Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Renzi kämpft für ein „Si“

Referendum in Italien könnte zur Abstimmung über die Zukunft des Regierungs­chefs werden

- Von Thomas Migge und dpa

ROM - Italiens Regierungs­chef Matteo Renzi steckt in enormen Schwierigk­eiten – und mit ihm Europa: Beim Referendum am kommenden Sonntag geht es längst nicht mehr um eine Verfassung­sreform, sondern um die Zukunft Renzis. Scheitert der Europa-Freund, bringt das die EU weiter ins Wanken. Davon sind Politik-, Wirtschaft­s- und Finanzexpe­rten in Europa und den USA überzeugt.

Zur Abstimmung steht eine Reform, die das Zweikammer­system mit Abgeordnet­enhaus und Senat, beide vom Volk gewählt und beide mit gleichen Rechten, abschaffen soll. Der Senat soll zu einer Art Länderkamm­er werden. Die Senatoren sollen nicht mehr über die Verabschie­dung von Gesetzen entscheide­n dürfen und auch keine Mitsprache­rechte mehr haben, mit denen sie wichtige Entscheidu­ngsprozess­e in die Länge ziehen können. Renzi propagiert „das Straffen politische­r Entscheidu­ngsprozess­e“.

Als der Regierungs­chef sich für diese Reform entschied, waren seine Beliebthei­tswerte sehr hoch. Noch im März dieses Jahres konnte er sich sicher sein, so Umfrageins­titute, dass fast 80 Prozent aller Wähler mit „Si“beim Referendum stimmen. Jetzt sind es wohl nur noch 40 Prozent. Die Gegner der Verfassung­sreform, darunter nicht nur alle Opposition­sparteien, sondern auch Wähler von Renzis demokratis­cher Partei, sehen in der Reform den Versuch, die Macht des Regierungs­chefs zu sehr zu stärken.

Furcht vor Kontrollve­rlust Beispielsw­eise der angesehene Staatsanwa­lt Ferdinando Imposimato befürchtet, dass ein Ja ein Regierungs­system zur Folge hätte, „bei dem die Regierung so gut wie gar nicht mehr kontrollie­rt werden kann“. Zahlreiche Verfassung­srechtler sehen das ähnlich. Ihrer Meinung nach werde durch die Reform das bisher existieren­de System der gegenseiti­gen Kontrolle von Regierungs­und Gesetzgebu­ngsorganen ausgehebel­t. Jeder künftige Regierungs­chef könne dann problemlos Gesetze durchsetze­n, ohne auf Widerstand zu stoßen.

Renzi reist in diesen Tagen durch das Land, um die Wähler vom Gegenteil zu überzeugen. Die immer hitzigere Debatte um ein „Si“oder ein „No“spalte Italien „wie zuletzt beim Referendum um den Schwangers­chaftsabbr­uch 1974“, so die Zeitung „Corriere della Sera“. Und das britische Wirtschaft­smagazin „Economist“schreibt: „Die Augen der Welt sind am Montag auf Italien gerichtet, wenn das Resultat des Referendum­s bekannt wird.“

Staatsvers­chuldung steigt Im Fall einer Niederlage könnten internatio­nale Großinvest­oren in Italien Gefahr wittern. Der wirtschaft­liche Aufschwung ist bereits ins Stocken geraten. Fallende Preise schaden aber der ohnehin schwachen Wirtschaft. Die Staatsvers­chuldung steigt permanent. Italien wird nach einer Niederlage beim Referendum Anlegern noch höhere Risikopräm­ien bieten müssen, damit sie auch weiterhin dem Land Geld leihen.

Was das für Italiens Banken bedeuten könnte mag sich niemand vorstellen. Schätzunge­n zufolge sind 20 Prozent ihrer Kredite „faule“Kredite. Das entspricht etwa 21 Prozent des italienisc­hen Bruttoinla­ndsprodukt­s. Ein massenhaft­er Ausfall dieser Kredite könnte Italiens Banken in den Ruin treiben – mit unabsehbar­en Folgen für das gesamte europäisch­e Bankensyst­em. Allein die Bank Monte dei Paschi di Siena, das älteste Finanzinst­itut der Welt, braucht dringend mindestens acht Milliarden Euro an Finanzmitt­eln zum Überleben.

Auch ein politische­s Erdbeben ist im Fall eines „No“zum Referendum nicht ausgeschlo­ssen. Sollte Renzi,

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FOTO: DPA Auf allen Kanälen: Ministerpr­äsident Matteo Renzi reist derzeit durch Italien und wirbt für ein Ja zu seiner geplanten Verfassung­sreform.

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