Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Südwestmetall fürchtet „schwer kalkulierbare Risiken“
Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie fordern Lohnzurückhaltung – IG Metall zeigt sich verwundert
FRIEDRICHSHAFEN (sz/ben) - Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in der Region BodenseeOberschwaben blicken mit verhaltener Skepsis auf das kommende Jahr. In einer Umfrage der Bezirksgruppe Bodensee-Oberschwaben des Arbeitgeberverbands Südwestmetall unter 80 Mitgliedsfirmen erwarten rund drei Viertel der Betriebe für das kommende Jahr lediglich eine gleichbleibende (53 Prozent) oder sogar eine schlechtere Entwicklung (21 Prozent). Nur 26 Prozent der Unternehmen sehen 2017 eine bessere Auslastung als in diesem Jahr.
„Wichtige Wachstumsmärkte unserer Unternehmen befinden sich in der Krise“, erklärte der Bezirksgruppen-Vorsitzende Bernhard Böck am Donnerstag auf der Mitgliederversammlung in Friedrichshafen. „Zwar erwarten die Ökonomen für das kommende Jahr wieder eine etwas lebhaftere Weltkonjunktur, was auch unseren Exporten helfen sollte, andererseits bedeutet der Brexit auch ein schwer kalkulierbares Risiko für unsere Unternehmen.“Zudem dürfe nicht übersehen werden, dass viele Staaten derzeit eine Tendenz zeigten, ihre Wirtschaft gegen Konkurrenz aus dem Ausland abzuschirmen, warnte der Chef des Leutkircher Kugellagerherstellers Myonic.
„In dem Zusammenhang bleibt zu hoffen, dass der neu gewählte Präsident der USA, Donald Trump, seine protektionistischen Ankündigungen aus dem Wahlkampf nicht wahrmachen wird“, sagte Böck. „Sollte er wirklich versuchen, sein Land durch Zölle und andere Handelshemmnisse abzuschotten, würde das unsere Unternehmen hart treffen. Immerhin sind die USA der Exportmarkt Nummer eins für die baden-württembergische Wirtschaft.“Die jüngste Ankündigung von Trump, bereits am ersten Tag seiner Amtszeit das transpazifische Freihandelsabkommen TPP aufzukündigen, lasse aber wenig Gutes erwarten.
Angesichts dieser hohen globalen Unsicherheiten forderte der Arbeitgeber-Vertreter die Politik zu einem wirtschaftsfreundlichen Kurs auf. „Doch anstatt diesen einzuschlagen, belastet die Politik die Wirtschaft mit immer mehr überflüssiger Bürokratie“, kritisierte Böck. Als jüngste Beispiele nannte er die geplante Neuregelung des Mutterschutzrechts und das ebenfalls in Arbeit befindliche Lohngerechtigkeitsgesetz.
Auf eine weitere Problematik verwies Bezirksgruppen-Geschäftsführerin Carolin Bischoff: „Mit etwas mehr Beschäftigten produzieren die Metall- und Elektro-Unternehmen heute kaum mehr als vor der großen Finanzkrise – aber das zu deutlich höheren Lohnkosten.“Die Lohnsteigerungen hätten zuletzt regelmäßig oberhalb der Produktivitätsentwicklung gelegen, so Bischoff.
Schlechtere Wettbewerbsfähigkeit „Doch jede Lohnsteigerung, die größer ausfällt als das Produktivitätswachstum, verschlechtert damit unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit“, warnte die BezirksgruppenGeschäftsführerin: „Wenn wir nicht aufpassen, gefährden wir die Zukunft des Produktionsstandorts BadenWürttemberg.“Die Gewinne kämen mehr und mehr aus dem Ausland, wo die Unternehmen zunehmend bessere Standort- und Wettbewerbsbedingungen vorfänden. „Wir müssen wieder zu dem Weg zurückfinden, den wir Anfang der 2000er-Jahre beschritten haben, als nur verteilt wurde, was es zu verteilen gab“, mahnte sie.
„Unternehmen verdienen gut“Bei der IG Metall stieß diese Analyse auf Verwunderung. Zurückhaltung in der Tarifpolitik sei kein geeignetes Mittel zur Zukunftssicherung. „Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wird durch gut bezahlte Fachkräfte, kluge und menschengerechte Produktionssysteme und Implementierung neuer Technologien gesichert“, sagte Enzo Savarino, der erste Bevollmächtigte der IG Metall Bodensee-Oberschwaben.
Savarino wies die Forderung nach Lohnzurückhaltung zurück. „Die Tarifpolitik der IG Metall ist und bleibt der Erfolgsfaktor in Baden-Württemberg – und unsere Unternehmen verdienen gut“, sagte der Gewerkschafter auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Bisher habe man bei allen Tarifauseinandersetzungen gute Lösungen gefunden, genau das sei in den Krisenjahren seit 2008 bewiesen worden.