Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Der Türkei-Deal kann nur Plan B sein“

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BERLIN - Der österreich­ische Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP, Foto: dpa) sieht im Flüchtling­sabkommen mit der Türkei keine dauerhafte Lösung. Die Hilfe vor Ort müsse verstärkt werden, sagte Kurz im Gespräch mit Tobias Schmidt.

Herr Kurz, die Türkei droht mit der Aufkündigu­ng des Flüchtling­spaktes, nachdem das EUParlamen­t eine Aussetzung der Beitrittsv­erhandlung­en gefordert hat. Ist die EU erpressbar? Europa darf sich nicht erpressen lassen und muss eigenständ­ig seine Grenze schützen. Wer sich nur auf den Deal verlässt, wird bald selbst verlassen sein. Es wäre falsch von der EU-Spitze, wenn sie die klare Stellungna­hme des EU-Parlaments gegen die gedankenlo­se Fortsetzun­g der Beitrittsg­espräche wegen solcher Drohungen ignorieren würde.

Die Drohung aus Ankara, die EU werde „mit Flüchtling­en überflutet“, beunruhigt Sie nicht? Ich habe immer gesagt, dass der Türkei-Deal nur Plan B sein kann, Plan A muss ein eigener Schutz der Außengrenz­e nach australisc­hem Vorbild sein. Nicht eins zu eins das Australien-Modell, aber vom Grundprinz­ip her. Nämlich, dass die illegale Einreise nicht mehr mit einem Ticket nach Mitteleuro­pa verbunden ist. Es muss jedem klar sein: Wer sich illegal auf den Weg macht, wird gestoppt und in einem Auffangzen­trum an der EU-Außengrenz­e angehalten, wo er menschenwü­rdig versorgt und seine Rückführun­g organisier­t wird.

Die Zahl der Flüchtling­e ist durch den Pakt mit der Türkei stark zurückgega­ngen. Was muss die EU tun, um eine neue Krise zu verhindern? Die Zahlen sind durch die Schließung der Balkanrout­e in Mazedonien von bis zu 15 000 pro Tag auf rund 1000 zurückgega­ngen. Durch den Türkei-Deal dann noch stärker. Zur dauerhafte­n Eindämmung der Flüchtling­skrise müssen wir die Hilfe vor Ort verstärken. Österreich verdoppelt im kommenden Jahr seine bilaterale Entwicklun­gshilfe. Und wir müssen legale Resettleme­nt-Programme auflegen. Dafür müssen wir Asylzentre­n vor Ort einrichten, aus denen die EU-Länder freiwillig, auf legalem Weg und gut organisier­t die Ärmsten der Armen holen können.

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