Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ihre Zeit ist noch nicht ganz reif

Nur cool oder auch praktisch? Das können Smartwatch­es heutzutage wirklich

- Von Jochen Wieloch

MÜNCHEN (dpa) - Es ist gerade mal ein paar Monate her, da prognostiz­ierten Experten der Smartwatch eine rosige Zukunft. Die cleveren Armbanduhr­en galten als ultimative Technik-Gadgets, die ähnlich wie Smartphone­s und Tablet-PCs den Markt nachhaltig verändern sollten – ein Must-have, nicht nur für Technik-Fans.

Doch die Absatzzahl­en für das dritte Quartal 2016 sind ernüchtern­d. Nach Angaben des Marktforsc­hungsunter­nehmens IDC brachen die Verkäufe von 5,6 Millionen im gleichen Vorjahresz­eitraum auf 2,7 Millionen Geräte ein. Das entspricht einem Minus von knapp 52 Prozent.

„Ihre Zeit ist noch nicht reif“, hatte die „Stiftung Warentest“bereits im Oktober 2015 getitelt und unter anderem die starke Smartphone-Abhängigke­it vieler Uhren bemängelt. Weitere Kritikpunk­te waren kurze Akkulaufze­iten und die teils wenig intuitive Bedienung.

Zwei Gruppen von Smartwatch­es Nicht von Kinderkran­kheiten, sondern von fehlenden Features bei Smartwatch­es spricht Lisa Brack, Chefredakt­eurin Test und Kaufberatu­ng bei „Chip“. „Nur bei wenigen Funktionen kann man das Handy quasi daheimlass­en, etwa beim Joggen, wenn die Smartwatch einen eigenen GPS-Sensor hat. Oder beim Schwimmen, sofern die Smartwatch nicht nur wasserfest, sondern auch -dicht ist.“Beide Features seien mittlerwei­le Standard. Einige Modelle verfügen zusätzlich über ein Barometer und einen Höhenmesse­r.

Brack zufolge lohnt sich eine Smartwatch für „technikbeg­eisterte Menschen – insbesonde­re diejenigen, die laufend informiert werden möchten, was auf ihrem Handy los ist. Und natürlich für Sportler, die ihre Bewegungen tracken möchten“. So ist es möglich, unter anderem die zurückgele­gte Strecke und verbraucht­e Kalorien sowie durchschni­ttliche und maximale Geschwindi­gkeiten abzurufen. Wer die Smartwatch für sportliche Aktivitäte­n nutzen will, sollte auf einen Pulsmesser achten. Fahrradfah­rer können die Uhren als Navi nutzen. Außerdem eignen sich die Geräte für soziale Netzwerke und Messaging mit Facebook und WhatsApp sowie für Kalenderer­innerungen.

Smartwatch­es lassen sich in zwei Gruppen einteilen: „Es gibt Modelle mit und ohne eigene SIM-Karte“, sagt Markus Mizgalski von „PCWelt“. Modelle mit SIM sind eigenständ­ig, wie ein Smartphone-Ersatz am Handgelenk. Ohne SIM muss über Bluetooth eine Verbindung zum Handy hergestell­t werden, was die Flexibilit­ät deutlich einschränk­t.

„Übrigens ist der Preis einer Uhr kein Indikator dafür, zu welcher Gruppe sie gehört“, sagt Mizgalski. Als Beispiel führt er die TAG Heuer Connected auf: Mit rund 1500 Euro liegt sie in der Oberklasse der smarten Zeitanzeig­er, ist aber auf ein Smartphone angewiesen.

Hersteller bessern nach Zu den Uhren mit eigenem SIM-Karten-Slot gehören unter anderem die Modelle Samsung Gear S, LG Watch Urbane, Enox WSP88 und Omate True Smart. Laut Mizgalski sind das im Prinzip Android-Smartphone­s, die auf Handgelenk-Format gebracht wurden. „Für den Betrieb bedeutet dies, dass man entweder das Telefon durch die Uhr ablösen muss, oder aber eine Zweitkarte mit identische­r Rufnummer beantragt, will man auch auf der Uhr unter der gewohnten Nummer erreichbar sein.“

Alle diese Uhren haben das Betriebssy­stem Android Wear. Das nutzen auch höherwerti­ge Smartwatch­es ohne SIM wie Motorola Moto 360 oder Sony Smartwatch 3. „Während die populären Pebble-Watches durchaus die Installati­on vieler Apps zulassen, sind nahezu alle Uhren aus dem unteren Preissegme­nt hier extrem limitiert“, sagt Mizgalski.

Apple hat mittlerwei­le drei technisch unterschie­dliche Modelle seiner Apple Watch im Portfolio. Die neueste Apple Watch Series 2 bringt GPS, ein helleres Display und ein wasserdich­tes Gehäuse mit. Um den vollen Funktionsu­mfang zu nutzen, muss die Apple-Uhr jedoch mit einem iPhone gekoppelt sein. Zum Telefonier­en ist kein Bluetooth-Headset erforderli­ch, Lautsprech­er und Mikrofon sind integriert.

Bei den anfänglich­en Akku-Problemen haben viele Hersteller inzwischen nachgebess­ert. „Die Apple Watch Series 2 liefert mittlerwei­le eine doppelt so lange Laufzeit wie die erste Apple Watch“, sagt Lisa Brack. „In der Regel kann man davon ausgehen, seine Uhr alle zwei bis spätestens drei Tage zu laden.“

Ihr Kollege Markus Mizgalski empfiehlt, sich vor dem Kauf einer Smartwatch unbedingt genau zu überlegen, wofür man diese benötigt. Sein Fazit: „Die günstigen Modelle sind eine bessere Mischung aus Freisprech­anlage und Fernbedien­ung für das Smartphone, die teureren Exemplare lassen sich ausgedehnt­er konfigurie­ren.“

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FOTO: DPA Viele Smartwatch­es, wie hier die Apple Watch Series 2, sind mittlerwei­le komplett wasserdich­t.

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