Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Renzi kämpft für ein „Si“
Referendum in Italien könnte zur Abstimmung über die Zukunft des Regierungschefs werden
ROM - Italiens Regierungschef Matteo Renzi steckt in enormen Schwierigkeiten – und mit ihm Europa: Beim Referendum am kommenden Sonntag geht es längst nicht mehr um eine Verfassungsreform, sondern um die Zukunft Renzis. Scheitert der Europa-Freund, bringt das die EU weiter ins Wanken. Davon sind Politik-, Wirtschafts- und Finanzexperten in Europa und den USA überzeugt.
Zur Abstimmung steht eine Reform, die das Zweikammersystem mit Abgeordnetenhaus und Senat, beide vom Volk gewählt und beide mit gleichen Rechten, abschaffen soll. Der Senat soll zu einer Art Länderkammer werden. Die Senatoren sollen nicht mehr über die Verabschiedung von Gesetzen entscheiden dürfen und auch keine Mitspracherechte mehr haben, mit denen sie wichtige Entscheidungsprozesse in die Länge ziehen können. Renzi propagiert „das Straffen politischer Entscheidungsprozesse“.
Als der Regierungschef sich für diese Reform entschied, waren seine Beliebtheitswerte sehr hoch. Noch im März dieses Jahres konnte er sich sicher sein, so Umfrageinstitute, dass fast 80 Prozent aller Wähler mit „Si“beim Referendum stimmen. Jetzt sind es wohl nur noch 40 Prozent. Die Gegner der Verfassungsreform, darunter nicht nur alle Oppositionsparteien, sondern auch Wähler von Renzis demokratischer Partei, sehen in der Reform den Versuch, die Macht des Regierungschefs zu sehr zu stärken.
Furcht vor Kontrollverlust Beispielsweise der angesehene Staatsanwalt Ferdinando Imposimato befürchtet, dass ein Ja ein Regierungssystem zur Folge hätte, „bei dem die Regierung so gut wie gar nicht mehr kontrolliert werden kann“. Zahlreiche Verfassungsrechtler sehen das ähnlich. Ihrer Meinung nach werde durch die Reform das bisher existierende System der gegenseitigen Kontrolle von Regierungsund Gesetzgebungsorganen ausgehebelt. Jeder künftige Regierungschef könne dann problemlos Gesetze durchsetzen, ohne auf Widerstand zu stoßen.
Renzi reist in diesen Tagen durch das Land, um die Wähler vom Gegenteil zu überzeugen. Die immer hitzigere Debatte um ein „Si“oder ein „No“spalte Italien „wie zuletzt beim Referendum um den Schwangerschaftsabbruch 1974“, so die Zeitung „Corriere della Sera“. Und das britische Wirtschaftsmagazin „Economist“schreibt: „Die Augen der Welt sind am Montag auf Italien gerichtet, wenn das Resultat des Referendums bekannt wird.“
Staatsverschuldung steigt Im Fall einer Niederlage könnten internationale Großinvestoren in Italien Gefahr wittern. Der wirtschaftliche Aufschwung ist bereits ins Stocken geraten. Fallende Preise schaden aber der ohnehin schwachen Wirtschaft. Die Staatsverschuldung steigt permanent. Italien wird nach einer Niederlage beim Referendum Anlegern noch höhere Risikoprämien bieten müssen, damit sie auch weiterhin dem Land Geld leihen.
Was das für Italiens Banken bedeuten könnte mag sich niemand vorstellen. Schätzungen zufolge sind 20 Prozent ihrer Kredite „faule“Kredite. Das entspricht etwa 21 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts. Ein massenhafter Ausfall dieser Kredite könnte Italiens Banken in den Ruin treiben – mit unabsehbaren Folgen für das gesamte europäische Bankensystem. Allein die Bank Monte dei Paschi di Siena, das älteste Finanzinstitut der Welt, braucht dringend mindestens acht Milliarden Euro an Finanzmitteln zum Überleben.
Auch ein politisches Erdbeben ist im Fall eines „No“zum Referendum nicht ausgeschlossen. Sollte Renzi,