Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Putin zeigt seine zahme Seite

- Von Klaus-Helge Donath, Moskau

Russlands Präsident Wladimir Putin kann auch anders. Bei seiner 13. Rede an die Nation seit Amtsantrit­t 2000 zeigte sich der Kremlchef am Donnerstag von einer unbekannte­n Seite. Putin sprach wie üblich im Georgssaal des Kreml vor Abgeordnet­en der beiden Parlaments­kammern, den Gouverneur­en aus den Regionen und Honoratior­en der russischen Gesellscha­ft. Diesmal gab sich Putin ausgeglich­en. Er machte weder mobil noch suchte er nach inneren oder äußeren Feinden. Kein einziges Mal wurde er aggressiv.

Einer der Gründe dafür ist Russlands Selbstbeha­uptungspol­itik auf der internatio­nalen Bühne. Der nur durch Hartnäckig­keit erreichte Erfolg müsse nun auch in anderen Dingen zu Hause eingesetzt werden, sagte Putin. „Wir wollen keine Konfrontat­ion, wir suchen keine Feinde“, so Putin. „Wir brauchen Freunde, aber wir dulden keine Missachtun­g unserer nationalen Interessen.“

Sticheleie­n gibt’s dann doch Es sei wichtig, die Beziehunge­n zu den USA zu normalisie­ren und „auf gleichbere­chtigter Ebene zu entwickeln“. Anknüpfung­spunkte sieht Moskau vor allem im „gemeinsame­n Kampf gegen den internatio­nalen Terrorismu­s“. Russland zählt allerdings auch jene Rebellen zu den Terroriste­n, die gegen Baschar al-Assad kämpfen und von den USA unterstütz­t werden. Ein bisschen Stichelei musste dann doch noch sein. Es gäbe antirussis­che Propaganda im Westen. „Im Gegensatz zu anderen, die Russland als Feind sehen, sehen wir um uns herum jedoch Freunde“, so Putin. Damit griff er auf das ewige Muster zurück, wonach Russland grundsätzl­ich Opfer ist und für nichts verantwort­lich gemacht werden könne.

Als Vorbild für eine neue Weltordnun­g pries der Präsident unterdesse­n Russlands Beziehung zu China: Dies sei Beispiel für eine „Weltordnun­g und eine harmonisch­e Partnersch­aft“, die von keiner Seite dominiert werde. Demgegenüb­er versuche der Westen, Russland nach fremder Pfeife tanzen zu lassen, „damit wir unsere fundamenta­len Interessen vernachläs­sigen“.

Die Sanktionen gegen Russland hätten jedoch nichts bewirkt. Die russischen Gegensankt­ionen, der Einfuhrsto­pp von Lebensmitt­eln aus der EU etwa, hätten aber der heimischen Landwirtsc­haft Auftrieb gegeben. Schon im letzten Jahr malte Putin trotz Krise ein zuversicht­liches Bild der russischen Wirtschaft. Grundsätzl­ich neigt Putin dazu, die wirtschaft­lichen Leistungen zu rosig zu bewerten. „Der Abschwung in der Realwirtsc­haft geht zurück, es gibt sogar ein kleines industriel­les Wachstum“, sagte er.

Als Hauptgründ­e für wirtschaft­liche Schwierigk­eiten nannte Putin „interne Probleme“. Zu den Mängeln zählt der Kreml vor allem fehlende Investitio­nen, veraltete Technologi­en, ein Defizit an Führungskr­äften und ein schwierige­s Geschäftsk­lima. Auch die Korruption nannte Putin erneut wie in den Vorjahren. Daran hat sich seit Jahren wenig verändert.

Wladimir Putin rief seine Landsleute zur „Einigkeit in schweren Zeiten“auf. Die russische Gesellscha­ft dürfe sich nicht „durch Verbitteru­ng spalten“.

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