Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das war’s wirklich noch nicht
Uli Hoeneß präsentiert sich bei seiner Reinthronisation zum Präsidenten des FC Bayern demütiger als früher
MÜNCHEN - Was sind 108 Neinstimmen und 58 Enthaltungen? Als am Freitagabend um 22:41 Uli Hoeneß mit eben diesem Ergebnis der Mitglieder wieder auf den Thron, respektive ins Präsidentenamt des FC Bayern München gewählt worden war, klangen 108 Neinstimmen erst einmal nach: gar nicht so wenige. Doch schnell war klar: Uli Hoeneß erreichte bei seiner Reinthronisierung eine Zustimmungsquote von 98,47 Prozent. Dem Gros der Wähler waren derlei Überlegungen egal. Sie, die die Neinwähler ausgepfiffen hatten, sangen beseelt „Uliiii Hoeneß, Uliiii Hoeneß, Uliiii Hoeneß, Du bist der beste Mann!“
Als der Wiedergewählte wenig später, neuerdings mit einer Brille vor den Augen, sichtlich bewegt wieder auf seinem angestammten Platz auf dem Podium saß, sagte er einfach nur ein bestimmtes: „So!“Er ist endgültig wieder da. Der FC Bayern, der nebenbei mal wieder Rekordergebnisse präsentierte, hat sein Herz, seinen Bauch und Vater wieder.
Hoeneß hatte zuvor eine für seine Verhältnisse leise, fast demütige Bewerbungsrede gehalten. „Vor gut zweieinhalb Jahren bin ich auch hier gestanden und da habe ich nicht gewusst, was aus mir wird. Dass ich heute wieder hier stehen kann, habe ich meinen zwei Familien zu verdanken. Die eine Familie, das sind meine Frau, die gekämpft hat wie eine Löwin, meine Kinder, mein Schwiegersohn, Schwiegertochter – und meine vier Enkel“, hatte er gesagt. Die andere Familie, na klar, der FC Bayern. Die Fans, die ihm durch seine schwere Zeit geholfen hätten. Da war ja was. „Meine Steuersache“, sagte Hoeneß erst zu den Ursachen seiner Haftzeit. Später steigerte er sich und bezeichnete seine Steuerhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe mehrfach als „Riesenfehler“.
Vor allem die Briefe der Fans ins Gefängnis hätten ihn „angetrieben. Ich habe in der Zeit 5500 Briefe bekommen, und wenn ich da nicht mehr weiter wusste, meistens sonntags, da habe ich diese Briefe gelesen – und geweint wie ein Schlosshund. Das hat in erster Linie dazu beigetragen, dass ich diese schwierige Zeit überstanden habe“, sagte er und verwies wieder auf seinen „Riesenfehler“. „Ich respektiere jeden, der mir heute seine Stimme verweigert wegen dieses Riesenfehlers. Ich bin Demokrat. Aber ich habe alles getan, um diesen Riesenfehler wiedergutzumachen.“ Er habe seine Steuersünden – „inklusive Kirchensteuer“– beglichen, sei ein Musterhäftling gewesen. „Jetzt bin ich hier. Ich bitte Sie um eine zweite Chance.“
Hoeneß möchte „Kümmerer“sein Es war eine emotionale Rede, aber auch eine eher leise, rund neun Minuten lange zurückhaltende Werbung in eigener Sache. Dafür, dass seine Wahl – und das überdeutliche Wahlergebnis – schon vorher feststand, dafür, dass die Liebe seiner zweiten Familie klar war, präsentierte sich Hoeneß fast schon wie jemand, der sich seiner Wahl gar nicht so sicher sein durfte. Er wolle ein „Kümmerer“sein, er wolle sich allen Sportaten widmen, er wolle, dass der FC Bayern seiner sozialen Verantwortung gerecht werde. Und am Ende, das brachte den lautesten Beifall, kündigte er an: „Die Fähigkeit, Dinge deutlich anzusprechen, die ist nicht verloren gegangen. Sie ruht!“Und könne bei Bedarf jederzeit wieder zurückkommen. Da war sie endlich wieder, wenn auch sehr moderat, die berühmte Abteilung Attacke, die so gut ankommt beim Anhang.
Und tatsächlich: Da kamen sie, die „Uliiiiiii“, „Uliiiii, „Uliiiiii“-Rufe, da war der FC Bayern, dessen Jahreshauptversammlungen ja immer wie ein Kammerspiel aus einem Paralleluniversum daherkommen, wieder komplett bei sich. Die Krönungszeremonie des Patriarchen war der Tagesordnungspunkt 7. Von Anfang an präsentierten sich die Münchner im Mia-san-Mia-Modus. „An alle Störenfriede: Es wird unseren FC Bayern Jahr 2001/2002 2002/2003 2003/2004 2004/2005 2005/2006 2006/2007 2007/2008 2008/2009 2009/2010 2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016 Umsatz 176,0 162,7 166,3 189,5 217,5 267,4 328,4 303,8 350,2 328,5 373,4 432,8 528,7 523,7 626,8 Gewinn 9,8 0,4 -3,4 6,6 4,8 15,8 2,1 2,5 2,9 1,3 11,1 14,0 16,5 23,8 33,0
Bilanzen der FC Bayern München AG (Gesamtkonzern), Zahlen in Mio. Euro; Gewinn nach Steuern immer geben, so lange Fußball gespielt wird!“, polterte etwa Vereinsvizepräsident Dieter Mayer. Da ging es um den vor kurzem vor Gericht gescheiterten Antrag eines Uni-Professors, den FC Bayern München aus dem Vereinsregister zu löschen. Oder auch: „Wir stehen so gut da wie noch nie“(der ausgeschiedene Vizepräsident Rudolf Scheels). Und: „Die Spiele der Frauen des FC Bayern haben ein erstaunliches Niveau und eine gute Qualität“(Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge). Doch das war Business und Selbstbeweihräucherung as usual. Richtig emotional, richtig JHV-Bayernlike wurde es eben erst während der Krönungszeremonie.
Hoeneß hatte nie komplett die Strippen aus der Hand gegeben, er war im Hintergrund trotzdem an allen Entscheidungen beteiligt. Dass er nun dennoch wieder partout den Schritt zurück ins Amt machen wollte und darüberhinaus auch wieder den Vorsitz des Aufsichtsrates übernehmen möchte, stieß bei – auch vereinsinternen – Kritikern durchaus auch auf Unverständnis. Doch die sind in der Minderheit. Bayern bleibt Bayern, Hoeneß bleibt, wenn auch vielleicht eine etwas leisere Version, Hoeneß.