Flüchtlingspolitik habe zu einer Verschiebung der politischen Koordinaten geführt.
Einladung an Trump Auch auf anderen Politikfeldern beklagt Seehofer Differenzen und fordert von der Schwesterpartei CDU Korrekturen. Die vagen Pläne für Steuersenkungen der Christdemokraten gehen der CSU-Spitze nicht weit genug. Das von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Aussicht gestellte Entlastungsvolumen von rund 15 Milliarden Euro sei zu gering, hatte dessen bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) kritisiert. Und auch beim Thema Europa und in der Außenpolitik will die CSU andere Schwerpunkte setzen. So warnt Seehofer vor überzogener Kritik am künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Während sich etwa Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schockiert über dessen Wahl gezeigt hatte, hat ihn der bayerische Ministerpräsident in den Freistaat eingeladen. Er rät: „Warten wir doch die praktischen Handlungen ab.“