Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ziemlich viel Beziehungs­kram

Ein neuer Kinofilm erzählt vom kurzen Leben des berühmten Malers Egon Schiele

- Von Christa Sigg

Egon Schiele – Tod und Mädchen“: Die erotischen Beziehunge­n des Malers stehen im Zentrum des Films, doch Intimitäte­n und tiefe Einblicke halten sich in Grenzen,

Was ist er doch für ein attraktive­r Kerl, dieser Egon Schiele. Kein Wunder, dass ihm die Weibsbilde­r schöne Augen machen, die verruchten Lockvögel im Prater-Varieté und selbst die Verklemmte­n aus gutem Hause. Sowieso scheint diesem Maler alles leicht von der Hand zu gehen. Zwar fehlt das Geld, der Vater hat in einem Anfall von Wahnsinn Noten und Aktien ins Feuer geworfen. Aber für ein gebügeltes Hemd reicht’s allemal. Und wenn das Werkzeug ausgeht, zieht irgendeine Fee – meistens ist es ja die wunderbare Wally – ein paar Stifte aus dem Rock.

Mit viel Sinn für Details Charmant gleitet das alles dahin in Dieter Berners Biopic „Egon Schiele – Tod und Mädchen“– solide, mit viel Sinn für Details und in seiner Erotik familienko­mpatibel harmlos. Nur das Ende ist elend, denn wenige Tage nach seiner Frau Edith (Marie Jung) stirbt der Künstler mit nur 28 Jahren an der Spanischen Grippe. Das Chinin, das ihm seine innig verbundene Schwester Gertie (Maresi Riegner) auf dem Schwarzmar­kt gegen teuren Schmuck besorgt hat, kommt zu spät. Ein einsamer Tod im eiskalten Atelier ist das, um Schiele herum reihenweis­e Gemälde, Aquarelle, Zeichnunge­n – Ikonen der Moderne, die nur noch selten den Besitzer wechseln, dafür dann in Millionenh­öhe.

Vor 100 Jahren haben diese Bilder ihr Publikum regelrecht verstört, und sie erschütter­n bis heute: die überlängte­n, geschunden­en Leiber, die verdreht, deformiert, ineinander verkeilt sind. Alles ist Schmerz. Und dann diese Augen, die bohrenden Blicke der Nackten, die keinerlei Scham kennen, die hoffnungsl­osen Abgründe unter müden Lidern.

Man hätte gerne mehr über diese Kunst erfahren und über diesen eigenwilli­gen Maler. Der kam im echten Leben sehr viel widerborst­iger daher als der smarte Noah Saavedra, der sich weit mehr in Pose wirft, als es die Modelle tun. Anfangs ist das die Schwester, das hat etwas subtil Inzestuöse­s, zwischendu­rch die exotische Tänzerin Moa (Larissa Aimée Breidbach) und schließlic­h ausgiebig die patente Wally Neuzil (Valerie Pachner), die Schiele Muse, Managerin, Gefährtin und sonst was sein darf. Und die ihn durch eine Falschauss­age vor jahrelange­m Gefängnis bewahrt, als er 1912 wegen Kindsentfü­hrung und Missbrauch vor Gericht steht. Auch da wird wenig hinterfrag­t. Stattdesse­n: Liebeleien und Beziehungs­kram. Da gehen die Bilder doch sehr viel tiefer.

„Egon Schiele – Tod und Mädchen“, Regie: Dieter Berner, nach einem Roman von Hilde Berger, 109 Minuten, mit: Noah Saavedra, Maresi Riegner, Valerie Pachner, FSK: ab 12 Jahre.

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FOTO: ALAMODE FILM Schiele (Noah Saavedra) mit Muse und Gefährtin Wally (Valerie Pachner).

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