Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Preisträger
Er ist einer der bekanntesten Vertreter der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung. In den 1980er-Jahren stand Leonardo Boff auch deshalb im Mittelpunkt vatikanischer Kritik. Jetzt erwartet den 77-Jährigen am Sonntag in Berlin eine hohe Auszeichnung.
Nach dem sowjetischen Staatspräsident Gorbatschow erhält Boff die zum zweiten Mal vergebene Carl-Friedrich-vonWeizsäcker-Medaille. Die nach dem 2007 gestorbenen Physiker, Philosoph und Friedensforscher benannte Gesellschaft ehrt ihn „für sein entschiedenes Eintreten für eine wohlverstandene Befreiungstheologie“.
Boff wurde als Sohn italienischer Einwanderer 1938 in Brasilien geboren. 1964 trat er in den Franziskanerorden ein. Sein Theologiestudium an europäischen Universitäten beendete er 1970 mit einer Doktorarbeit, die er unter anderen bei Joseph Ratzinger erstellte – dem späteren Papst Benedikt XVI.
1981 veröffentlichte er das Buch „Kirche: Charisma und Macht“. Mit diesem Werk stieß er auf massiven Widerspruch Roms. Denn Boff stellt in seiner Analyse – bis heute – unter Bezug auf die Reformation das katholische Kirchenbild infrage. Der Institution stellt er die „wahre Kirche“des Heiligen Geistes entgegen, die lebendige Kirche der Armen. Das ist theologischer Sprengstoff. 1984 wurde Boff nach Rom geladen, zum Gespräch mit Ratzinger, dem Präfekten der Glaubenskongregation. Ein Jahr später folgte ein Rede- und Lehrverbot, die Enthebung von allen kirchlichen Ämtern.
Zwar erhielt er 1986 seine Ämter und seine Lehrbefugnis zurück, doch weitere Bücher sorgten für weitere Kontroversen. Als 1992 ein erneutes Rede- und Lehrverbot drohte, trat Boff aus dem Franziskanerorden aus und legte sein Priesteramt nieder. Danach lehrte er Ethik, Philosophie und Religion an der Universität von Rio de Janeiro. Heute lebt Boff mit der Theologin Marcia Maria Monteiro de Miranda in einem ökologischen Projekt in Petropolis.
Christoph Strack und Gregor Krumpholz/KNA