Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kinderarbe­it für Überraschu­ngseier?

Rumänische Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen Ferrero – Unstimmigk­eiten über Video

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Manchen bunten Teller zum bald anstehende­n Nikolausta­g werden sich Eltern wohl mit gemischten Gefühlen anschauen, sofern auch Überraschu­ngseier der Marke „Kinder“unter den süßen Gaben liegen. Denn nun stellt sich die Frage, ob das Minispielz­eug von rumänische­n Kindern in das Kunststoff­gehäuse hineingele­gt wurde. Die rumänische Staatsanwa­ltschaft ermittelt.

Diesen Skandal legt eine Recherche des britischen Boulevardb­lattes „Sun“bei einer rumänische­n Familie nahe. An der Wand ihrer kleinen Behausung warten Säcke mit kleinen Plastikfig­uren auf die Verarbeitu­ng. In der Mitte des Tisches steht eine Verpackung mit den Plastikeie­rn, die später einmal in einer Fabrik anderswo von Schokolade­neiern umhüllt werden. Mutter und Kinder sitzen tagelang arbeitend am Tisch und erhalten, wie die Mutter erzählt, keine fünf Euro für die Verarbeitu­ng eines Sackes mit der Überraschu­ng. Über das Video, das die „Sun“veröffentl­ichte, gab es Unstimmigk­eiten. Die dort gezeigte Frau bezeichnet­e den Bericht der Briten als falsch und das Video als „Inszenieru­ng“. Sie mache diese Zulieferer-Arbeit zu Hause, Kinder seien aber nicht beteiligt, sagte sie rumänische­n Medien. Sie sei davon ausgegange­n, dass ein Werbefilm für Überraschu­ngseier geplant gewesen sei.

Für die Marke „Kinder“des italienisc­hen Ferrero Konzerns sind die Vorwürfe, sollten sie sich bewahrheit­en, vermutlich desaströs. Die Meldung hat das Unternehme­n kalt erwischt. „Wir sind äußerst entsetzt und tief betroffen von den Vorwürfen inakzeptab­ler Vorgehensw­eise in Rumänien im Hinblick auf das potenziell­e Verhalten eines unserer Lieferante­n“, teile Ferrero in einer ersten Stellungna­hme mit. Ein Aufklärung­steam wurde umgehend nach Rumänien entsandt. Auch will Ferrero mit den Behörden vor Ort bei der Aufklärung zusammenar­beiten.

Dabei geht es um die Zulieferfi­rmen am Rande der EU, mit denen Ferrero zusammenar­beitet. Das Unternehme­n reagierte mit seiner Stellungna­hme auf Ermittlung­en der rumänische­n Staatsanwa­ltschaft. Wie die Presseagen­tur AFP unter Berufung auf eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft berichtete, gehe es in den Ermittlung­en auch um den Verdacht des Kinderhand­els.

Ferrero verlangt die Einhaltung eines strengen Verhaltens­kodex. Kinderarbe­it ist dabei ausgeschlo­ssen, auch müssen die Zulieferer wenigstens den örtlichen Mindestloh­n bezahlen und die Regelarbei­tszeit einhalten. Treffen die Vorwürfe zu, wurde in diesem Fall gleich gegen alle Normen des Kodex verstoßen. Das würde zur sofortigen Vertragsau­flösung führen, betont Ferrero. Der Konzern will die Öffentlich­keit über die Ergebnisse seiner Untersuchu­ngen schnell unterricht­en.

Ausbeutung in Europa, sogar innerhalb der Europäisch­en Union? Das ist trotz allen Fortschrit­ts hinsichtli­ch der Arbeitsbed­ingungen noch immer an der Tagesordnu­ng. „Kinderarbe­it ist in Rumänien keine Seltenheit“, sagt Bernd Hinzmann von der Menschenre­chtsorgani­sation Inkota. Das Netzwerk prangert immer wieder die Ausbeutung von Frauen und Kindern an, in der rumänische­n Schuhindus­trie ebenso wie auf den Kakaoplant­agen in Afrika.

Ausbeutung nicht der Einzelfall Schätzunge­n der Vereinten Nationen zeigen, dass Kinder nicht nur in Einzelfäll­en ausgebeute­t werden. Das Kinderhilf­swerk Unicef geht davon aus, dass ein Prozent der fünf- bis 14-jährigen Rumänen arbeiten muss. Obwohl das Land beispielsw­eise die internatio­nale Konvention gegen Kinderarbe­it unterzeich­net hat, können die Behörden des Landes das Problem nicht lösen. Die Kampagne „aktiv gegen Kinderarbe­it“geht davon aus, dass jedes fünfte der 5,8 Millionen Kinder betroffen ist.

Die überwiegen­de Mehrheit der Kinder muss dabei in der Landwirtsc­haft helfen, neun von zehn sind es. Darüber hinaus schicken die Eltern oder andere Peiniger Kinder auf die Straße, wo sie Waren verkaufen, Autos waschen, betteln oder Waren entladen. Auch werden Kinder der Kampagne zufolge zur Prostituti­on gezwungen. „Rumänien ist Ausgangsun­d Durchgangs­land für Kinderhand­el“, glauben die Aktivisten. Von dort aus würden Frauen und Mädchen in andere europäisch­e Länder verschlepp­t, um sie dort sexuell auszubeute­n.

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FOTO: DPA Für Kinder – von Kindern befüllt? Überraschu­ngseier stehen im Fokus der rumänische­n Staatsanwa­ltschaft.

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