Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bauer aus Peru fordert RWE heraus
Landgericht Essen verhandelt Klage gegen den Energiekonzern wegen Klimaschäden
BERLIN - Ein peruanischer Bauer hat den Energieriesen RWE verklagt. Denn: In seiner Heimat drohen Überschwemmungen und Wetterextreme. Der Konzern soll die Verantwortung für die Folgen des Klimawandels übernehmen und für Schäden bezahlen. Hat die Klage Erfolg, könnten andere Opfer nachziehen.
Saúl Luciano Lliuya kann dabei zuschauen, wie sein Haus, sein Dorf in den peruanischen Anden langsam aber sicher zerstört werden. Da die Gletscher abschmelzen, droht ein Bergsee in der Region Huaraz überzulaufen. Die Folge: Überschwemmungen, die die Heimat von knapp 50 000 Menschen in größte Gefahr bringen. Der Bauer und Bergführer Lliuya will nicht länger abwarten, bis die Katastrophe passiert. Er geht gegen den vor, den er für das Schmelzen der Gletscher, für den Klimawandel, verantwortlich macht – den Energiekonzern RWE.
Am Donnerstag ging Lliuyas Kampf für mehr Gerechtigkeit in die nächste Runde. Und zwar vor dem Essener Landgericht. Der Kläger wirft RWE vor, durch den hohen Ausstoß des Konzerns an CO2 für den Klimawandel mitverantwortlich zu sein. Erstmals wurde der Fall Lliuya gegen RWE mündlich verhandelt. Der Bauer will mit seiner Klage erreichen, dass einer der vermutlich größten CO2-Emittenten Europas die Kosten für künftige Schutzmaßnahmen tragen muss.
Präzedenzfall schaffen Er fordert, dass die lokalen Behörden Wasser aus einem Gletschersee abpumpen und einen neuen Damm bauen. Das Projekt kostet mehrere Millionen Euro. Mit seiner Klage will Lliuya erreichen, dass RWE einen Anteil davon, knapp 0,47 Prozent, übernimmt. Konkret geht es um einen Höchstbetrag von rund 17 000 Euro. Seine Mindestforderung ist die Übernahme der Kosten, die er selbst tragen musste, um sein Haus vor der Flut zu sichern. Umgerechnet sind das knapp 6300 Euro.
In Europa hatte es eine derartige Klage bis dato noch nicht gegeben. Saúl Luciano Lliuya und seine Unterstützer wollen einen Präzedenzfall schaffen. „Dann könnte jede Person, die vom Klimawandel betroffen ist, vor Gericht ziehen und eine Klage gegen den CO2-Emittenten einreichen“, sagt Noah Walker-Crawford von Germanwatch. „Die Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen.“Die Organisation unterstützt den peruanischen Bauern bei seiner Klage. Vermutlich werden die Richter des Landgerichts in Essen nicht die letzten Rechtsexperten sein, die die Klage prüfen müssen. Lliuya und seine Unterstützer sind entschlossen, durch alle Instanzen zu gehen – auch wenn der Prozess sich über Jahre hinzieht.
Doch die Zeit ist knapp. Lliuya und die Bewohner des Dorfes können Die Klima-Klage eines peruanischen Bergbauern gegen den Energieriesen RWE beschäftigt das Essener Landgericht noch länger. Es setzte am Donnerstag einen neuen Termin für Mitte Dezember fest. Dann soll sich der weitere Verlauf des Verfahrens entscheiden. Der Vorsitzende Richter ließ nicht erkennen, in welche Richtung er neigen könnte. Er betonte allerdings, dass es zentral auf einen Zusammenhang zwischen den RWE-Schadstoffen und dem Gletscher in dem peruanischen Dorf ankomme. Der RWE-Anwalt erklärte vor dem Essener Landgericht, es gebe viele Ursachen für den Klimawandel – nicht mehrere Jahre warten, bis RWE tatsächlich zahlt. Laut Experte Walker-Crawford gibt es keine andere Anlaufstelle für den Bauern, um sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wehren.
Vor über einem Jahr hat Lliuya erstmals den Essener Energiekonzern RWE mit dem Problem konfrontiert. Dort hält man die Klage etwa Flugverkehr, Brandrodungen oder intensive Landwirtschaft in vielen Ländern. Zwischen dem Schadstoffausstoß von RWE und der Situation im Heimatort des Klägers in Peru gebe es keinen klaren kausalen Zusammenhang. „Seine Forderungen haben keine Rechtsgrundlage“, lässt ein Konzernsprecher ausrichten. Wegen der Vielzahl der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen und der Komplexität des Klimas sei es unmöglich, spezifische Auswirkungen einer Klimaveränderung juristisch einem einzelnen Emittenten zuzurechnen. „Das Klima wird durch viele natürliche und menschengemachte Faktoren verursacht“, heißt es. (dpa) und das Anliegen des Bauern für unbegründet.
Die Beträge, die Bauer Lliuya einfordert, sind gering, im Vergleich zu den Milliardenumsätzen eines Großkonzerns lächerlich. Auf einen Vergleich wird es das Unternehmen vermutlich dennoch nicht ankommen lassen. Schließlich könnte dies als Eingeständnis einer Schuld ausgelegt werden.
Lliuyas Unterstützer sehen durchaus eine Schuld von RWE am Klimawandel und damit an der existenziellen Bedrohung des Bauern, seiner Familie und seiner Nachbarn. Man müsse im Detail beweisen, dass RWE sehr wohl eine Mitverantwortung trage für die Gefährdung des Eigentums des Peruaners, hatte Lliuyas Anwältin Roda Verheyen bereits mitgeteilt.
Die Klage des peruanischen Kleinbauern gegen den Energieriesen RWE gleicht dem berühmten Kampf David gegen Goliath. Der Prozess wird anstrengend, zermürbend. Aufgeben will er nicht. Schließlich geht es ihm nicht nur um sein Zuhause, sondern um das Gemeinwohl. „Der Klimawandel betrifft alle Länder der Welt, wir müssen uns deswegen für die Gerechtigkeit einsetzen“, erklärt Lliuya.