Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
EU und Dobrindt legen Maut-Streit bei
Künftig soll es fünf Kurzzeitvignetten für ausländische Fahrzeuge geben
BERLIN - „Heute ist klar, dass die Maut kommt.“Freudestrahlend tritt Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gestern Abend gemeinsam mit EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc in Brüssel vor die Presse. Der Pkw-Maut-Streit zwischen Berlin und Brüssel ist beigelegt. „Es gibt keine Mehrbelastung für inländische Autofahrer. Und jeder, der die Autobahn nutzt, wird einen angemessenen Beitrag leisten“, fasst Dobrindt die wichtigsten Punkte des Maut-Paktes zusammen. Er lobt: „Die Maut ist fair, sie ist sinnvoll, sie ist gerecht.“
Triumph für den CSU-Politiker, war die Abgabe doch ein Prestigeprojekt der Christsozialen in dieser Wahlperiode und hing monatelang am seidenen Faden. „Ich bin froh, dass wir nach zwei Jahren Diskussionen eine Lösung gefunden haben“, sagt auch Kommissarin Bulc und betont, die zentralen Streitpunkte seien vom Tisch.
Brüssel forderte Korrekturen Der deutsche Minister und die Brüsseler Kommissarin – seit Sommer 2015 hatten sie sich einen erbitterten Rechtsstreit geliefert. Der Kernvorwurf aus Brüssel: Die von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Regelung benachteiligt EU-Ausländer. Jetzt lenkt die Brüsseler Behörde ein, die Bundesregierung will das Gesetz noch einmal nachbessern. Vergleichsweise geringe Korrekturen, die Dobrindt gestern hinter verschlossenen Türen noch einmal zusagte, hatten den Durchbruch möglich gemacht. Nun steht fest: Die PkwMaut soll jährliche Einnahmen von 500 Millionen Euro bringen. Statt der bisher im Gesetz vorgesehenen drei Stufen für die Kurzzeitvignetten ausländischer Fahrzeuge soll es künftig fünf Stufen geben – zwischen 2,50 Euro und 40 Euro. Ein Beispiel: Für einen im Ausland zugelassenen Kleinwagen kostet die Zehn-Tages-Plakette künftig 2,50 Euro statt fünf Euro, wie bisher vorgesehen.
Laut Verkehrsministerium entstehen dadurch Mehreinnahmen. Schließlich gebe es nicht nur eine Entlastung für besonders umweltfreundliche Fahrzeuge, sondern auch höhere Belastungen für Halter von Autos mit besonders hohem Schadstoffausstoß. Änderung Nummer zwei: Es bleibt beim Prinzip, dass alle Autofahrer – inländische wie ausländische – die Pkw-Maut zahlen müssen. Aber: Die Kfz-Steuerentlastung, die Mehrbelastungen für deutsche Autofahrer verhindern soll und von der Brüsseler Kommission beanstandet worden war, wird größer ausfallen als geplant. Besonders umweltfreundliche Fahrzeuge, die der Schadstoffklasse Euro 6 entsprechen, werden stärker entlastet.
Damit kann aus Sicht der Europäischen Kommission von einer 1:1-Entlastung deutscher Autofahrer und einer Diskriminierung von Ausländern nicht mehr die Rede sein. Ein Kompromiss, der vor allem der Gesichtswahrung dient. Als Folge der Änderungen bei der Kfz-Steuer sinken die Netto-Einnahmen bei der Pkw-Maut unterm Strich um 100 Millionen Euro.
Die im Herbst beim Europäischen Gerichtshof eingereichte Klage der EU-Kommission gegen Deutschland liegt damit erst einmal „auf Eis“. Jetzt ist der Verkehrsminister am Zug, muss die mit Brüssel vereinbarten Änderungen in Gesetze gießen und sie erneut durch Bundestag und Bundesrat bringen.
Ärger droht mit den Nachbarstaaten: Die Niederlande wollen gegen die Einführung klagen. Das sagte Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen. Auch wenn die EU-Kommission den Plänen zustimme, würden die Nachbarländer Deutschlands vor Gericht ziehen. Nach ihren Worten ist auch Österreich mit dabei. Belgien und Dänemark würden sich möglicherweise der Klage ebenso anschließen, sagte die Ministerin.
Kein inländischer Autofahrer dürfe stärker belastet werden als bisher, warnte indes SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht. „Wichtig ist auch, dass die Maut substanzielle Mehreinnahmen für den Bau und Unterhalt der Autobahnen einbringt.“Der Verkehrsminister gibt Entwarnung. Beide Kriterien hält Dobrindt für erfüllt.