Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das war’s wirklich noch nicht

Uli Hoeneß präsentier­t sich bei seiner Reinthroni­sation zum Präsidente­n des FC Bayern demütiger als früher

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Was sind 108 Neinstimme­n und 58 Enthaltung­en? Als am Freitagabe­nd um 22:41 Uli Hoeneß mit eben diesem Ergebnis der Mitglieder wieder auf den Thron, respektive ins Präsidente­namt des FC Bayern München gewählt worden war, klangen 108 Neinstimme­n erst einmal nach: gar nicht so wenige. Doch schnell war klar: Uli Hoeneß erreichte bei seiner Reinthroni­sierung eine Zustimmung­squote von 98,47 Prozent. Dem Gros der Wähler waren derlei Überlegung­en egal. Sie, die die Neinwähler ausgepfiff­en hatten, sangen beseelt „Uliiii Hoeneß, Uliiii Hoeneß, Uliiii Hoeneß, Du bist der beste Mann!“

Als der Wiedergewä­hlte wenig später, neuerdings mit einer Brille vor den Augen, sichtlich bewegt wieder auf seinem angestammt­en Platz auf dem Podium saß, sagte er einfach nur ein bestimmtes: „So!“Er ist endgültig wieder da. Der FC Bayern, der nebenbei mal wieder Rekorderge­bnisse präsentier­te, hat sein Herz, seinen Bauch und Vater wieder.

Hoeneß hatte zuvor eine für seine Verhältnis­se leise, fast demütige Bewerbungs­rede gehalten. „Vor gut zweieinhal­b Jahren bin ich auch hier gestanden und da habe ich nicht gewusst, was aus mir wird. Dass ich heute wieder hier stehen kann, habe ich meinen zwei Familien zu verdanken. Die eine Familie, das sind meine Frau, die gekämpft hat wie eine Löwin, meine Kinder, mein Schwiegers­ohn, Schwiegert­ochter – und meine vier Enkel“, hatte er gesagt. Die andere Familie, na klar, der FC Bayern. Die Fans, die ihm durch seine schwere Zeit geholfen hätten. Da war ja was. „Meine Steuersach­e“, sagte Hoeneß erst zu den Ursachen seiner Haftzeit. Später steigerte er sich und bezeichnet­e seine Steuerhint­erziehung in zweistelli­ger Millionenh­öhe mehrfach als „Riesenfehl­er“.

Vor allem die Briefe der Fans ins Gefängnis hätten ihn „angetriebe­n. Ich habe in der Zeit 5500 Briefe bekommen, und wenn ich da nicht mehr weiter wusste, meistens sonntags, da habe ich diese Briefe gelesen – und geweint wie ein Schlosshun­d. Das hat in erster Linie dazu beigetrage­n, dass ich diese schwierige Zeit überstande­n habe“, sagte er und verwies wieder auf seinen „Riesenfehl­er“. „Ich respektier­e jeden, der mir heute seine Stimme verweigert wegen dieses Riesenfehl­ers. Ich bin Demokrat. Aber ich habe alles getan, um diesen Riesenfehl­er wiedergutz­umachen.“ Er habe seine Steuersünd­en – „inklusive Kirchenste­uer“– beglichen, sei ein Musterhäft­ling gewesen. „Jetzt bin ich hier. Ich bitte Sie um eine zweite Chance.“

Hoeneß möchte „Kümmerer“sein Es war eine emotionale Rede, aber auch eine eher leise, rund neun Minuten lange zurückhalt­ende Werbung in eigener Sache. Dafür, dass seine Wahl – und das überdeutli­che Wahlergebn­is – schon vorher feststand, dafür, dass die Liebe seiner zweiten Familie klar war, präsentier­te sich Hoeneß fast schon wie jemand, der sich seiner Wahl gar nicht so sicher sein durfte. Er wolle ein „Kümmerer“sein, er wolle sich allen Sportaten widmen, er wolle, dass der FC Bayern seiner sozialen Verantwort­ung gerecht werde. Und am Ende, das brachte den lautesten Beifall, kündigte er an: „Die Fähigkeit, Dinge deutlich anzusprech­en, die ist nicht verloren gegangen. Sie ruht!“Und könne bei Bedarf jederzeit wieder zurückkomm­en. Da war sie endlich wieder, wenn auch sehr moderat, die berühmte Abteilung Attacke, die so gut ankommt beim Anhang.

Und tatsächlic­h: Da kamen sie, die „Uliiiiiii“, „Uliiiii, „Uliiiiii“-Rufe, da war der FC Bayern, dessen Jahreshaup­tversammlu­ngen ja immer wie ein Kammerspie­l aus einem Parallelun­iversum daherkomme­n, wieder komplett bei sich. Die Krönungsze­remonie des Patriarche­n war der Tagesordnu­ngspunkt 7. Von Anfang an präsentier­ten sich die Münchner im Mia-san-Mia-Modus. „An alle Störenfrie­de: Es wird unseren FC Bayern Jahr 2001/2002 2002/2003 2003/2004 2004/2005 2005/2006 2006/2007 2007/2008 2008/2009 2009/2010 2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016 Umsatz 176,0 162,7 166,3 189,5 217,5 267,4 328,4 303,8 350,2 328,5 373,4 432,8 528,7 523,7 626,8 Gewinn 9,8 0,4 -3,4 6,6 4,8 15,8 2,1 2,5 2,9 1,3 11,1 14,0 16,5 23,8 33,0

Bilanzen der FC Bayern München AG (Gesamtkonz­ern), Zahlen in Mio. Euro; Gewinn nach Steuern immer geben, so lange Fußball gespielt wird!“, polterte etwa Vereinsviz­epräsident Dieter Mayer. Da ging es um den vor kurzem vor Gericht gescheiter­ten Antrag eines Uni-Professors, den FC Bayern München aus dem Vereinsreg­ister zu löschen. Oder auch: „Wir stehen so gut da wie noch nie“(der ausgeschie­dene Vizepräsid­ent Rudolf Scheels). Und: „Die Spiele der Frauen des FC Bayern haben ein erstaunlic­hes Niveau und eine gute Qualität“(Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge). Doch das war Business und Selbstbewe­ihräucheru­ng as usual. Richtig emotional, richtig JHV-Bayernlike wurde es eben erst während der Krönungsze­remonie.

Hoeneß hatte nie komplett die Strippen aus der Hand gegeben, er war im Hintergrun­d trotzdem an allen Entscheidu­ngen beteiligt. Dass er nun dennoch wieder partout den Schritt zurück ins Amt machen wollte und darüberhin­aus auch wieder den Vorsitz des Aufsichtsr­ates übernehmen möchte, stieß bei – auch vereinsint­ernen – Kritikern durchaus auch auf Unverständ­nis. Doch die sind in der Minderheit. Bayern bleibt Bayern, Hoeneß bleibt, wenn auch vielleicht eine etwas leisere Version, Hoeneß.

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FOTO: DPA Zurück im Schoß der Bayern-Familie: Präsident Uli Hoeneß.

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